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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band.

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mit Fabeln angefüllt, welche die Nachkommen ^der Verbannten dort wohnen
lassen.

Sehr ergötzlich sind die wundersamen Phantasien, die sich über diesen
Gegenstand, in dem von einem Rabbi Gerschon verfaßten Buche "Geliloth Frez
Jisrael" verbreiten und die von Frank'l in seiner Schrift "Aus Aegypten" mit¬
getheilt werden.

"Als ich." wird hier erzählt, "im Jahre S390 (1630 n. Chr.) in Kairo
war, hörte ich viel 'von den zehn Verlornen Stämmen Israels sprechen. Es
waren eben Briefe aus Salonik angelangt, die von vielen tausend Juden jen¬
seits des Sambation berichteten. Sie kommen häufig in das Land der weißen
Aethiopier Prister-Jan, wo sie Zerstörungen anrichten, wenn ihnen der Tribut
verweigert wird."

Bon der Begier getrieben, Genaueres zu erfahren, begibt sich nun der
Erzähler nach Salonik, um von dort mit einer Karavane, die mit Eisen nach
dem Sambation aufzubrechen im Begriff ist, zu dem geheimnißvollen Volte zu
reisen. Er geht dabei über Mekka, dann durch die Wüsten von Abyssinien,
"von wo der indische Ocean nicht fern ist," dann nach Indien bis Rebar,
von da nach Dabvrsalan am Gosan (Ganges?), "endlich nach China bis Kal¬
kutta." Von hier wandert er wieder durch Wüsten weiter bis zu einer Stadt
nicht weit vom Sambation, den er schon brausen hört, als er noch zwei Tagereisen
von ihm entfernt ist. Ueber den Strom zu setzen versucht er nicht. Doch erfährt
er von den weißen Aethiopiern jener Stadt interessante Kunde. Sie erzählen:

"Wir streifen die ganze Woche, unsern Geschäften nachgehend, im Lande
umher, ohne etwas zu fürchten; denn der Strom tobt und wirft Steine em¬
por, so daß es unmöglich ist, ihn zu beschiffen. Aber zwei Stunden vor Be¬
ginn des Sabbath beruhigt er sich und nun halten wir Wache, damit die Juden
nicht herüberkommen. Samstag hören wir damit auf; denn obwohl der Fluß
völlig still ist und Sabbatruhe hält, kommt doch kein Jude herüber, da auch
sie den Sabbat ehren. Zwischen Pristcr-Jan (dem Reiche, zu welchem die er¬
wähnte Stadt gehört) sind noch zwei Königreiche, in welchem jeder hingerichtet
wird, der ein Thier umbringt. Der Sambation ist siebzehn Stadien breit, und
ein Bad in ihm heilt den Aussatz. Die Völker an seinem Ufer trinken sein Wasser
nicht und tränken auch ihre Thiere nicht aus ihm, da sie ihn für heilig halten."

"Jenseits des Stromes wohnen Juden, die sehr reich sind, aber keine
Münzen kennen. Da sie in ihrem, Lande kein Eisen finden, so wiegen sie
einen Centner desselben mit einem Centner Gold auf. Ihr Reich zerfällt in
vierundzwanzig Königreiche. Der mächtigste von den Beherrschern derselben
heißt Elieser. Er besteigt sein Roß auf einer goldnen Leiter, die sieben Spros¬
sen hat. Wenn er ins Feld zieht, folgen ihm 180.000 Männer zu Fuß und
zu Pferde, und noch nie hat er eine Schlacht verloren. Ein anderer der Kö-


mit Fabeln angefüllt, welche die Nachkommen ^der Verbannten dort wohnen
lassen.

Sehr ergötzlich sind die wundersamen Phantasien, die sich über diesen
Gegenstand, in dem von einem Rabbi Gerschon verfaßten Buche „Geliloth Frez
Jisrael" verbreiten und die von Frank'l in seiner Schrift „Aus Aegypten" mit¬
getheilt werden.

„Als ich." wird hier erzählt, „im Jahre S390 (1630 n. Chr.) in Kairo
war, hörte ich viel 'von den zehn Verlornen Stämmen Israels sprechen. Es
waren eben Briefe aus Salonik angelangt, die von vielen tausend Juden jen¬
seits des Sambation berichteten. Sie kommen häufig in das Land der weißen
Aethiopier Prister-Jan, wo sie Zerstörungen anrichten, wenn ihnen der Tribut
verweigert wird."

Bon der Begier getrieben, Genaueres zu erfahren, begibt sich nun der
Erzähler nach Salonik, um von dort mit einer Karavane, die mit Eisen nach
dem Sambation aufzubrechen im Begriff ist, zu dem geheimnißvollen Volte zu
reisen. Er geht dabei über Mekka, dann durch die Wüsten von Abyssinien,
„von wo der indische Ocean nicht fern ist," dann nach Indien bis Rebar,
von da nach Dabvrsalan am Gosan (Ganges?), „endlich nach China bis Kal¬
kutta." Von hier wandert er wieder durch Wüsten weiter bis zu einer Stadt
nicht weit vom Sambation, den er schon brausen hört, als er noch zwei Tagereisen
von ihm entfernt ist. Ueber den Strom zu setzen versucht er nicht. Doch erfährt
er von den weißen Aethiopiern jener Stadt interessante Kunde. Sie erzählen:

„Wir streifen die ganze Woche, unsern Geschäften nachgehend, im Lande
umher, ohne etwas zu fürchten; denn der Strom tobt und wirft Steine em¬
por, so daß es unmöglich ist, ihn zu beschiffen. Aber zwei Stunden vor Be¬
ginn des Sabbath beruhigt er sich und nun halten wir Wache, damit die Juden
nicht herüberkommen. Samstag hören wir damit auf; denn obwohl der Fluß
völlig still ist und Sabbatruhe hält, kommt doch kein Jude herüber, da auch
sie den Sabbat ehren. Zwischen Pristcr-Jan (dem Reiche, zu welchem die er¬
wähnte Stadt gehört) sind noch zwei Königreiche, in welchem jeder hingerichtet
wird, der ein Thier umbringt. Der Sambation ist siebzehn Stadien breit, und
ein Bad in ihm heilt den Aussatz. Die Völker an seinem Ufer trinken sein Wasser
nicht und tränken auch ihre Thiere nicht aus ihm, da sie ihn für heilig halten."

„Jenseits des Stromes wohnen Juden, die sehr reich sind, aber keine
Münzen kennen. Da sie in ihrem, Lande kein Eisen finden, so wiegen sie
einen Centner desselben mit einem Centner Gold auf. Ihr Reich zerfällt in
vierundzwanzig Königreiche. Der mächtigste von den Beherrschern derselben
heißt Elieser. Er besteigt sein Roß auf einer goldnen Leiter, die sieben Spros¬
sen hat. Wenn er ins Feld zieht, folgen ihm 180.000 Männer zu Fuß und
zu Pferde, und noch nie hat er eine Schlacht verloren. Ein anderer der Kö-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_115393/78>, abgerufen am 31.05.2024.