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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Ihm folgte der Graf Colloredo-Waisen, welcher durch volle achtunddreißig
Jahre dem östreichischen Artillcriewescn vorstand und sich des Vertrauens dreier
Monarchen in gleichem Grade, wie einst Liechtenstein, erfreute. Im Anfange
führte er einige wesentliche Verbesserungen des todten Materials seiner Waffe
ein, wodurch das bestehende System in seinen Grundzügen nicht verändert,
wohl aber im Detail vervollkommnet wurde. Dabei blieb es aber auch, und in der
Folgezeit widersetzte sich Colloredo mit der größten Beharrlichkeit allen Neu¬
erungen, besonders wenn solche vom Auslande stammten, mochte ihr Nutzen auch
noch so augenscheinlich sein").

Größere und folgenreichere Aufmerksamkeit wendete er dagegen der Artillerie
als Truppe zu, und so wie Liechtenstein die östreichische Artillerie in Bezug auf
das Material gehoben hatte, so that Colloredo in Bezug auf das Personal
mindestens das Gleiche. Selten hat wohl eine Truppe von gleicher Trefflichkeit
existirt, als das von Colloredo nach und nach auf fünf Regimenter, ein Bombar¬
dier- und ein Feuerwerks- oder Raketeurcvrps vermehrte östreichische Artillerie¬
corps. Das System konnte immerhin zurückbleiben, die Construction der
Lasteten und die taktische Beweglichkeit der Batterien mochte den Anforderungen
der Zeit nicht mehr ganz entsprechen, aber die Tapferkeit und Geschicklichkeii
der Mannschaft glich diese Mängel aus, und so lange die nach Colloredos
Grundsätzen geschulten Artilleristen bei den Liechtensteinischen Geschützen standen,
war ein Hcrabsint'en von der früher erreichten hohen Stufe bei der östreichi¬
schen Artillerie nicht so bald zu besorgen.

Und in der That bewährte die östreichische Artillerie während der nun fol¬
genden Kriege ihren alten Ruf und erwies sich der Artillerie der feindlichen
Heere vollkommen ebenbürtig -- ja bei den meisten Gelegenheiten überlegen.
Die technischen Fortschritte, welche die Artillerien anderer Staaten machten,
waren während dieser Epoche verhältnismäßig gering, daher das durch die
höhere Ausbildung der Truppe hervorgebrachte Uebergewicht um so bedeutender
in die Wagschale fiel. Diese Überlegenheit wurde auch allgemein anerkannt,
und es fand z. B. die Nachricht von der Erstürmung der Brücken bei Lodi
und Arcvle nur schwer Glauben, da man es für undenkbar hielt, daß die
Franzosen unter dem Feuer der "ausgezeichneten östreichischen Artillerie" nur
an die Unternehmung eines solchen Wagestückes denken konnten.



") Ein in Wien ansässiger ehemaliger sächsischer Artillerist schlug dem Artilleriedirector einst
ein" nicht unwesentliche technische Verbesserung ein einer Laffetengattung vor. Colloredo durch¬
las den ihm überreichten Entwurf und -- zerriß denselben. Durch ein,en seiner Adjutanten
aber ließ er den Mann zum Eintritte in die östreichische Artillerie bewegen, ernannte ihn aus
der Stelle zum Oberfeuerwerker und liest sich ihn vorstellen. "Er soll eine Erfindung gemacht
haben," sagte er zu ihm, "reiche Er die Sache ein!" Und da" Project wurde jetzt, da es
von einem östreichischen Artilleristen herrührte, angenommen.

Ihm folgte der Graf Colloredo-Waisen, welcher durch volle achtunddreißig
Jahre dem östreichischen Artillcriewescn vorstand und sich des Vertrauens dreier
Monarchen in gleichem Grade, wie einst Liechtenstein, erfreute. Im Anfange
führte er einige wesentliche Verbesserungen des todten Materials seiner Waffe
ein, wodurch das bestehende System in seinen Grundzügen nicht verändert,
wohl aber im Detail vervollkommnet wurde. Dabei blieb es aber auch, und in der
Folgezeit widersetzte sich Colloredo mit der größten Beharrlichkeit allen Neu¬
erungen, besonders wenn solche vom Auslande stammten, mochte ihr Nutzen auch
noch so augenscheinlich sein").

Größere und folgenreichere Aufmerksamkeit wendete er dagegen der Artillerie
als Truppe zu, und so wie Liechtenstein die östreichische Artillerie in Bezug auf
das Material gehoben hatte, so that Colloredo in Bezug auf das Personal
mindestens das Gleiche. Selten hat wohl eine Truppe von gleicher Trefflichkeit
existirt, als das von Colloredo nach und nach auf fünf Regimenter, ein Bombar¬
dier- und ein Feuerwerks- oder Raketeurcvrps vermehrte östreichische Artillerie¬
corps. Das System konnte immerhin zurückbleiben, die Construction der
Lasteten und die taktische Beweglichkeit der Batterien mochte den Anforderungen
der Zeit nicht mehr ganz entsprechen, aber die Tapferkeit und Geschicklichkeii
der Mannschaft glich diese Mängel aus, und so lange die nach Colloredos
Grundsätzen geschulten Artilleristen bei den Liechtensteinischen Geschützen standen,
war ein Hcrabsint'en von der früher erreichten hohen Stufe bei der östreichi¬
schen Artillerie nicht so bald zu besorgen.

Und in der That bewährte die östreichische Artillerie während der nun fol¬
genden Kriege ihren alten Ruf und erwies sich der Artillerie der feindlichen
Heere vollkommen ebenbürtig — ja bei den meisten Gelegenheiten überlegen.
Die technischen Fortschritte, welche die Artillerien anderer Staaten machten,
waren während dieser Epoche verhältnismäßig gering, daher das durch die
höhere Ausbildung der Truppe hervorgebrachte Uebergewicht um so bedeutender
in die Wagschale fiel. Diese Überlegenheit wurde auch allgemein anerkannt,
und es fand z. B. die Nachricht von der Erstürmung der Brücken bei Lodi
und Arcvle nur schwer Glauben, da man es für undenkbar hielt, daß die
Franzosen unter dem Feuer der „ausgezeichneten östreichischen Artillerie" nur
an die Unternehmung eines solchen Wagestückes denken konnten.



") Ein in Wien ansässiger ehemaliger sächsischer Artillerist schlug dem Artilleriedirector einst
ein« nicht unwesentliche technische Verbesserung ein einer Laffetengattung vor. Colloredo durch¬
las den ihm überreichten Entwurf und — zerriß denselben. Durch ein,en seiner Adjutanten
aber ließ er den Mann zum Eintritte in die östreichische Artillerie bewegen, ernannte ihn aus
der Stelle zum Oberfeuerwerker und liest sich ihn vorstellen. „Er soll eine Erfindung gemacht
haben," sagte er zu ihm, „reiche Er die Sache ein!" Und da« Project wurde jetzt, da es
von einem östreichischen Artilleristen herrührte, angenommen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/109>, abgerufen am 02.05.2024.