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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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man, wenn man ein recht verwahrlostes und aller militärischen Tugenden ent¬
behrendes Subject mit dem gehörigen Namen bezeichnen wollte, dasselbe als
"sür die Garnisonsartillerie ganz reif" erklärte.

Abgesehen jedoch von den Mängeln, welche dem letztgenannten -- übrigens
der Zahl nach unbedeutenden -- Theile der östreichischen Artillerie anhingen, ver¬
diente die letztere im Ganzen noch immer die Achtung, welche man ihr schon seit
alter Zeit im In- und Auslande gezollt hatte. Die theoretische und praktische
Ausbildung der einzelnen Individuen konnte eine vortreffliche genannt werde",
und die Tapferkeit und Treue des ganzen Corps waren unbestreitbar.

Hier konnte man von einem Corpsgeiste im wahren Sinne des Wortes
sprechen, wenn er auch zuweilen nur zu sehr den Charakter eines starren,
unduldsamen Kastengeistes annahm, und Selbstüberschätzung, blinde Verehrung
des Althergebrachten und Pedanterie offen hervortraten. Besonders die beiden
letzten Eigenschaften machten sich häusig bemerkbar, und schon die Bekleidung
der Artillerie deutete darauf hin. In der That erinnerte auch die Unifvrmirung
der östreichischen Artillerie selbst noch im Beginne des zweiten Drittels dieses
Jahrhunderts sehr lebhaft an die Constabler aus dem Zeitalter des Prinzen Eugen.

Ein graubrauner -- rehfarbiger -- Frack mit rothem Kragen und Auf¬
schlägen und gelben numerirten Knöpfen, weiße enge Beinkleider, Kniestiefel,
eine Halsbinde von Roßhaar mit einem breiten weißen Vorstöße und ein Hut
n. iij, (noi'LCtt von einer wahrhaft schauerlichen Form und Große -- vorn mit
einer faustgroßen Rosette von gelber Wolle und einem schuhlangen Federstutze,
bei den Unteroffizieren auch noch mit Tressen von verschiedener Breite geziert,
bildeten die Bekleidung der östreichischen Artilleristen. Tornister und Feuer¬
gewehre wurden nicht getragen, jedoch hing der eng zusammengeschnürte Mantel
gleich einem Nänzchen quer über dem Rücken des Mannes.

Die Bewaffnung bestand blos aus einem Jnfantcricsäbel, welcher an einem
weißen Wehrgehänge getragen wurde. Die Bombardiere und Kanoniere trugen
außerdem an einem Bandelier das sogenannte Besteck, eine lederne Hülse, in
welcher sich ein messingener Kaliberstab und ein Reißzeug befanden.

Als ein besonders auffallendes Erinnerungszeichen an die Zopfzeit mußte
endlich der Haselstock bezeichnet werden, welcher nicht nur wie bei den übrigen
Truppen von den Korporalen, sondern auch von den Bombardieren und Kano¬
nieren getragen wurde; die Feuerwerker trugen ein spanisches Rohr mit einem
großen Knopfe von Elfenbein. Ging der Artillerist auf der Straße spaziere",
so mußte er die linke Hand an den Griff seines Säbels legen, mit der rechte"
aber de" Stock oder das Rohr beinahe wagrecht vorgestreckt tragen.

Die Offiziere waren auf gleiche Weise uniformirt, nur trugen sie Degen
und Sturmhüte, zur kleinen Uniform dursten sie schwarze Beinkleider und lange
Kapots tragen.


man, wenn man ein recht verwahrlostes und aller militärischen Tugenden ent¬
behrendes Subject mit dem gehörigen Namen bezeichnen wollte, dasselbe als
„sür die Garnisonsartillerie ganz reif" erklärte.

Abgesehen jedoch von den Mängeln, welche dem letztgenannten — übrigens
der Zahl nach unbedeutenden — Theile der östreichischen Artillerie anhingen, ver¬
diente die letztere im Ganzen noch immer die Achtung, welche man ihr schon seit
alter Zeit im In- und Auslande gezollt hatte. Die theoretische und praktische
Ausbildung der einzelnen Individuen konnte eine vortreffliche genannt werde»,
und die Tapferkeit und Treue des ganzen Corps waren unbestreitbar.

Hier konnte man von einem Corpsgeiste im wahren Sinne des Wortes
sprechen, wenn er auch zuweilen nur zu sehr den Charakter eines starren,
unduldsamen Kastengeistes annahm, und Selbstüberschätzung, blinde Verehrung
des Althergebrachten und Pedanterie offen hervortraten. Besonders die beiden
letzten Eigenschaften machten sich häusig bemerkbar, und schon die Bekleidung
der Artillerie deutete darauf hin. In der That erinnerte auch die Unifvrmirung
der östreichischen Artillerie selbst noch im Beginne des zweiten Drittels dieses
Jahrhunderts sehr lebhaft an die Constabler aus dem Zeitalter des Prinzen Eugen.

Ein graubrauner — rehfarbiger — Frack mit rothem Kragen und Auf¬
schlägen und gelben numerirten Knöpfen, weiße enge Beinkleider, Kniestiefel,
eine Halsbinde von Roßhaar mit einem breiten weißen Vorstöße und ein Hut
n. iij, (noi'LCtt von einer wahrhaft schauerlichen Form und Große — vorn mit
einer faustgroßen Rosette von gelber Wolle und einem schuhlangen Federstutze,
bei den Unteroffizieren auch noch mit Tressen von verschiedener Breite geziert,
bildeten die Bekleidung der östreichischen Artilleristen. Tornister und Feuer¬
gewehre wurden nicht getragen, jedoch hing der eng zusammengeschnürte Mantel
gleich einem Nänzchen quer über dem Rücken des Mannes.

Die Bewaffnung bestand blos aus einem Jnfantcricsäbel, welcher an einem
weißen Wehrgehänge getragen wurde. Die Bombardiere und Kanoniere trugen
außerdem an einem Bandelier das sogenannte Besteck, eine lederne Hülse, in
welcher sich ein messingener Kaliberstab und ein Reißzeug befanden.

Als ein besonders auffallendes Erinnerungszeichen an die Zopfzeit mußte
endlich der Haselstock bezeichnet werden, welcher nicht nur wie bei den übrigen
Truppen von den Korporalen, sondern auch von den Bombardieren und Kano¬
nieren getragen wurde; die Feuerwerker trugen ein spanisches Rohr mit einem
großen Knopfe von Elfenbein. Ging der Artillerist auf der Straße spaziere»,
so mußte er die linke Hand an den Griff seines Säbels legen, mit der rechte»
aber de» Stock oder das Rohr beinahe wagrecht vorgestreckt tragen.

Die Offiziere waren auf gleiche Weise uniformirt, nur trugen sie Degen
und Sturmhüte, zur kleinen Uniform dursten sie schwarze Beinkleider und lange
Kapots tragen.


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[0120] man, wenn man ein recht verwahrlostes und aller militärischen Tugenden ent¬ behrendes Subject mit dem gehörigen Namen bezeichnen wollte, dasselbe als „sür die Garnisonsartillerie ganz reif" erklärte. Abgesehen jedoch von den Mängeln, welche dem letztgenannten — übrigens der Zahl nach unbedeutenden — Theile der östreichischen Artillerie anhingen, ver¬ diente die letztere im Ganzen noch immer die Achtung, welche man ihr schon seit alter Zeit im In- und Auslande gezollt hatte. Die theoretische und praktische Ausbildung der einzelnen Individuen konnte eine vortreffliche genannt werde», und die Tapferkeit und Treue des ganzen Corps waren unbestreitbar. Hier konnte man von einem Corpsgeiste im wahren Sinne des Wortes sprechen, wenn er auch zuweilen nur zu sehr den Charakter eines starren, unduldsamen Kastengeistes annahm, und Selbstüberschätzung, blinde Verehrung des Althergebrachten und Pedanterie offen hervortraten. Besonders die beiden letzten Eigenschaften machten sich häusig bemerkbar, und schon die Bekleidung der Artillerie deutete darauf hin. In der That erinnerte auch die Unifvrmirung der östreichischen Artillerie selbst noch im Beginne des zweiten Drittels dieses Jahrhunderts sehr lebhaft an die Constabler aus dem Zeitalter des Prinzen Eugen. Ein graubrauner — rehfarbiger — Frack mit rothem Kragen und Auf¬ schlägen und gelben numerirten Knöpfen, weiße enge Beinkleider, Kniestiefel, eine Halsbinde von Roßhaar mit einem breiten weißen Vorstöße und ein Hut n. iij, (noi'LCtt von einer wahrhaft schauerlichen Form und Große — vorn mit einer faustgroßen Rosette von gelber Wolle und einem schuhlangen Federstutze, bei den Unteroffizieren auch noch mit Tressen von verschiedener Breite geziert, bildeten die Bekleidung der östreichischen Artilleristen. Tornister und Feuer¬ gewehre wurden nicht getragen, jedoch hing der eng zusammengeschnürte Mantel gleich einem Nänzchen quer über dem Rücken des Mannes. Die Bewaffnung bestand blos aus einem Jnfantcricsäbel, welcher an einem weißen Wehrgehänge getragen wurde. Die Bombardiere und Kanoniere trugen außerdem an einem Bandelier das sogenannte Besteck, eine lederne Hülse, in welcher sich ein messingener Kaliberstab und ein Reißzeug befanden. Als ein besonders auffallendes Erinnerungszeichen an die Zopfzeit mußte endlich der Haselstock bezeichnet werden, welcher nicht nur wie bei den übrigen Truppen von den Korporalen, sondern auch von den Bombardieren und Kano¬ nieren getragen wurde; die Feuerwerker trugen ein spanisches Rohr mit einem großen Knopfe von Elfenbein. Ging der Artillerist auf der Straße spaziere», so mußte er die linke Hand an den Griff seines Säbels legen, mit der rechte» aber de» Stock oder das Rohr beinahe wagrecht vorgestreckt tragen. Die Offiziere waren auf gleiche Weise uniformirt, nur trugen sie Degen und Sturmhüte, zur kleinen Uniform dursten sie schwarze Beinkleider und lange Kapots tragen.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/120>, abgerufen am 15.05.2024.