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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Polnischen Mäcen machte. Daß auch Grafen v. Plater unter, den Mannen:
der Wissenschaft sieachtet sind, wissen Sie.

Der gefeiertste Name unter dem polnischen Adel ist aber wohl der des
Grasen Eduard v. Naczynski. Ihm wäre l848, als man einen polnischen Ober¬
präsidenten suchte und keinen, durchaus keinen fand, diese Würde gewiß ein¬
stimmig zuerkannt worden. Daß er ein muthiger Soldat war, hatte er in den
Feldzügen von t806 bis 1809 bewiesen. Fünfundzwanzigjährig war er als Depu-
tirter für Posen Mitglied des Reichstages in Warschau gewesen. Seine na-
tionalökonomische Begabung bewies die Art, wie er die Anlegung eines Ka¬
nals zwischen Narew und Weichsel anfaßte, für welche er 900.000 polnische
Gulden offerirte. Seine eigentliche Neigung gehörte aber den Wissenschaften;
seit seinem Prachtwerke über seine "Reise nach der Türkei" war er auf den
Gebieten der heimischen Geographie, Geschichte und Statistik, als Herausgeber,
als Uebersetzer, als Schriftsteller thätig.

Mäßig, frei von jeder Prunksucht, seinen glühenden Ehrgeiz nur an große
Dinge setzend, behielt er bei seinem großen Vermögen die Möglichkeit, viel
Gutes zu thun, und er hat es im Kleinen und Großen gethan. Seine eigent-
lichen Unterstützungen gab er still. Ein emeritirter evangelischer Geistlicher, der
monatlich fünf Thaler von ihm erhielt, hat den Namen seines Wohlthäters nie
erfahre". Bei der Förderung größerer Unternehmungen, z. B. bei den
Summen, die er zur Restauration alter Kirchen u. drgl. hergab, trat er natür¬
lich hervor. Drei größere Werke tragen das eigenthümliche Gepräge seines
Geistes: die große mehr als 20.000 Bände zählende Nationalbibliothek im
Raczynskischen Palais an der Ecke der Wilhelmsstraße und des Wilhclmsplatzes
in Posen, die schöne, im griechischen Stil erbaute Kirche in Nogalin bei Mo¬
schin, die der Kirche zu Nismes nachgebildet ist, und die goldene Kapelle im
Posener Dome. Letztere hat der Gras zwar nicht ausschließlich auf eigne Ko¬
sten errichtet, doch gehört ihm die Anregung und die lebhafteste Betheiligung
bei der Ausführung. Es ist bei dieser der Grundsatz maßgebend gewesen, so
viel möglich nur polnische Hände arbeiten zu lassen. Da sich aber kein polni¬
scher Bildhauer fand, so verblieb doch einem deutscheu die Aufgabe, diesem
polnischen Nationalheiligtbum die höchste Zierde zu geben. Als mäßige Kup¬
pel wölbt sich die Kapelle über den Grabstätten. Zwischen der Goldauslegung
strahlen farbenreiche Gemälde von Heiligen mit Gott dem Vater in der Mitte.
I" den Nischen, an den Fensterbogen und über dem Altar sind Gott. Erz¬
engel und polnische Heilige dargestellt. Da sieht man den König Miecislaw,
wie er die Götzenbilder zerstört, hier Otto den Dritten vor Adalberts Grabe
knieend, und selbst vom Fußboden schimmern Mosaiken aus bunten Steinen,
welche die Namenszüge Miecislaw und Bolesl'aw darstellen, während an dem
Altar der Kapelle das Bild der heiligen Jungfrau angebracht ist. Ueberall


Polnischen Mäcen machte. Daß auch Grafen v. Plater unter, den Mannen:
der Wissenschaft sieachtet sind, wissen Sie.

Der gefeiertste Name unter dem polnischen Adel ist aber wohl der des
Grasen Eduard v. Naczynski. Ihm wäre l848, als man einen polnischen Ober¬
präsidenten suchte und keinen, durchaus keinen fand, diese Würde gewiß ein¬
stimmig zuerkannt worden. Daß er ein muthiger Soldat war, hatte er in den
Feldzügen von t806 bis 1809 bewiesen. Fünfundzwanzigjährig war er als Depu-
tirter für Posen Mitglied des Reichstages in Warschau gewesen. Seine na-
tionalökonomische Begabung bewies die Art, wie er die Anlegung eines Ka¬
nals zwischen Narew und Weichsel anfaßte, für welche er 900.000 polnische
Gulden offerirte. Seine eigentliche Neigung gehörte aber den Wissenschaften;
seit seinem Prachtwerke über seine „Reise nach der Türkei" war er auf den
Gebieten der heimischen Geographie, Geschichte und Statistik, als Herausgeber,
als Uebersetzer, als Schriftsteller thätig.

Mäßig, frei von jeder Prunksucht, seinen glühenden Ehrgeiz nur an große
Dinge setzend, behielt er bei seinem großen Vermögen die Möglichkeit, viel
Gutes zu thun, und er hat es im Kleinen und Großen gethan. Seine eigent-
lichen Unterstützungen gab er still. Ein emeritirter evangelischer Geistlicher, der
monatlich fünf Thaler von ihm erhielt, hat den Namen seines Wohlthäters nie
erfahre». Bei der Förderung größerer Unternehmungen, z. B. bei den
Summen, die er zur Restauration alter Kirchen u. drgl. hergab, trat er natür¬
lich hervor. Drei größere Werke tragen das eigenthümliche Gepräge seines
Geistes: die große mehr als 20.000 Bände zählende Nationalbibliothek im
Raczynskischen Palais an der Ecke der Wilhelmsstraße und des Wilhclmsplatzes
in Posen, die schöne, im griechischen Stil erbaute Kirche in Nogalin bei Mo¬
schin, die der Kirche zu Nismes nachgebildet ist, und die goldene Kapelle im
Posener Dome. Letztere hat der Gras zwar nicht ausschließlich auf eigne Ko¬
sten errichtet, doch gehört ihm die Anregung und die lebhafteste Betheiligung
bei der Ausführung. Es ist bei dieser der Grundsatz maßgebend gewesen, so
viel möglich nur polnische Hände arbeiten zu lassen. Da sich aber kein polni¬
scher Bildhauer fand, so verblieb doch einem deutscheu die Aufgabe, diesem
polnischen Nationalheiligtbum die höchste Zierde zu geben. Als mäßige Kup¬
pel wölbt sich die Kapelle über den Grabstätten. Zwischen der Goldauslegung
strahlen farbenreiche Gemälde von Heiligen mit Gott dem Vater in der Mitte.
I" den Nischen, an den Fensterbogen und über dem Altar sind Gott. Erz¬
engel und polnische Heilige dargestellt. Da sieht man den König Miecislaw,
wie er die Götzenbilder zerstört, hier Otto den Dritten vor Adalberts Grabe
knieend, und selbst vom Fußboden schimmern Mosaiken aus bunten Steinen,
welche die Namenszüge Miecislaw und Bolesl'aw darstellen, während an dem
Altar der Kapelle das Bild der heiligen Jungfrau angebracht ist. Ueberall


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/181>, abgerufen am 15.05.2024.