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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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fragten wir nach einem Blick auf die Einleitung, nicht ohne Verzug ans Werk
gehen, wenn diese Weisheit und Tugend obendrein die Zuvorkommenheit hat,
ihrem Bildhauer aus eigenen Mitteln den Marmor und das Erz zu seinem
Monument zu liefern?

So lasen wir denn die Schrift weiter, und nicht ohne Befriedigung. Von
Seite zu Seite gelang es mehr, in dem großen Gelehrten, den sie feiert, und
den der Verfasser unmittelbar neben Erasmus und Cardinal Nmenes stellt,
auch den großen Menschen und Christen zu erkennen, der immer nur die För¬
derung der Wissenschaft im Auge hat, dessen kindlich frommes Gemüth nie an
etwas Anderes als an den lieben Gott und das Himmelreich denkt, und der
dafür in einer für unsre prosaisch caleulirende Zeit an das Wunder streifenden
Weise auch mit irdischen Gütern belohnt wird. Einige Mängel, welche das
Buch hat, konnten bei der Rührung und Erbauung, welche solche Stellen ge¬
währten, kaum auffallen.

Es ist wahr, das Referat über die Anerkennungen, die dem Betreffenden
von hohen, höchsten und allerhöchsten Herrschaften, von Doctoren und Professoren,
Herzogen, Königen, Kaisern aller Nationen, vom Lande, wo der Nordsternorden
wächst, bis zu der Region, wo der Erlöserorden blüht, ja selbst vom heiligen
Vater und seinen Kardinälen zu Theil geworden, wirkt etwas ermüdend und
ist vielleicht nicht von Interesse für Jedermann. Auch kam es uns vor. als
ob von den 89 Seiten der Schrift die größere Hälfte sich mit jenen An¬
erkennungen statt, wie billig zu sein schien, mit Darstellung der Leistungen be¬
schäftigte , für die sie ertheilt wurden. Allein was konnte der Verfasser der
Biographie dafür, daß der Anerkennungen so viele, daß ihrer etwa gar mehr
waren als der Verdienste seines Helden? Es gibt in Deutschland -- hier deuten
wir die oben erwähnte hübsche Geschichte an -- einen Gelehrten, der die ihm
verliehenen zahlreichen Decorationen auf einem eigens dazu hingestellten Tischchen
seiner Studirstube aufbewahrt und die Gewohnheit hat, seine Besucher durch
allerlei kleine Manöver vor diesen anmuthigen Hausaltar zu dirigiren, wo er
denen, die sich dies nicht durch unartige Gesten verbitten, den Inhalt zu zeigen
und zu erläutern pflegt. Was kann dieser würdige und gelehrte Herr dafür,
daß fürstliche Huld ihn ein Dutzend Mal zum Ritter schlug?

Es ist ferner kaum zu läugnen, die Masse der Mittheilungen über dieses
reiche Leben ist nicht eben nach den Grundsätzen stilistischer Kunst geordnet,
und weniger Wohlwollende als wir könnten sie fast eine wirre Masse nennen.
Aber wer weiß, ob sie nicht ursprünglich besser zusammengestellt war? Und
könnte die Verwirrung nicht dadurch hineingekommen sein, daß eine zweite
wohlwollende Hand dem Manuseript in Randbemerkungen oder sonstwie ver¬
gessene Auszeichnungen beifügte, und die Druckerei diese am unrechten Orte
einschaltete?


fragten wir nach einem Blick auf die Einleitung, nicht ohne Verzug ans Werk
gehen, wenn diese Weisheit und Tugend obendrein die Zuvorkommenheit hat,
ihrem Bildhauer aus eigenen Mitteln den Marmor und das Erz zu seinem
Monument zu liefern?

So lasen wir denn die Schrift weiter, und nicht ohne Befriedigung. Von
Seite zu Seite gelang es mehr, in dem großen Gelehrten, den sie feiert, und
den der Verfasser unmittelbar neben Erasmus und Cardinal Nmenes stellt,
auch den großen Menschen und Christen zu erkennen, der immer nur die För¬
derung der Wissenschaft im Auge hat, dessen kindlich frommes Gemüth nie an
etwas Anderes als an den lieben Gott und das Himmelreich denkt, und der
dafür in einer für unsre prosaisch caleulirende Zeit an das Wunder streifenden
Weise auch mit irdischen Gütern belohnt wird. Einige Mängel, welche das
Buch hat, konnten bei der Rührung und Erbauung, welche solche Stellen ge¬
währten, kaum auffallen.

Es ist wahr, das Referat über die Anerkennungen, die dem Betreffenden
von hohen, höchsten und allerhöchsten Herrschaften, von Doctoren und Professoren,
Herzogen, Königen, Kaisern aller Nationen, vom Lande, wo der Nordsternorden
wächst, bis zu der Region, wo der Erlöserorden blüht, ja selbst vom heiligen
Vater und seinen Kardinälen zu Theil geworden, wirkt etwas ermüdend und
ist vielleicht nicht von Interesse für Jedermann. Auch kam es uns vor. als
ob von den 89 Seiten der Schrift die größere Hälfte sich mit jenen An¬
erkennungen statt, wie billig zu sein schien, mit Darstellung der Leistungen be¬
schäftigte , für die sie ertheilt wurden. Allein was konnte der Verfasser der
Biographie dafür, daß der Anerkennungen so viele, daß ihrer etwa gar mehr
waren als der Verdienste seines Helden? Es gibt in Deutschland — hier deuten
wir die oben erwähnte hübsche Geschichte an — einen Gelehrten, der die ihm
verliehenen zahlreichen Decorationen auf einem eigens dazu hingestellten Tischchen
seiner Studirstube aufbewahrt und die Gewohnheit hat, seine Besucher durch
allerlei kleine Manöver vor diesen anmuthigen Hausaltar zu dirigiren, wo er
denen, die sich dies nicht durch unartige Gesten verbitten, den Inhalt zu zeigen
und zu erläutern pflegt. Was kann dieser würdige und gelehrte Herr dafür,
daß fürstliche Huld ihn ein Dutzend Mal zum Ritter schlug?

Es ist ferner kaum zu läugnen, die Masse der Mittheilungen über dieses
reiche Leben ist nicht eben nach den Grundsätzen stilistischer Kunst geordnet,
und weniger Wohlwollende als wir könnten sie fast eine wirre Masse nennen.
Aber wer weiß, ob sie nicht ursprünglich besser zusammengestellt war? Und
könnte die Verwirrung nicht dadurch hineingekommen sein, daß eine zweite
wohlwollende Hand dem Manuseript in Randbemerkungen oder sonstwie ver¬
gessene Auszeichnungen beifügte, und die Druckerei diese am unrechten Orte
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/210>, abgerufen am 28.04.2024.