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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Daß den Ständen das Budget für 1861 -- 1863 nach vieler Mühe und
Noth vorgelegt worden ist, wurde schon früher erwähnt. Mit dem Budget
stand in einem unmittelbaren Zusammenhang die Frage über die Forterhebung
der Steuern und Abgaben. Die Regierung schien diese Erhebung auf Grund
des Junipatents bewerkstelligen zu wollen. Allein die Stände widersetzten sich,
gestützt auf die ausdrücklichen Borschriften der wiederhergestellten Verfassung.
Schon zeigten sich die Anfänge einer Steuerverweigerung. Da hat denn die
Regierung schließlich einen die Steuererhebung interimistisch regulirenden Gesetz¬
entwurf vorgelegt, und die Stände haben denselben genehmigt. Es geschah
dieses Seitens der Stände in einer sehr zuvorkommender Weise auf den Zeit¬
raum bis zum 1. Juli 1863. Den Ministern soll es nicht leicht gewesen sein,
die Zustimmung des Kurfürsten zu diesem Gesetz zu erwirken. Mit dem¬
selben, ist das seit zwölf Jahren unterbrochene verfassungsmäßige Steuer-
bewilligungsrecht der Stände praktisch wieder wirksam geworden. Das vor¬
gelegte Budget wird jedoch den Ständen voraussichtlich Anlaß zu vielen Aus¬
stellungen geben. Hier soll nur ein Punkt Erwähnung finden. Mit dem
Budget ist die Verbesserung der notorisch ganz unzureichenden Beamten¬
gehalte in Verbindung gebracht. Nun haben die darauf gerichteten Propositio-
nen der Regierung einen wahren Sturm in der Beamtenwelt heraufbeschworen.
Niemand ist mit den gemachten Vorschlägen zufrieden; wohl aber werden die schwer¬
sten Klagen laut. Am empfindlichsten scheinen die niederen Grade der Offiziers-
stellen berührt zu sein. Denn diesen wird anstatt der erwarteten Gehalts¬
verbesserung, wie zum Hohn, die Anweisung ertheilt, sich in der zeither schon
geübten Kunst des Einschränkens und des Darbens noch zu vervollkommnen.
Wäre man Seitens der Negierung mit Absicht darauf ausgegangen, das eigne
Ansehen herabzumindern und das Ansehen der Stände zu heben, man hätte
nicht geschickter operiren können, als durch diese Budgetvorlage geschehen ist. Bon
allen Seiten wird jetzt an das Gerechtigkeitsgefühl der Landstände appellirt.

Die Sitzungen der Stände zeichnen sich durch regelmäßige Abwesenheit der
Minister aus. Seit der Eröffnung der Kammer haben sie sich in derselben
nicht wieder blicken lassen. Inzwischen vertheidigt der Landtagscommissar Schüler
den Verlornen Posten mit rühmlicher Auszeichnung und mit durchaus ach¬
tungswerthen Waffen. Aber lange wird er es nicht mehr aushalten könne".
Mit jeder Sitzung steigert sich der Unwille über die Unthätigkeit der Negierung.
Herr Schüler wird kaum geneigt sein, sich noch länger als Prügelknabe der
Minister gebrauchen zu lassen.

Vilmar befindet sich körperlich und geistig in einem bedenklichen Zustand.
Wohl möglich, daß er. gleich seinem Freund Hassenpflug. das schmähliche Ende
seiner Thaten nicht zu kosten habe" wird. Vilmar war es, der im Jahr 1850
>n Wilhelmsbad die Bedenken des Kurfürsten und selbst Hassenpflugs gegen


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Daß den Ständen das Budget für 1861 — 1863 nach vieler Mühe und
Noth vorgelegt worden ist, wurde schon früher erwähnt. Mit dem Budget
stand in einem unmittelbaren Zusammenhang die Frage über die Forterhebung
der Steuern und Abgaben. Die Regierung schien diese Erhebung auf Grund
des Junipatents bewerkstelligen zu wollen. Allein die Stände widersetzten sich,
gestützt auf die ausdrücklichen Borschriften der wiederhergestellten Verfassung.
Schon zeigten sich die Anfänge einer Steuerverweigerung. Da hat denn die
Regierung schließlich einen die Steuererhebung interimistisch regulirenden Gesetz¬
entwurf vorgelegt, und die Stände haben denselben genehmigt. Es geschah
dieses Seitens der Stände in einer sehr zuvorkommender Weise auf den Zeit¬
raum bis zum 1. Juli 1863. Den Ministern soll es nicht leicht gewesen sein,
die Zustimmung des Kurfürsten zu diesem Gesetz zu erwirken. Mit dem¬
selben, ist das seit zwölf Jahren unterbrochene verfassungsmäßige Steuer-
bewilligungsrecht der Stände praktisch wieder wirksam geworden. Das vor¬
gelegte Budget wird jedoch den Ständen voraussichtlich Anlaß zu vielen Aus¬
stellungen geben. Hier soll nur ein Punkt Erwähnung finden. Mit dem
Budget ist die Verbesserung der notorisch ganz unzureichenden Beamten¬
gehalte in Verbindung gebracht. Nun haben die darauf gerichteten Propositio-
nen der Regierung einen wahren Sturm in der Beamtenwelt heraufbeschworen.
Niemand ist mit den gemachten Vorschlägen zufrieden; wohl aber werden die schwer¬
sten Klagen laut. Am empfindlichsten scheinen die niederen Grade der Offiziers-
stellen berührt zu sein. Denn diesen wird anstatt der erwarteten Gehalts¬
verbesserung, wie zum Hohn, die Anweisung ertheilt, sich in der zeither schon
geübten Kunst des Einschränkens und des Darbens noch zu vervollkommnen.
Wäre man Seitens der Negierung mit Absicht darauf ausgegangen, das eigne
Ansehen herabzumindern und das Ansehen der Stände zu heben, man hätte
nicht geschickter operiren können, als durch diese Budgetvorlage geschehen ist. Bon
allen Seiten wird jetzt an das Gerechtigkeitsgefühl der Landstände appellirt.

Die Sitzungen der Stände zeichnen sich durch regelmäßige Abwesenheit der
Minister aus. Seit der Eröffnung der Kammer haben sie sich in derselben
nicht wieder blicken lassen. Inzwischen vertheidigt der Landtagscommissar Schüler
den Verlornen Posten mit rühmlicher Auszeichnung und mit durchaus ach¬
tungswerthen Waffen. Aber lange wird er es nicht mehr aushalten könne».
Mit jeder Sitzung steigert sich der Unwille über die Unthätigkeit der Negierung.
Herr Schüler wird kaum geneigt sein, sich noch länger als Prügelknabe der
Minister gebrauchen zu lassen.

Vilmar befindet sich körperlich und geistig in einem bedenklichen Zustand.
Wohl möglich, daß er. gleich seinem Freund Hassenpflug. das schmähliche Ende
seiner Thaten nicht zu kosten habe» wird. Vilmar war es, der im Jahr 1850
>n Wilhelmsbad die Bedenken des Kurfürsten und selbst Hassenpflugs gegen


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[0203] Daß den Ständen das Budget für 1861 — 1863 nach vieler Mühe und Noth vorgelegt worden ist, wurde schon früher erwähnt. Mit dem Budget stand in einem unmittelbaren Zusammenhang die Frage über die Forterhebung der Steuern und Abgaben. Die Regierung schien diese Erhebung auf Grund des Junipatents bewerkstelligen zu wollen. Allein die Stände widersetzten sich, gestützt auf die ausdrücklichen Borschriften der wiederhergestellten Verfassung. Schon zeigten sich die Anfänge einer Steuerverweigerung. Da hat denn die Regierung schließlich einen die Steuererhebung interimistisch regulirenden Gesetz¬ entwurf vorgelegt, und die Stände haben denselben genehmigt. Es geschah dieses Seitens der Stände in einer sehr zuvorkommender Weise auf den Zeit¬ raum bis zum 1. Juli 1863. Den Ministern soll es nicht leicht gewesen sein, die Zustimmung des Kurfürsten zu diesem Gesetz zu erwirken. Mit dem¬ selben, ist das seit zwölf Jahren unterbrochene verfassungsmäßige Steuer- bewilligungsrecht der Stände praktisch wieder wirksam geworden. Das vor¬ gelegte Budget wird jedoch den Ständen voraussichtlich Anlaß zu vielen Aus¬ stellungen geben. Hier soll nur ein Punkt Erwähnung finden. Mit dem Budget ist die Verbesserung der notorisch ganz unzureichenden Beamten¬ gehalte in Verbindung gebracht. Nun haben die darauf gerichteten Propositio- nen der Regierung einen wahren Sturm in der Beamtenwelt heraufbeschworen. Niemand ist mit den gemachten Vorschlägen zufrieden; wohl aber werden die schwer¬ sten Klagen laut. Am empfindlichsten scheinen die niederen Grade der Offiziers- stellen berührt zu sein. Denn diesen wird anstatt der erwarteten Gehalts¬ verbesserung, wie zum Hohn, die Anweisung ertheilt, sich in der zeither schon geübten Kunst des Einschränkens und des Darbens noch zu vervollkommnen. Wäre man Seitens der Negierung mit Absicht darauf ausgegangen, das eigne Ansehen herabzumindern und das Ansehen der Stände zu heben, man hätte nicht geschickter operiren können, als durch diese Budgetvorlage geschehen ist. Bon allen Seiten wird jetzt an das Gerechtigkeitsgefühl der Landstände appellirt. Die Sitzungen der Stände zeichnen sich durch regelmäßige Abwesenheit der Minister aus. Seit der Eröffnung der Kammer haben sie sich in derselben nicht wieder blicken lassen. Inzwischen vertheidigt der Landtagscommissar Schüler den Verlornen Posten mit rühmlicher Auszeichnung und mit durchaus ach¬ tungswerthen Waffen. Aber lange wird er es nicht mehr aushalten könne». Mit jeder Sitzung steigert sich der Unwille über die Unthätigkeit der Negierung. Herr Schüler wird kaum geneigt sein, sich noch länger als Prügelknabe der Minister gebrauchen zu lassen. Vilmar befindet sich körperlich und geistig in einem bedenklichen Zustand. Wohl möglich, daß er. gleich seinem Freund Hassenpflug. das schmähliche Ende seiner Thaten nicht zu kosten habe» wird. Vilmar war es, der im Jahr 1850 >n Wilhelmsbad die Bedenken des Kurfürsten und selbst Hassenpflugs gegen 25*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/203>, abgerufen am 14.05.2024.