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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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nen und das Blut des Volkes trinkt, der zuerst aus dem Wege geräumt und
vernichtet werden muß."

Die Gerechtigkeit gebietet es, auszusprechen, daß diese Regel einige ehren¬
volle Ausnahmen hat. Der verstorbene Herr v, Lipski im Kreise Ostrowv be¬
kannt durch seine hervorragende Thätigkeit in der preußischen Nationalversamm¬
lung und der zweiten Kammer, hatte sich den Beinamen des Bauerntonigs
erworben.

Der Besuch bei ihm führt uns mitten unter die evangelischen Polen der
Kreise Schildberg und Adelnau, welchen die Nähe der polnisch-schlesischen Grenze
trotz aller Bedrängnisse Sprache und Glauben zugleich zu bewahren er¬
möglicht hatte. Sie sind gute Preußen, nennen sich wohl gar deutsche Polen
und erfreuen sich seitens der preußischen Behörden, namentlich der evangelisch
kirchlichen einer besondern Theilnahme. Man gründet große Hoffnungen
auf sie.

Doch bleiben wir bei den polnischen Musterwirthschaften. Herr v. Lipski
einen auch schon verstorbenen andern Edelmann dieses Namens lernten wir
als den renommirtesten Schafzüchter der Provinz kennen -- ist nicht der einzige
derselben.

"Ich könnte Ihnen eine aus vier Brüdern bestehende polnische Familie
nennen. Sie besitzen zusammen ein Areal von 8S,000 Morgen. Darauf haben
sie keine einzige Brennerei. Die Wirthschaft in ihren Gütern ist durch und
durch polnisch; dabei werden sie alle Jahre reicher und kaufen alle drei bis
vier Jahre einen neuen großen Güterschlüssel. Die materielle und moralische
Lage ihrer Gulseinsassen läßt nichts zu wünschen übrig. Trunksucht und Ver¬
brechen sind dort unbekannt. Dienstbvtenwcchsel ist etwas Unerhörtes. Die
meisten Einfassen lebe" in der dritten und vierten Generation dort." Es sind
Worte des Herrn Dr. Metzig in Lissa aus einer Rede, die er im Abgeordneten¬
hause gehalten hätte, wenn er von seinen polnischen Freunden gewählt worden
wäre; aber es ist doch nicht zu viel gesagt von der Familie von Chlapvwski,
deren Chef Herr Desiderus v. Chlapowski, Mitglied unseres Herrenhauses ist,
und deren Güter in den Kreisen Kosten, Sabrina und Schroda liegen.

Eine zweite Magnatenfamilie, welcher zwar ein gleiches Lob nicht un¬
beschränkt gespendet werden könnte, die aber dennoch durch den Stand ihrer Wirth¬
schaften und ihre Betheiligung an nationalen, kirchlichen und wissenschaftlichen
Unternehmungen auch hervorragt, hat ihren Hauptsttz ebenfalls in den Kreisen
Sabrina und' Schroda, doch sind sie auch im Kröbener Kreise angesessen. Ich
meine die durch Verschwägerung verbundene Familie Czartoryski, Dziatynski,
Zamoyski, Grudzinsti. Namentlich thut sich Graf Sigismund von Grudzinski
durch'Wohlthätigkeit hervor, während der jüngst verstorbene Graf Titus Dzia-
lhnski in jüngeren Jahren selbst sclmftstellcrisch thätig war und in späterer Zeit den


nen und das Blut des Volkes trinkt, der zuerst aus dem Wege geräumt und
vernichtet werden muß."

Die Gerechtigkeit gebietet es, auszusprechen, daß diese Regel einige ehren¬
volle Ausnahmen hat. Der verstorbene Herr v, Lipski im Kreise Ostrowv be¬
kannt durch seine hervorragende Thätigkeit in der preußischen Nationalversamm¬
lung und der zweiten Kammer, hatte sich den Beinamen des Bauerntonigs
erworben.

Der Besuch bei ihm führt uns mitten unter die evangelischen Polen der
Kreise Schildberg und Adelnau, welchen die Nähe der polnisch-schlesischen Grenze
trotz aller Bedrängnisse Sprache und Glauben zugleich zu bewahren er¬
möglicht hatte. Sie sind gute Preußen, nennen sich wohl gar deutsche Polen
und erfreuen sich seitens der preußischen Behörden, namentlich der evangelisch
kirchlichen einer besondern Theilnahme. Man gründet große Hoffnungen
auf sie.

Doch bleiben wir bei den polnischen Musterwirthschaften. Herr v. Lipski
einen auch schon verstorbenen andern Edelmann dieses Namens lernten wir
als den renommirtesten Schafzüchter der Provinz kennen — ist nicht der einzige
derselben.

„Ich könnte Ihnen eine aus vier Brüdern bestehende polnische Familie
nennen. Sie besitzen zusammen ein Areal von 8S,000 Morgen. Darauf haben
sie keine einzige Brennerei. Die Wirthschaft in ihren Gütern ist durch und
durch polnisch; dabei werden sie alle Jahre reicher und kaufen alle drei bis
vier Jahre einen neuen großen Güterschlüssel. Die materielle und moralische
Lage ihrer Gulseinsassen läßt nichts zu wünschen übrig. Trunksucht und Ver¬
brechen sind dort unbekannt. Dienstbvtenwcchsel ist etwas Unerhörtes. Die
meisten Einfassen lebe» in der dritten und vierten Generation dort." Es sind
Worte des Herrn Dr. Metzig in Lissa aus einer Rede, die er im Abgeordneten¬
hause gehalten hätte, wenn er von seinen polnischen Freunden gewählt worden
wäre; aber es ist doch nicht zu viel gesagt von der Familie von Chlapvwski,
deren Chef Herr Desiderus v. Chlapowski, Mitglied unseres Herrenhauses ist,
und deren Güter in den Kreisen Kosten, Sabrina und Schroda liegen.

Eine zweite Magnatenfamilie, welcher zwar ein gleiches Lob nicht un¬
beschränkt gespendet werden könnte, die aber dennoch durch den Stand ihrer Wirth¬
schaften und ihre Betheiligung an nationalen, kirchlichen und wissenschaftlichen
Unternehmungen auch hervorragt, hat ihren Hauptsttz ebenfalls in den Kreisen
Sabrina und' Schroda, doch sind sie auch im Kröbener Kreise angesessen. Ich
meine die durch Verschwägerung verbundene Familie Czartoryski, Dziatynski,
Zamoyski, Grudzinsti. Namentlich thut sich Graf Sigismund von Grudzinski
durch'Wohlthätigkeit hervor, während der jüngst verstorbene Graf Titus Dzia-
lhnski in jüngeren Jahren selbst sclmftstellcrisch thätig war und in späterer Zeit den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/180>, abgerufen am 15.05.2024.