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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Bedenken wurden in einem früheren Aufsatz erwähnt. Sie alle aber würden,
wenn man den Kanal wirklich wollte, sich nach menschlicher Berechnung über¬
winden lassen, wenn auch nicht in der kurzen Zeit von sechs Jahren, die
v. Lcsseps dazu für hinreichend erklärte, und wenn auch nicht mit den 162 Mil¬
lionen Francs, die jener dafür in Anspruch nahm.

Scheint somit dem Werke eine unüberwindliche technische Schwierigkeit
nicht entgegenzustehen. so haben sich viel gegründetere Bedenken in Betreff der
Rentabilität desselben erhoben, Bedenken so begründet, daß bereits vielen
Actionären die Augen darüber ausgegangen sind. Niemand in Aegypten glaubt,
daß der Kanal in sechs Jahren oder selbst in doppelt so langer Zeit fertig
werden, Niemand, daß er ohne ganz unverhältnißmäßige Kosten fahrbar er¬
halten werden und daß er die auf ihn verwandten Summen auch nur mit
einem Viertelprocent verzinsen könnte; geschweige denn, daß er, wie Herr
v. Lesseps hoffen wollte und mit einer Keckheit ohne Gleichen der Welt verkün¬
dete, jährlich 40 Millionen Francs einbringen würde. Kein Zweifel, daß der
neue bedeutend nähere Wasserweg nach Ostasien stark benutzt werden und schöne
Summen in die Zellkasse der Gesellschaft liefern würde, die ihn geschaffen. Aber
auch kein Zweifel, daß dieser Transit nicht in dem riesigen Maßstab zunehmen
würde, den die Phantasie oder die Vogclstellerkunst der französischen Unternehmer
den bedauernswerthen Actionären gezeigt hat.

Hat Herr v. Lesseps dies nicht von Anfang an gewußt, so scheint er sich
jetzt darüber klar zu sein. Sollte der Kanal wirklich und im Ernst ein Hebel
für den Welthandel und ein rentables Unternehmen für die Actionäre werden,
und war der Gedanke, seine Gründung zugleich zur Anlegung einer französischen
Colonie zu benutzen, die durch ihre Lage an der großen Handelsstraße von
hoher Bedeutung für das Mutterland und dessen Stellung zu dem Besitzer
Indiens gewesen wäre, nur ein Nebengedanke, so ist dieser Nebengedanke jetzt
allem Anschein nach Hauptsache geworden.

Mit andern Worten: der Gedanke einer Durchstechung der Landenge von
Suez scheint so gut wie aufgegeben, und man wird sich wohl darauf beschränke",
eine" bloßen Bewässerungskanal zu graben, der von Zakazik am östlichen
Arm des Nil (Damiette-Arm) nach dem in der Mitte zwischen Suez und Pott
Said gelegenen Timsach-See und von dort in weiteren Verzweigungen nach
Suez und Port Said laufen soll. Darauf wenigstens deutet Alles hin, was
bis jetzt von der Gesellschaft erworben und geschaffen worden ist. Am Haupt-
tanal, welcher der Schifffahrt zu Gute kommen sollte, ist trotz verschiedener ent¬
gegenstehender Zeitungsnachrichten, sehr wenig geschehend. Der Bewässe-



') Von dem eigentlichen Kanal ist auf der Strecke zwischen Port Said und dem Krokodil'
see ein flacher und schmaler Graben fertig, der etwa den dreißigsten Theil der hier erforc-er-

Bedenken wurden in einem früheren Aufsatz erwähnt. Sie alle aber würden,
wenn man den Kanal wirklich wollte, sich nach menschlicher Berechnung über¬
winden lassen, wenn auch nicht in der kurzen Zeit von sechs Jahren, die
v. Lcsseps dazu für hinreichend erklärte, und wenn auch nicht mit den 162 Mil¬
lionen Francs, die jener dafür in Anspruch nahm.

Scheint somit dem Werke eine unüberwindliche technische Schwierigkeit
nicht entgegenzustehen. so haben sich viel gegründetere Bedenken in Betreff der
Rentabilität desselben erhoben, Bedenken so begründet, daß bereits vielen
Actionären die Augen darüber ausgegangen sind. Niemand in Aegypten glaubt,
daß der Kanal in sechs Jahren oder selbst in doppelt so langer Zeit fertig
werden, Niemand, daß er ohne ganz unverhältnißmäßige Kosten fahrbar er¬
halten werden und daß er die auf ihn verwandten Summen auch nur mit
einem Viertelprocent verzinsen könnte; geschweige denn, daß er, wie Herr
v. Lesseps hoffen wollte und mit einer Keckheit ohne Gleichen der Welt verkün¬
dete, jährlich 40 Millionen Francs einbringen würde. Kein Zweifel, daß der
neue bedeutend nähere Wasserweg nach Ostasien stark benutzt werden und schöne
Summen in die Zellkasse der Gesellschaft liefern würde, die ihn geschaffen. Aber
auch kein Zweifel, daß dieser Transit nicht in dem riesigen Maßstab zunehmen
würde, den die Phantasie oder die Vogclstellerkunst der französischen Unternehmer
den bedauernswerthen Actionären gezeigt hat.

Hat Herr v. Lesseps dies nicht von Anfang an gewußt, so scheint er sich
jetzt darüber klar zu sein. Sollte der Kanal wirklich und im Ernst ein Hebel
für den Welthandel und ein rentables Unternehmen für die Actionäre werden,
und war der Gedanke, seine Gründung zugleich zur Anlegung einer französischen
Colonie zu benutzen, die durch ihre Lage an der großen Handelsstraße von
hoher Bedeutung für das Mutterland und dessen Stellung zu dem Besitzer
Indiens gewesen wäre, nur ein Nebengedanke, so ist dieser Nebengedanke jetzt
allem Anschein nach Hauptsache geworden.

Mit andern Worten: der Gedanke einer Durchstechung der Landenge von
Suez scheint so gut wie aufgegeben, und man wird sich wohl darauf beschränke»,
eine» bloßen Bewässerungskanal zu graben, der von Zakazik am östlichen
Arm des Nil (Damiette-Arm) nach dem in der Mitte zwischen Suez und Pott
Said gelegenen Timsach-See und von dort in weiteren Verzweigungen nach
Suez und Port Said laufen soll. Darauf wenigstens deutet Alles hin, was
bis jetzt von der Gesellschaft erworben und geschaffen worden ist. Am Haupt-
tanal, welcher der Schifffahrt zu Gute kommen sollte, ist trotz verschiedener ent¬
gegenstehender Zeitungsnachrichten, sehr wenig geschehend. Der Bewässe-



') Von dem eigentlichen Kanal ist auf der Strecke zwischen Port Said und dem Krokodil'
see ein flacher und schmaler Graben fertig, der etwa den dreißigsten Theil der hier erforc-er-
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[0231] Bedenken wurden in einem früheren Aufsatz erwähnt. Sie alle aber würden, wenn man den Kanal wirklich wollte, sich nach menschlicher Berechnung über¬ winden lassen, wenn auch nicht in der kurzen Zeit von sechs Jahren, die v. Lcsseps dazu für hinreichend erklärte, und wenn auch nicht mit den 162 Mil¬ lionen Francs, die jener dafür in Anspruch nahm. Scheint somit dem Werke eine unüberwindliche technische Schwierigkeit nicht entgegenzustehen. so haben sich viel gegründetere Bedenken in Betreff der Rentabilität desselben erhoben, Bedenken so begründet, daß bereits vielen Actionären die Augen darüber ausgegangen sind. Niemand in Aegypten glaubt, daß der Kanal in sechs Jahren oder selbst in doppelt so langer Zeit fertig werden, Niemand, daß er ohne ganz unverhältnißmäßige Kosten fahrbar er¬ halten werden und daß er die auf ihn verwandten Summen auch nur mit einem Viertelprocent verzinsen könnte; geschweige denn, daß er, wie Herr v. Lesseps hoffen wollte und mit einer Keckheit ohne Gleichen der Welt verkün¬ dete, jährlich 40 Millionen Francs einbringen würde. Kein Zweifel, daß der neue bedeutend nähere Wasserweg nach Ostasien stark benutzt werden und schöne Summen in die Zellkasse der Gesellschaft liefern würde, die ihn geschaffen. Aber auch kein Zweifel, daß dieser Transit nicht in dem riesigen Maßstab zunehmen würde, den die Phantasie oder die Vogclstellerkunst der französischen Unternehmer den bedauernswerthen Actionären gezeigt hat. Hat Herr v. Lesseps dies nicht von Anfang an gewußt, so scheint er sich jetzt darüber klar zu sein. Sollte der Kanal wirklich und im Ernst ein Hebel für den Welthandel und ein rentables Unternehmen für die Actionäre werden, und war der Gedanke, seine Gründung zugleich zur Anlegung einer französischen Colonie zu benutzen, die durch ihre Lage an der großen Handelsstraße von hoher Bedeutung für das Mutterland und dessen Stellung zu dem Besitzer Indiens gewesen wäre, nur ein Nebengedanke, so ist dieser Nebengedanke jetzt allem Anschein nach Hauptsache geworden. Mit andern Worten: der Gedanke einer Durchstechung der Landenge von Suez scheint so gut wie aufgegeben, und man wird sich wohl darauf beschränke», eine» bloßen Bewässerungskanal zu graben, der von Zakazik am östlichen Arm des Nil (Damiette-Arm) nach dem in der Mitte zwischen Suez und Pott Said gelegenen Timsach-See und von dort in weiteren Verzweigungen nach Suez und Port Said laufen soll. Darauf wenigstens deutet Alles hin, was bis jetzt von der Gesellschaft erworben und geschaffen worden ist. Am Haupt- tanal, welcher der Schifffahrt zu Gute kommen sollte, ist trotz verschiedener ent¬ gegenstehender Zeitungsnachrichten, sehr wenig geschehend. Der Bewässe- ') Von dem eigentlichen Kanal ist auf der Strecke zwischen Port Said und dem Krokodil' see ein flacher und schmaler Graben fertig, der etwa den dreißigsten Theil der hier erforc-er-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/231>, abgerufen am 14.05.2024.