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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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in der Presse innerhalb der gegebenen Grenzen einigermaßen abspiegelte und
sogar die Wirkung hatte, daß mehre der höchsten Kirchensäulcn, die sonst nicht
gewohnt sind, ihr Verhalten in den Zeitungen zu rechtfertigen, wie der Ober¬
kirchenrath Kliefoth und der Superintendent Polstorff, mit Berichtigungen und
Verantwortungen öffentlich hervorgingen.

Es handelte sich um einen Act der Kirchcndisciplin, welchen der Pastor
Plaß zu Serrahn, einem im "Hahnschen" belegenen Dorfe, durch Verweigerung
des kirchlichen Begräbnisses geübt hatte.

Der Pastor Plaß gehört zu den vorgeschrittensten Kampfwerkzeugen der
modernen Kirchlichkeit. Auf der Gadebuscher Pastoralconferenz im Jahre 1861
hatte er die These aufgestellt, daß Niemand ein wahrer Christ sei. der nicht
mindestens alle Vierteljahre einmal zum si. Abendmahl gehe und nicht an sei¬
nen Kindern die Taufe noch vor Ablauf des achten Tages nach der Geburt
vollziehen lasse. Noch bekannter als durch diese These ist er durch seine Dia-
bvlologie oder Teufelslehre geworden, welche er in der Zeitschrift für lutherische
Theologie und Kirche von Nudelbach und Guerike, Jahrgang 1863, als die
Frucht seiner gelehrten Forschung in der- si. Schrift veröffentlichte. Er ver¬
kündigt hier, gleichfalls in Thesenform, die Entdeckung, daß es auch in der
Teufelsw ete eine Art Dreieinigkeit gibt, allerdings nur "ein Affenspiel
der Trinität". Nach seiner Lehre ist die erste Person des Teufels oder Teufel Va¬
ter der Satan, auch der große Drache und die alte Schlange genannt. Die zweite
Person oder Teufel Sohn ist das "Thier von der Erde" mit zwei Hörnern,
auch als falscher Prophet bezeichnet. Die dritte Person oder Teufel Geist ist
das "Thier aus dem Meere" mit sieben Häuptern, zehn Hörnern und zehn
Kronen. "Alle drei sind stetig zusammen, nicht sub-, sondern coordinirt."
Die Macht dieser drei, in gewisser Hinsicht, nämlich im Streben und Wirken,
einigen Personen reicht nicht weiter als sie ihnen Gott einräumt. Alle drei
bösen Personen haben ihre Werkzeuge, wiederum lebendige Wesen, in welche
sie sich verstellen. Diese Offenbarungen in der Geschichte aufzusuchen ist Auf¬
gabe der theologischen Wissenschaft, deren Ergebnisse dadurch an. Bedeutung
nur gewinnen können, da es sich nicht um todte, nichtssagende Gedanken, son¬
dern um lebende Personen handelt. Dem in drei Personen bestehenden ober¬
sten Teufel sind alle übrigen Teufel oder bösen Engel untergeordnet. "Gute
Engel gibt es mehr denn zwölf Legionen (72,000). Böse Engel gibt es nicht
soviel, aber doch mehr als einen. Aus Maria Magdalena wurden sieben un¬
reine Geister ausgetrieben (Luc. 8, 2). Bei den besessenen Gadarenern kom¬
men 6000 vor (Marc. S, 9). Mehr werden nicht erwähnt. Der guten sind
zum Trost und Dienst der Gläubigen mehr als der bösen." Jene bösen Gei¬
ster sind aber, nach der Lehre des Pastor Plaß, nicht Abstracta oder Ge¬
dankendinge, etwa die Sünde im Menschen, sondern Personen. "Denn sie kön-


in der Presse innerhalb der gegebenen Grenzen einigermaßen abspiegelte und
sogar die Wirkung hatte, daß mehre der höchsten Kirchensäulcn, die sonst nicht
gewohnt sind, ihr Verhalten in den Zeitungen zu rechtfertigen, wie der Ober¬
kirchenrath Kliefoth und der Superintendent Polstorff, mit Berichtigungen und
Verantwortungen öffentlich hervorgingen.

Es handelte sich um einen Act der Kirchcndisciplin, welchen der Pastor
Plaß zu Serrahn, einem im „Hahnschen" belegenen Dorfe, durch Verweigerung
des kirchlichen Begräbnisses geübt hatte.

Der Pastor Plaß gehört zu den vorgeschrittensten Kampfwerkzeugen der
modernen Kirchlichkeit. Auf der Gadebuscher Pastoralconferenz im Jahre 1861
hatte er die These aufgestellt, daß Niemand ein wahrer Christ sei. der nicht
mindestens alle Vierteljahre einmal zum si. Abendmahl gehe und nicht an sei¬
nen Kindern die Taufe noch vor Ablauf des achten Tages nach der Geburt
vollziehen lasse. Noch bekannter als durch diese These ist er durch seine Dia-
bvlologie oder Teufelslehre geworden, welche er in der Zeitschrift für lutherische
Theologie und Kirche von Nudelbach und Guerike, Jahrgang 1863, als die
Frucht seiner gelehrten Forschung in der- si. Schrift veröffentlichte. Er ver¬
kündigt hier, gleichfalls in Thesenform, die Entdeckung, daß es auch in der
Teufelsw ete eine Art Dreieinigkeit gibt, allerdings nur „ein Affenspiel
der Trinität". Nach seiner Lehre ist die erste Person des Teufels oder Teufel Va¬
ter der Satan, auch der große Drache und die alte Schlange genannt. Die zweite
Person oder Teufel Sohn ist das „Thier von der Erde" mit zwei Hörnern,
auch als falscher Prophet bezeichnet. Die dritte Person oder Teufel Geist ist
das „Thier aus dem Meere" mit sieben Häuptern, zehn Hörnern und zehn
Kronen. „Alle drei sind stetig zusammen, nicht sub-, sondern coordinirt."
Die Macht dieser drei, in gewisser Hinsicht, nämlich im Streben und Wirken,
einigen Personen reicht nicht weiter als sie ihnen Gott einräumt. Alle drei
bösen Personen haben ihre Werkzeuge, wiederum lebendige Wesen, in welche
sie sich verstellen. Diese Offenbarungen in der Geschichte aufzusuchen ist Auf¬
gabe der theologischen Wissenschaft, deren Ergebnisse dadurch an. Bedeutung
nur gewinnen können, da es sich nicht um todte, nichtssagende Gedanken, son¬
dern um lebende Personen handelt. Dem in drei Personen bestehenden ober¬
sten Teufel sind alle übrigen Teufel oder bösen Engel untergeordnet. „Gute
Engel gibt es mehr denn zwölf Legionen (72,000). Böse Engel gibt es nicht
soviel, aber doch mehr als einen. Aus Maria Magdalena wurden sieben un¬
reine Geister ausgetrieben (Luc. 8, 2). Bei den besessenen Gadarenern kom¬
men 6000 vor (Marc. S, 9). Mehr werden nicht erwähnt. Der guten sind
zum Trost und Dienst der Gläubigen mehr als der bösen." Jene bösen Gei¬
ster sind aber, nach der Lehre des Pastor Plaß, nicht Abstracta oder Ge¬
dankendinge, etwa die Sünde im Menschen, sondern Personen. „Denn sie kön-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/152>, abgerufen am 15.05.2024.