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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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den Einmarsch der bayrisch-östreichischen Armee zu übertäuben wußte. In dem
Novemberheft der protestantischen Monatsblätter von Gelzer findet sich der
vorhinnigc hochbegabte Burschenschaftler Vilmar dem späteren Jesuiten Vilmar
gegenübergestellt; und zwar in denjenigen Sätzen, welche Vilmar selbst in den
verschiedenen Perioden wörtlich hal drucken lassen.. Die Wirkung ist vernichtend.
Wie verlautet, soll eine besondere Ausgabe veranstaltet und im Lande verbreitet
werden. Die Schrift wird voraussichtlich, sobald sie in das Volk eingedrungen
ist, auf dem Gebiet der Kirche genau dieselbe Wirkung äußern, welche die
Schrift des Hauptmanns Dörr in der Armee gehabt hat.

Haynau ist endlich pensionirt, und zwar auf Grund angeblicher Körper¬
gebrechen. In Wirklichkeit machte freilich nicht ein Körpergebrechen, sondern
das größte moralische Gebrechen eines Offiziers, der Vorwurf der Feigheit, sein
Verbleiben in der Armee unmöglich. Nach dem strengen Recht mußte Haynau
ohne Pension ausscheiden; denn er hatte sich durch eignes Verschulden unfähig
gemacht Dienste zu leisten. Daß das übersehen wurde, um die Pensionirung
möglich zu machen, kann durch Rücksichten auf die Familie entschuldigt werden.
Aber man hat auch an Haynau mit der Pension gleichzeitig das Recht verliehen,
die kurhessische Armeeuniform tragen zu dürfen. Es ist dieses wieder einmal
ganz bezeichnend für die hiesigen Zustände.

Der Generallieutenant v. Haynau, welcher in Folge der von den Offizieren
abgegebenen Erklärung den Dienst verlassen mußte, soll auch künftig noch als
ein Offizier betrachtet werden, auf dessen Ehre ein Makel nicht haftet! Die
nothwendige Folge ist. daß jeder kurhcssische Offizier, der dem pensionirten
Generallieutenant v. Haynau in der Armeeuniform begegnet, denselben ent¬
weder militärisch salutiren, oder ihm die Uniform vom Leibe reißen muß. Zum
Glück hat Haynau selbst die ihm allzu bedenkliche Auszeichnung abgelehnt und
damit die Offiziere jener peinlichen Alternative überhoben.

Haynau ist jetzt vom Schauplatz seiner Thaten verschwunden. Aber wir
werden diesen Mann noch einmal in die Oeffentlichkeit zurückkehren sehen. Es
wird dieses an dem Tage geschehen, an welchem er sich mit seinem Schwager
Alexander v. Baumbach vor dem Staatsgerichtshof wegen des Verfassungs¬
bruchs zu rechtfertigen haben wird.*)

Die Namen Hasscnpflug, v. Haynau und v. Baumbach finden sich unter
den berüchtigten Septcmberverordnungcn des Jahres 18S0, welche den Umsturz
der Verfassung einleiteten. Hassenpflug ist dem irdischen Richterstuhl entzogen.
Aber Haynau und Vaumbach erwarten noch ihr Recht, und zwar so gewiß,



") Nach einer soeben von Kassel eingegangenen Nachricht hat Hnyncm am 24, d. M-
durch Selbstmord geendet. - Die Sache hat unter dein Publicum großes Aufsehen gemacht.
Der Kurfürst scheint leicht darüber hinweggekommen zu sein; denn man sah ihn an demselben
Ab D. Red. end ganz wohl gelaunt im Theater.

den Einmarsch der bayrisch-östreichischen Armee zu übertäuben wußte. In dem
Novemberheft der protestantischen Monatsblätter von Gelzer findet sich der
vorhinnigc hochbegabte Burschenschaftler Vilmar dem späteren Jesuiten Vilmar
gegenübergestellt; und zwar in denjenigen Sätzen, welche Vilmar selbst in den
verschiedenen Perioden wörtlich hal drucken lassen.. Die Wirkung ist vernichtend.
Wie verlautet, soll eine besondere Ausgabe veranstaltet und im Lande verbreitet
werden. Die Schrift wird voraussichtlich, sobald sie in das Volk eingedrungen
ist, auf dem Gebiet der Kirche genau dieselbe Wirkung äußern, welche die
Schrift des Hauptmanns Dörr in der Armee gehabt hat.

Haynau ist endlich pensionirt, und zwar auf Grund angeblicher Körper¬
gebrechen. In Wirklichkeit machte freilich nicht ein Körpergebrechen, sondern
das größte moralische Gebrechen eines Offiziers, der Vorwurf der Feigheit, sein
Verbleiben in der Armee unmöglich. Nach dem strengen Recht mußte Haynau
ohne Pension ausscheiden; denn er hatte sich durch eignes Verschulden unfähig
gemacht Dienste zu leisten. Daß das übersehen wurde, um die Pensionirung
möglich zu machen, kann durch Rücksichten auf die Familie entschuldigt werden.
Aber man hat auch an Haynau mit der Pension gleichzeitig das Recht verliehen,
die kurhessische Armeeuniform tragen zu dürfen. Es ist dieses wieder einmal
ganz bezeichnend für die hiesigen Zustände.

Der Generallieutenant v. Haynau, welcher in Folge der von den Offizieren
abgegebenen Erklärung den Dienst verlassen mußte, soll auch künftig noch als
ein Offizier betrachtet werden, auf dessen Ehre ein Makel nicht haftet! Die
nothwendige Folge ist. daß jeder kurhcssische Offizier, der dem pensionirten
Generallieutenant v. Haynau in der Armeeuniform begegnet, denselben ent¬
weder militärisch salutiren, oder ihm die Uniform vom Leibe reißen muß. Zum
Glück hat Haynau selbst die ihm allzu bedenkliche Auszeichnung abgelehnt und
damit die Offiziere jener peinlichen Alternative überhoben.

Haynau ist jetzt vom Schauplatz seiner Thaten verschwunden. Aber wir
werden diesen Mann noch einmal in die Oeffentlichkeit zurückkehren sehen. Es
wird dieses an dem Tage geschehen, an welchem er sich mit seinem Schwager
Alexander v. Baumbach vor dem Staatsgerichtshof wegen des Verfassungs¬
bruchs zu rechtfertigen haben wird.*)

Die Namen Hasscnpflug, v. Haynau und v. Baumbach finden sich unter
den berüchtigten Septcmberverordnungcn des Jahres 18S0, welche den Umsturz
der Verfassung einleiteten. Hassenpflug ist dem irdischen Richterstuhl entzogen.
Aber Haynau und Vaumbach erwarten noch ihr Recht, und zwar so gewiß,



") Nach einer soeben von Kassel eingegangenen Nachricht hat Hnyncm am 24, d. M-
durch Selbstmord geendet. - Die Sache hat unter dein Publicum großes Aufsehen gemacht.
Der Kurfürst scheint leicht darüber hinweggekommen zu sein; denn man sah ihn an demselben
Ab D. Red. end ganz wohl gelaunt im Theater.
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[0204] den Einmarsch der bayrisch-östreichischen Armee zu übertäuben wußte. In dem Novemberheft der protestantischen Monatsblätter von Gelzer findet sich der vorhinnigc hochbegabte Burschenschaftler Vilmar dem späteren Jesuiten Vilmar gegenübergestellt; und zwar in denjenigen Sätzen, welche Vilmar selbst in den verschiedenen Perioden wörtlich hal drucken lassen.. Die Wirkung ist vernichtend. Wie verlautet, soll eine besondere Ausgabe veranstaltet und im Lande verbreitet werden. Die Schrift wird voraussichtlich, sobald sie in das Volk eingedrungen ist, auf dem Gebiet der Kirche genau dieselbe Wirkung äußern, welche die Schrift des Hauptmanns Dörr in der Armee gehabt hat. Haynau ist endlich pensionirt, und zwar auf Grund angeblicher Körper¬ gebrechen. In Wirklichkeit machte freilich nicht ein Körpergebrechen, sondern das größte moralische Gebrechen eines Offiziers, der Vorwurf der Feigheit, sein Verbleiben in der Armee unmöglich. Nach dem strengen Recht mußte Haynau ohne Pension ausscheiden; denn er hatte sich durch eignes Verschulden unfähig gemacht Dienste zu leisten. Daß das übersehen wurde, um die Pensionirung möglich zu machen, kann durch Rücksichten auf die Familie entschuldigt werden. Aber man hat auch an Haynau mit der Pension gleichzeitig das Recht verliehen, die kurhessische Armeeuniform tragen zu dürfen. Es ist dieses wieder einmal ganz bezeichnend für die hiesigen Zustände. Der Generallieutenant v. Haynau, welcher in Folge der von den Offizieren abgegebenen Erklärung den Dienst verlassen mußte, soll auch künftig noch als ein Offizier betrachtet werden, auf dessen Ehre ein Makel nicht haftet! Die nothwendige Folge ist. daß jeder kurhcssische Offizier, der dem pensionirten Generallieutenant v. Haynau in der Armeeuniform begegnet, denselben ent¬ weder militärisch salutiren, oder ihm die Uniform vom Leibe reißen muß. Zum Glück hat Haynau selbst die ihm allzu bedenkliche Auszeichnung abgelehnt und damit die Offiziere jener peinlichen Alternative überhoben. Haynau ist jetzt vom Schauplatz seiner Thaten verschwunden. Aber wir werden diesen Mann noch einmal in die Oeffentlichkeit zurückkehren sehen. Es wird dieses an dem Tage geschehen, an welchem er sich mit seinem Schwager Alexander v. Baumbach vor dem Staatsgerichtshof wegen des Verfassungs¬ bruchs zu rechtfertigen haben wird.*) Die Namen Hasscnpflug, v. Haynau und v. Baumbach finden sich unter den berüchtigten Septcmberverordnungcn des Jahres 18S0, welche den Umsturz der Verfassung einleiteten. Hassenpflug ist dem irdischen Richterstuhl entzogen. Aber Haynau und Vaumbach erwarten noch ihr Recht, und zwar so gewiß, ") Nach einer soeben von Kassel eingegangenen Nachricht hat Hnyncm am 24, d. M- durch Selbstmord geendet. - Die Sache hat unter dein Publicum großes Aufsehen gemacht. Der Kurfürst scheint leicht darüber hinweggekommen zu sein; denn man sah ihn an demselben Ab D. Red. end ganz wohl gelaunt im Theater.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/204>, abgerufen am 14.05.2024.