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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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keineswegs blos oder überhaupt zu Handelszwecken abgeschlossen worden. sicher
endlich ist, daß mit dem Kanal, der nach dem Plane des Herrn v. Lesseps
den Isthmus von Suez durchschneiden und das Nöthe mit dem Mittelmeer
verbinden sollte, politische Zwecke verfolgt werden.

Daß durch glückliche Vollendung dieses Unternehmens der Verkehr zwischen
Europa und Ostasien, Australien und dem jetzt gleichfalls in die Geschichte ein¬
tretenden Howareich auf Madagaskar (welches letztere ebenfalls der Politik
Frankreichs dienstbar werden zu wollen scheint) beträchtlich gefördert werden
würde, wenn auch nicht in dem Maße, wie die Pariser Posaune des Herrn
v. Lesseps den Börsen Europas verkündigen zu dürfen glaubte, leidet keinen
Zweifel. Von Anfang an aber wurde bezweifelt, erstens, ob der Kanal sich
ausführen lasse, zweitens, ob er die Kosten seiner Vollendung und Erhaltung
verzinsen werde, drittens, ob die Absicht des Unternehmers so sehr, wie dieser
behauptete, auf den Gewinn der Actionäre und nicht vielmehr auf Verfolgung
politischer Zwecke gerichtet sei. Diese Zweifel sind jetzt so gut wie gelöst, und
die wichtigsten nicht zu Gunsten des Herrn v. Lesseps oder richtiger, nicht zu
Gunsten der Ehrlichkeit seiner Versicherungen. Der Kanal würde sich möglicher
Weise ausführen lassen. Er wird aber auf keinen Fall die zu seiner Vollendung
und Erhaltung erforderlichen Summen verzinsen. Er ist endlich der bloße Deck¬
mantel für eine französische Colonie in Aegypten, und er war dies sehr wahr¬
scheinlich von Anfang an").

Das Alterthum kannte keine unmittelbare Verbindung der beiden Meere.
Die Kanäle, mit denen es dieselben zu verschiedenen Malen verband, gingen
stets von Suez, statt quer über die Landenge, nur bis zu den Bitterseen in
der Mitte derselben und dann westlich, wo sie in den Nil mündeten. Die
neue Zeit hat größere Mittel zur Überwältigung der territorialen Schwierig¬
keiten, und so ist kaum zweifelhaft, daß sie hier Größeres als das Alterthum
wagen und hoffen durfte. Die Stürme, welche den Kanal mit ihrem Flugsand
zu verwehen drohen, erregen Bedenken. Die geringe Wassertiefe bei Port
Said, wo der Kanal ins Mittelmeer münden soll, erfordert die Anlegung
ungeheurer Kais und die Ausbaggerung bedeutender Strecken, welche die an
dieser Küste hingehende Strömung des Nil in Kurzem mit ihrem Triebsand
umgethan machen dürfte. Aehnliche Arbeiten, besonders kostspielige Wasserbauten,
verlangt der sehr seichte Hafen von Suez, wenn, wie projectirt, der Kanal
Schiffen jeder Größe, bis zu 2000 Tonnen Gehalt, zugänglich sein soll. Andere



') Vgl. Aegypten. Forschungen uhn Land und Volk während eines zehnjährigen Aufent-
halts. Von Alfred v. Kremer (2 Tsin. Leipzig, F. A. Blockhaus, 1863), ein Werk, welches
wir als sehr belehrend warm empfehlen, und dem wir im Folgenden einige Notizen aus¬
zugsweise entnehmen.

keineswegs blos oder überhaupt zu Handelszwecken abgeschlossen worden. sicher
endlich ist, daß mit dem Kanal, der nach dem Plane des Herrn v. Lesseps
den Isthmus von Suez durchschneiden und das Nöthe mit dem Mittelmeer
verbinden sollte, politische Zwecke verfolgt werden.

Daß durch glückliche Vollendung dieses Unternehmens der Verkehr zwischen
Europa und Ostasien, Australien und dem jetzt gleichfalls in die Geschichte ein¬
tretenden Howareich auf Madagaskar (welches letztere ebenfalls der Politik
Frankreichs dienstbar werden zu wollen scheint) beträchtlich gefördert werden
würde, wenn auch nicht in dem Maße, wie die Pariser Posaune des Herrn
v. Lesseps den Börsen Europas verkündigen zu dürfen glaubte, leidet keinen
Zweifel. Von Anfang an aber wurde bezweifelt, erstens, ob der Kanal sich
ausführen lasse, zweitens, ob er die Kosten seiner Vollendung und Erhaltung
verzinsen werde, drittens, ob die Absicht des Unternehmers so sehr, wie dieser
behauptete, auf den Gewinn der Actionäre und nicht vielmehr auf Verfolgung
politischer Zwecke gerichtet sei. Diese Zweifel sind jetzt so gut wie gelöst, und
die wichtigsten nicht zu Gunsten des Herrn v. Lesseps oder richtiger, nicht zu
Gunsten der Ehrlichkeit seiner Versicherungen. Der Kanal würde sich möglicher
Weise ausführen lassen. Er wird aber auf keinen Fall die zu seiner Vollendung
und Erhaltung erforderlichen Summen verzinsen. Er ist endlich der bloße Deck¬
mantel für eine französische Colonie in Aegypten, und er war dies sehr wahr¬
scheinlich von Anfang an").

Das Alterthum kannte keine unmittelbare Verbindung der beiden Meere.
Die Kanäle, mit denen es dieselben zu verschiedenen Malen verband, gingen
stets von Suez, statt quer über die Landenge, nur bis zu den Bitterseen in
der Mitte derselben und dann westlich, wo sie in den Nil mündeten. Die
neue Zeit hat größere Mittel zur Überwältigung der territorialen Schwierig¬
keiten, und so ist kaum zweifelhaft, daß sie hier Größeres als das Alterthum
wagen und hoffen durfte. Die Stürme, welche den Kanal mit ihrem Flugsand
zu verwehen drohen, erregen Bedenken. Die geringe Wassertiefe bei Port
Said, wo der Kanal ins Mittelmeer münden soll, erfordert die Anlegung
ungeheurer Kais und die Ausbaggerung bedeutender Strecken, welche die an
dieser Küste hingehende Strömung des Nil in Kurzem mit ihrem Triebsand
umgethan machen dürfte. Aehnliche Arbeiten, besonders kostspielige Wasserbauten,
verlangt der sehr seichte Hafen von Suez, wenn, wie projectirt, der Kanal
Schiffen jeder Größe, bis zu 2000 Tonnen Gehalt, zugänglich sein soll. Andere



') Vgl. Aegypten. Forschungen uhn Land und Volk während eines zehnjährigen Aufent-
halts. Von Alfred v. Kremer (2 Tsin. Leipzig, F. A. Blockhaus, 1863), ein Werk, welches
wir als sehr belehrend warm empfehlen, und dem wir im Folgenden einige Notizen aus¬
zugsweise entnehmen.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/230>, abgerufen am 03.05.2024.