Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Kein Artillerist durfte einen Schnurrbart tragen. Das Tabakrauchen war
in und außer Dienst strengstens verpönt, das Schnupfen dagegen gestattet, und
in früherer Zeit wurde sogar der Mannschaft Schnupftabak verabfolgt.

Erst im Jahre 1838 wurde die soeben beschriebene Adjüstirung wesentlich ab¬
geändert. Die Farbe der Fracks wurde dunkelbraun, und an die Stelle der
weißen Kniehosen traten lichtblaue Pantalons mit rothen Streifen. Die
Offiziere erhielten Schleppsäbel und blaue Pantalons mit Goldtressen. Dagegen
wurden die Hüte, die Stöcke und Röhre, die unbequeme Halsbinde und die
Bestecke beibehalten.

Doch hatte das System, nach welchem die östreichische Artillerie organisirt
war, auch große und unverkennbare Schattenseiten.

Die Offiziere, besonders jene der höheren Grade, waren in der Regel
so alt, daß sie nur ausnahmsweise noch die hinlängliche Kraft und Beweglich¬
keit bewahrt hatten. Allerdings verfuhr man bei der Auswahl der Befehls¬
haber ziemlich haushälterisch, indem man z. B. einer Batterie von sechs Ge¬
schützen nur einen Offizier und fünf Unteroffiziere zutheilte, man also die
Jüngsten und Rüstigsten aussuchen konnte.

Die Compagnie bildete, wie erwähnt, zwei bis drei Batterien, wobei der
Hauptmann, der Feldwebel und die Tamboure ohne Verwendung und daher in
dem Garnisonsvrte des Regiments zurückblieben. Der Hauptmann, der Bater
seiner Compagnie, welcher den Soldaten mit gutem Beispiele voranleuchten
und alle Gefahren und Entbehrungen mit ihnen theilen soll, schickte also gleich¬
sam Andere für sich hinaus, begann gerade bei dem Ausbruche eines Krieges
das Leben zu genießen und konnte sich dem ungestörtesten Nichtsthun über¬
lassen, wofern er nicht zufällig in eine Festung oder zu einem Artilleriepark
beordert wurde. Auch von den höher" Offizieren rückten nur einige in das
Feld, während die Mehrzahl, vor allen Gefahren und Anstrengungen geschützt,
bei den Depots zurückbUeb.

Dieses Verhältniß mußte auf die Gesinnung der Untergebenen gegen ihre
Vorgesetzten jedenfalls einen nachtheiligen Einfluß ausüben. Allerdings beruhte
die Thätigkeit der Artillerie auf den Subalternoffizieren und Unteroffizieren,
also auf Männern, welche im besten Mannesalter standen; aber es fehlte doch
immer der von oben ausgehende belebende Impuls und eine Alles umfassende,
kräftige Leitung, und die Offiziere, durch das Gefühl ihrer untergeordneten
Stellung bedrückt und die zu übernehmende Verantwortung scheuend, begnügten
sich rin Allgemeinen damit, ihre Pflicht zu erfüllen und wagten sich selten über
ihre Sphäre hinaus. Daß übrigens nicht Alle so handelten, zeigte die verhältni߬
mäßig große Menge der Theresienordenstreuze, welche nach jedem Feldzuge
an subalterne Artillerieoffiziere verliehen wurden. Dieselben hatten gewöhnlich
eben das gethan, was eine Pflicht ihrer altersschwachen Vorgesetzten gewesen wäre.


Grenzboten I. 1663. Is

Kein Artillerist durfte einen Schnurrbart tragen. Das Tabakrauchen war
in und außer Dienst strengstens verpönt, das Schnupfen dagegen gestattet, und
in früherer Zeit wurde sogar der Mannschaft Schnupftabak verabfolgt.

Erst im Jahre 1838 wurde die soeben beschriebene Adjüstirung wesentlich ab¬
geändert. Die Farbe der Fracks wurde dunkelbraun, und an die Stelle der
weißen Kniehosen traten lichtblaue Pantalons mit rothen Streifen. Die
Offiziere erhielten Schleppsäbel und blaue Pantalons mit Goldtressen. Dagegen
wurden die Hüte, die Stöcke und Röhre, die unbequeme Halsbinde und die
Bestecke beibehalten.

Doch hatte das System, nach welchem die östreichische Artillerie organisirt
war, auch große und unverkennbare Schattenseiten.

Die Offiziere, besonders jene der höheren Grade, waren in der Regel
so alt, daß sie nur ausnahmsweise noch die hinlängliche Kraft und Beweglich¬
keit bewahrt hatten. Allerdings verfuhr man bei der Auswahl der Befehls¬
haber ziemlich haushälterisch, indem man z. B. einer Batterie von sechs Ge¬
schützen nur einen Offizier und fünf Unteroffiziere zutheilte, man also die
Jüngsten und Rüstigsten aussuchen konnte.

Die Compagnie bildete, wie erwähnt, zwei bis drei Batterien, wobei der
Hauptmann, der Feldwebel und die Tamboure ohne Verwendung und daher in
dem Garnisonsvrte des Regiments zurückblieben. Der Hauptmann, der Bater
seiner Compagnie, welcher den Soldaten mit gutem Beispiele voranleuchten
und alle Gefahren und Entbehrungen mit ihnen theilen soll, schickte also gleich¬
sam Andere für sich hinaus, begann gerade bei dem Ausbruche eines Krieges
das Leben zu genießen und konnte sich dem ungestörtesten Nichtsthun über¬
lassen, wofern er nicht zufällig in eine Festung oder zu einem Artilleriepark
beordert wurde. Auch von den höher» Offizieren rückten nur einige in das
Feld, während die Mehrzahl, vor allen Gefahren und Anstrengungen geschützt,
bei den Depots zurückbUeb.

Dieses Verhältniß mußte auf die Gesinnung der Untergebenen gegen ihre
Vorgesetzten jedenfalls einen nachtheiligen Einfluß ausüben. Allerdings beruhte
die Thätigkeit der Artillerie auf den Subalternoffizieren und Unteroffizieren,
also auf Männern, welche im besten Mannesalter standen; aber es fehlte doch
immer der von oben ausgehende belebende Impuls und eine Alles umfassende,
kräftige Leitung, und die Offiziere, durch das Gefühl ihrer untergeordneten
Stellung bedrückt und die zu übernehmende Verantwortung scheuend, begnügten
sich rin Allgemeinen damit, ihre Pflicht zu erfüllen und wagten sich selten über
ihre Sphäre hinaus. Daß übrigens nicht Alle so handelten, zeigte die verhältni߬
mäßig große Menge der Theresienordenstreuze, welche nach jedem Feldzuge
an subalterne Artillerieoffiziere verliehen wurden. Dieselben hatten gewöhnlich
eben das gethan, was eine Pflicht ihrer altersschwachen Vorgesetzten gewesen wäre.


Grenzboten I. 1663. Is
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0121" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187615"/>
            <p xml:id="ID_467"> Kein Artillerist durfte einen Schnurrbart tragen. Das Tabakrauchen war<lb/>
in und außer Dienst strengstens verpönt, das Schnupfen dagegen gestattet, und<lb/>
in früherer Zeit wurde sogar der Mannschaft Schnupftabak verabfolgt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_468"> Erst im Jahre 1838 wurde die soeben beschriebene Adjüstirung wesentlich ab¬<lb/>
geändert. Die Farbe der Fracks wurde dunkelbraun, und an die Stelle der<lb/>
weißen Kniehosen traten lichtblaue Pantalons mit rothen Streifen. Die<lb/>
Offiziere erhielten Schleppsäbel und blaue Pantalons mit Goldtressen. Dagegen<lb/>
wurden die Hüte, die Stöcke und Röhre, die unbequeme Halsbinde und die<lb/>
Bestecke beibehalten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_469"> Doch hatte das System, nach welchem die östreichische Artillerie organisirt<lb/>
war, auch große und unverkennbare Schattenseiten.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_470"> Die Offiziere, besonders jene der höheren Grade, waren in der Regel<lb/>
so alt, daß sie nur ausnahmsweise noch die hinlängliche Kraft und Beweglich¬<lb/>
keit bewahrt hatten. Allerdings verfuhr man bei der Auswahl der Befehls¬<lb/>
haber ziemlich haushälterisch, indem man z. B. einer Batterie von sechs Ge¬<lb/>
schützen nur einen Offizier und fünf Unteroffiziere zutheilte, man also die<lb/>
Jüngsten und Rüstigsten aussuchen konnte.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_471"> Die Compagnie bildete, wie erwähnt, zwei bis drei Batterien, wobei der<lb/>
Hauptmann, der Feldwebel und die Tamboure ohne Verwendung und daher in<lb/>
dem Garnisonsvrte des Regiments zurückblieben. Der Hauptmann, der Bater<lb/>
seiner Compagnie, welcher den Soldaten mit gutem Beispiele voranleuchten<lb/>
und alle Gefahren und Entbehrungen mit ihnen theilen soll, schickte also gleich¬<lb/>
sam Andere für sich hinaus, begann gerade bei dem Ausbruche eines Krieges<lb/>
das Leben zu genießen und konnte sich dem ungestörtesten Nichtsthun über¬<lb/>
lassen, wofern er nicht zufällig in eine Festung oder zu einem Artilleriepark<lb/>
beordert wurde. Auch von den höher» Offizieren rückten nur einige in das<lb/>
Feld, während die Mehrzahl, vor allen Gefahren und Anstrengungen geschützt,<lb/>
bei den Depots zurückbUeb.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_472"> Dieses Verhältniß mußte auf die Gesinnung der Untergebenen gegen ihre<lb/>
Vorgesetzten jedenfalls einen nachtheiligen Einfluß ausüben. Allerdings beruhte<lb/>
die Thätigkeit der Artillerie auf den Subalternoffizieren und Unteroffizieren,<lb/>
also auf Männern, welche im besten Mannesalter standen; aber es fehlte doch<lb/>
immer der von oben ausgehende belebende Impuls und eine Alles umfassende,<lb/>
kräftige Leitung, und die Offiziere, durch das Gefühl ihrer untergeordneten<lb/>
Stellung bedrückt und die zu übernehmende Verantwortung scheuend, begnügten<lb/>
sich rin Allgemeinen damit, ihre Pflicht zu erfüllen und wagten sich selten über<lb/>
ihre Sphäre hinaus. Daß übrigens nicht Alle so handelten, zeigte die verhältni߬<lb/>
mäßig große Menge der Theresienordenstreuze, welche nach jedem Feldzuge<lb/>
an subalterne Artillerieoffiziere verliehen wurden. Dieselben hatten gewöhnlich<lb/>
eben das gethan, was eine Pflicht ihrer altersschwachen Vorgesetzten gewesen wäre.</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1663. Is</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0121] Kein Artillerist durfte einen Schnurrbart tragen. Das Tabakrauchen war in und außer Dienst strengstens verpönt, das Schnupfen dagegen gestattet, und in früherer Zeit wurde sogar der Mannschaft Schnupftabak verabfolgt. Erst im Jahre 1838 wurde die soeben beschriebene Adjüstirung wesentlich ab¬ geändert. Die Farbe der Fracks wurde dunkelbraun, und an die Stelle der weißen Kniehosen traten lichtblaue Pantalons mit rothen Streifen. Die Offiziere erhielten Schleppsäbel und blaue Pantalons mit Goldtressen. Dagegen wurden die Hüte, die Stöcke und Röhre, die unbequeme Halsbinde und die Bestecke beibehalten. Doch hatte das System, nach welchem die östreichische Artillerie organisirt war, auch große und unverkennbare Schattenseiten. Die Offiziere, besonders jene der höheren Grade, waren in der Regel so alt, daß sie nur ausnahmsweise noch die hinlängliche Kraft und Beweglich¬ keit bewahrt hatten. Allerdings verfuhr man bei der Auswahl der Befehls¬ haber ziemlich haushälterisch, indem man z. B. einer Batterie von sechs Ge¬ schützen nur einen Offizier und fünf Unteroffiziere zutheilte, man also die Jüngsten und Rüstigsten aussuchen konnte. Die Compagnie bildete, wie erwähnt, zwei bis drei Batterien, wobei der Hauptmann, der Feldwebel und die Tamboure ohne Verwendung und daher in dem Garnisonsvrte des Regiments zurückblieben. Der Hauptmann, der Bater seiner Compagnie, welcher den Soldaten mit gutem Beispiele voranleuchten und alle Gefahren und Entbehrungen mit ihnen theilen soll, schickte also gleich¬ sam Andere für sich hinaus, begann gerade bei dem Ausbruche eines Krieges das Leben zu genießen und konnte sich dem ungestörtesten Nichtsthun über¬ lassen, wofern er nicht zufällig in eine Festung oder zu einem Artilleriepark beordert wurde. Auch von den höher» Offizieren rückten nur einige in das Feld, während die Mehrzahl, vor allen Gefahren und Anstrengungen geschützt, bei den Depots zurückbUeb. Dieses Verhältniß mußte auf die Gesinnung der Untergebenen gegen ihre Vorgesetzten jedenfalls einen nachtheiligen Einfluß ausüben. Allerdings beruhte die Thätigkeit der Artillerie auf den Subalternoffizieren und Unteroffizieren, also auf Männern, welche im besten Mannesalter standen; aber es fehlte doch immer der von oben ausgehende belebende Impuls und eine Alles umfassende, kräftige Leitung, und die Offiziere, durch das Gefühl ihrer untergeordneten Stellung bedrückt und die zu übernehmende Verantwortung scheuend, begnügten sich rin Allgemeinen damit, ihre Pflicht zu erfüllen und wagten sich selten über ihre Sphäre hinaus. Daß übrigens nicht Alle so handelten, zeigte die verhältni߬ mäßig große Menge der Theresienordenstreuze, welche nach jedem Feldzuge an subalterne Artillerieoffiziere verliehen wurden. Dieselben hatten gewöhnlich eben das gethan, was eine Pflicht ihrer altersschwachen Vorgesetzten gewesen wäre. Grenzboten I. 1663. Is

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/121
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/121>, abgerufen am 15.05.2024.