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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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nen gehen und kommen, reden und handeln, ausfahren und Pläne zur Rückkehr
schmieden (Luc. 11, 26)." Sie heißen: die Teufel (Jac. 2, 19).

Es würde nur im Bereiche dieser Vorstellungen liegen, wenn es wahr
wäre, was das Gerücht sagt, daß der Pastor Plaß bei Vollziehung von Tau¬
fen stets dafür zu sorgen pflegt, daß eines der Fenster des Taufzimmers geöff¬
net ist, damit der aus dem Kinde auffahrende unsaubere Geist sofort einen
bequemen Ausgang finde. Der Vater eines Täuflings soll einmal im Winter
bei großer Kälte um Dispensation von dieser Bedingung gebeten und statt des
Fensters den geöffneten Ofen zur Verfügung gestellt, demnächst aber schalkhafter
Weise dem Pastor das Geständniß abgelegt haben, daß es vergessen worden
sei, den Schieber in der Ofenröhre zu öffnen, so daß nun wohl der ausgefah¬
rene Teufel sich im Ofen verfangen haben werde, wodurch er begreiflich den
Unwillen des Pastors in hohem Maße gegen sich herausforderte.

Daß ein solcher Seelenhirt auch mit manchem guten Christen in seiner
Gemeinde in einem sehr üblen Verhältnisse stehen mußte und daß es nicht
Jedermanns Sache sein konnte, gerade in seiner Kirche Erbauung zu suchen, ist
ebenso gewiß, als daß ein Geistlicher, der in der Teufelswelt so umfassende
Studien gemacht hatte, nicht in allen übrigen Obliegenheiten seines Amtes und
Berufes gleich gut zu Hause sein und daher bei der Uebung der Kirchenzucht
Wohl manchmal die kirchenordnungsmäßigen Grenzen seines Rechts verfehlen
konnte.

Zu den Gemeindegliedern des Pastor Plaß gehörte der frühere Guts¬
besitzer Krüger, Schwiegervater des Herrn v. Bassewitz auf Dersentin, bei dem
er sich seit einigen Jahren aufhielt, und des Herrn v. Hintzenstern auf
Lütgendorf und Blücherhof. Der alte Herr hatte als mecklenburgischer frei¬
williger Jäger die Feldzüge von 1813 bis 1815 mitgemacht und mit Zeichen
der Tapferkeit geschmückt einen ehrenvollen Abschied bekommen. Obwohl keines¬
wegs ein Verächter der Kirche und des geistlichen Amtes, war er aus Grün¬
den, die in der Person des Pastors Plaß lagen, seiner Predigt und Seelsorge
fern geblieben. Der Pastor aber fand hierin die Zeichen einer kirchenfeind¬
lichen Richtung. Als nun Herr Krüger am 18. October 1862 gestorben war,
glaubte er demselben die mit den üblichen kirchlichen Ceremonien ausgestattete Be¬
erdigung versagen zu müssen. Die beiden Töchter des Verstorbenen suchten, von
ihren Ehemännern, den genannten Gutsbesitzern v. Bassewitz und v. Hintzenstern,
unterstützt, zunächst bei dem Superintendenten Polstorff zu Güstrow, einem
Schwager Kliefoths, Abhülfe gegen diese ihnen ebenso schmerzliche als un¬
begreifliche Weigerung, und wandten sich, als dieser Schritt sich vergeblich er¬
wies, mit einem gleichen Gesuch direct an den Großherzog. Nun erfolgte ein
Rescript des Oberkirchenraths, durch welches den beiden Frauen erwidert ward,
daß "unter den von ihnen dargelegten Umständen" der kirchlichen Beerdigung


Grenzboten I. 186S, 19

nen gehen und kommen, reden und handeln, ausfahren und Pläne zur Rückkehr
schmieden (Luc. 11, 26)." Sie heißen: die Teufel (Jac. 2, 19).

Es würde nur im Bereiche dieser Vorstellungen liegen, wenn es wahr
wäre, was das Gerücht sagt, daß der Pastor Plaß bei Vollziehung von Tau¬
fen stets dafür zu sorgen pflegt, daß eines der Fenster des Taufzimmers geöff¬
net ist, damit der aus dem Kinde auffahrende unsaubere Geist sofort einen
bequemen Ausgang finde. Der Vater eines Täuflings soll einmal im Winter
bei großer Kälte um Dispensation von dieser Bedingung gebeten und statt des
Fensters den geöffneten Ofen zur Verfügung gestellt, demnächst aber schalkhafter
Weise dem Pastor das Geständniß abgelegt haben, daß es vergessen worden
sei, den Schieber in der Ofenröhre zu öffnen, so daß nun wohl der ausgefah¬
rene Teufel sich im Ofen verfangen haben werde, wodurch er begreiflich den
Unwillen des Pastors in hohem Maße gegen sich herausforderte.

Daß ein solcher Seelenhirt auch mit manchem guten Christen in seiner
Gemeinde in einem sehr üblen Verhältnisse stehen mußte und daß es nicht
Jedermanns Sache sein konnte, gerade in seiner Kirche Erbauung zu suchen, ist
ebenso gewiß, als daß ein Geistlicher, der in der Teufelswelt so umfassende
Studien gemacht hatte, nicht in allen übrigen Obliegenheiten seines Amtes und
Berufes gleich gut zu Hause sein und daher bei der Uebung der Kirchenzucht
Wohl manchmal die kirchenordnungsmäßigen Grenzen seines Rechts verfehlen
konnte.

Zu den Gemeindegliedern des Pastor Plaß gehörte der frühere Guts¬
besitzer Krüger, Schwiegervater des Herrn v. Bassewitz auf Dersentin, bei dem
er sich seit einigen Jahren aufhielt, und des Herrn v. Hintzenstern auf
Lütgendorf und Blücherhof. Der alte Herr hatte als mecklenburgischer frei¬
williger Jäger die Feldzüge von 1813 bis 1815 mitgemacht und mit Zeichen
der Tapferkeit geschmückt einen ehrenvollen Abschied bekommen. Obwohl keines¬
wegs ein Verächter der Kirche und des geistlichen Amtes, war er aus Grün¬
den, die in der Person des Pastors Plaß lagen, seiner Predigt und Seelsorge
fern geblieben. Der Pastor aber fand hierin die Zeichen einer kirchenfeind¬
lichen Richtung. Als nun Herr Krüger am 18. October 1862 gestorben war,
glaubte er demselben die mit den üblichen kirchlichen Ceremonien ausgestattete Be¬
erdigung versagen zu müssen. Die beiden Töchter des Verstorbenen suchten, von
ihren Ehemännern, den genannten Gutsbesitzern v. Bassewitz und v. Hintzenstern,
unterstützt, zunächst bei dem Superintendenten Polstorff zu Güstrow, einem
Schwager Kliefoths, Abhülfe gegen diese ihnen ebenso schmerzliche als un¬
begreifliche Weigerung, und wandten sich, als dieser Schritt sich vergeblich er¬
wies, mit einem gleichen Gesuch direct an den Großherzog. Nun erfolgte ein
Rescript des Oberkirchenraths, durch welches den beiden Frauen erwidert ward,
daß „unter den von ihnen dargelegten Umständen" der kirchlichen Beerdigung


Grenzboten I. 186S, 19
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[0153] nen gehen und kommen, reden und handeln, ausfahren und Pläne zur Rückkehr schmieden (Luc. 11, 26)." Sie heißen: die Teufel (Jac. 2, 19). Es würde nur im Bereiche dieser Vorstellungen liegen, wenn es wahr wäre, was das Gerücht sagt, daß der Pastor Plaß bei Vollziehung von Tau¬ fen stets dafür zu sorgen pflegt, daß eines der Fenster des Taufzimmers geöff¬ net ist, damit der aus dem Kinde auffahrende unsaubere Geist sofort einen bequemen Ausgang finde. Der Vater eines Täuflings soll einmal im Winter bei großer Kälte um Dispensation von dieser Bedingung gebeten und statt des Fensters den geöffneten Ofen zur Verfügung gestellt, demnächst aber schalkhafter Weise dem Pastor das Geständniß abgelegt haben, daß es vergessen worden sei, den Schieber in der Ofenröhre zu öffnen, so daß nun wohl der ausgefah¬ rene Teufel sich im Ofen verfangen haben werde, wodurch er begreiflich den Unwillen des Pastors in hohem Maße gegen sich herausforderte. Daß ein solcher Seelenhirt auch mit manchem guten Christen in seiner Gemeinde in einem sehr üblen Verhältnisse stehen mußte und daß es nicht Jedermanns Sache sein konnte, gerade in seiner Kirche Erbauung zu suchen, ist ebenso gewiß, als daß ein Geistlicher, der in der Teufelswelt so umfassende Studien gemacht hatte, nicht in allen übrigen Obliegenheiten seines Amtes und Berufes gleich gut zu Hause sein und daher bei der Uebung der Kirchenzucht Wohl manchmal die kirchenordnungsmäßigen Grenzen seines Rechts verfehlen konnte. Zu den Gemeindegliedern des Pastor Plaß gehörte der frühere Guts¬ besitzer Krüger, Schwiegervater des Herrn v. Bassewitz auf Dersentin, bei dem er sich seit einigen Jahren aufhielt, und des Herrn v. Hintzenstern auf Lütgendorf und Blücherhof. Der alte Herr hatte als mecklenburgischer frei¬ williger Jäger die Feldzüge von 1813 bis 1815 mitgemacht und mit Zeichen der Tapferkeit geschmückt einen ehrenvollen Abschied bekommen. Obwohl keines¬ wegs ein Verächter der Kirche und des geistlichen Amtes, war er aus Grün¬ den, die in der Person des Pastors Plaß lagen, seiner Predigt und Seelsorge fern geblieben. Der Pastor aber fand hierin die Zeichen einer kirchenfeind¬ lichen Richtung. Als nun Herr Krüger am 18. October 1862 gestorben war, glaubte er demselben die mit den üblichen kirchlichen Ceremonien ausgestattete Be¬ erdigung versagen zu müssen. Die beiden Töchter des Verstorbenen suchten, von ihren Ehemännern, den genannten Gutsbesitzern v. Bassewitz und v. Hintzenstern, unterstützt, zunächst bei dem Superintendenten Polstorff zu Güstrow, einem Schwager Kliefoths, Abhülfe gegen diese ihnen ebenso schmerzliche als un¬ begreifliche Weigerung, und wandten sich, als dieser Schritt sich vergeblich er¬ wies, mit einem gleichen Gesuch direct an den Großherzog. Nun erfolgte ein Rescript des Oberkirchenraths, durch welches den beiden Frauen erwidert ward, daß „unter den von ihnen dargelegten Umständen" der kirchlichen Beerdigung Grenzboten I. 186S, 19

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/153>, abgerufen am 15.05.2024.