Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

floh auch der Rest der Juden mit den Abgebrannten. Der General von Gro߬
polen, Opalinski, und der Wojwode Posens vermittelten ihre Rückkunft und
schon war die Straße wieder mit 3--6stockigen Häusern bebaut, denn
gerade unter> diesem Drucke haben sich diese Orientalen erhalten und vermehrt.
Wenige von ihnen waren reich, und auch diese nicht in dem Grade, wie man
glaubte; die meisten^ lebten in Armuth. Elend und Schmutz. Und genau so
ist es noch heute. Die Noth zahlloser Judenfamilien bleibt tief unter dem
Niveaw dessen, was ein Christ ertragen würde, ohne sich an der Gesellschaft
zu vergehen.

Die Rache der Geplagten kam in ihrer tiefen Entsittlichung über ihre Ver¬
folger und in dem theils' mit dieser zusammenhängenden, theils aus edleren Quell
fließenden Gefühl ihrer Solidarität. Dieses führt sie zu falschem Zeugniß.
Bestechung in tgi. Wie ernst sie auch unter einander richten mögen; sobald
Noth an den Mann kommt, sobald eine Sache fiscalisch wird, dann stehen
sie Alle für den Einen und winden und lügen ihn von der gerechten Strafe
los. Sie machen dadurch oft den Eindruck, als sei ihre Verderbniß größer als
sie wirklich ist.

Im vorigen Jahrhundert trieben sich ihre abgemagerten, bärtigen Gestalten
mit formlosen schmutzigem Schuhwerk, in Lumpen herabhängendem, bis an die
Knöchel zugeknöpften Rock, einige schlechte Lappen über dem Arm, wie jetzt
nur sehr vereinzelt, in den Winkeln der Hauptstadt, allgemein und in Gruppen
herum. Sie lauerten dem Edelmann auf; sie überlisteten ihn, sie beschwindelten
den Bauer und fristeten so ihr dürftiges Leben von Lug und Trug. Friedrich der
Zweite rechnete es sich als ein ganz besonderes Verdienst an. daß er 1772 4000
Juden qui volaiont vt sllvusiüvnt los xa^san?-, nach Russisch-Polen zurückgeschickt
habe. Und es war ein Perdienst. Wie schwer wir uns an den Juden ver¬
sündigt haben, ich habe die Erinnerung daran vorangestellt, so kann es doch
nicht Verschwiegen werden, daß ihr Einfluß auf das Volk ein sehr nachtheiliger,
ihr ganzes Treiben ein Hauptübel des Landes ist. Ihre Factorei ist bekannt.
Der polnische Edelmann verhandelt stets nur durch einen Factor mit irgend
einem deutschen Geschäftsmann. Der Jude selbst beruft sich in frivolem Scherz
für die Unentbehrlichkeit seines Dienstes auf Gott, der sich ja bei der Gesetz¬
gebung des Moses, als eines Factors bedient habe. Durch diese Factoren
ljcdes Hotel, jedes größere Geschäft hat seine besonderen; auch viele Guts¬
besitzer haben ihre) wird es möglich, daß Leute neben einander, mit einander
leben, die es nicht der Mühe werth achten, einer die Sprache des andern zu
erlernen. Eben dadurch geschieht es aber auch, daß diese auf einander gewiesenen
Nachbarn nicht mit einander fühlen. Freude und Leid nicht theilen, sich fremd
bleiben und mißtrauen. Schon in diesem einen Zuge zeigt es sich, daß der
Jude gern von den Fehlern seines Nächsten lebt und sich dadurch zum Herrn


floh auch der Rest der Juden mit den Abgebrannten. Der General von Gro߬
polen, Opalinski, und der Wojwode Posens vermittelten ihre Rückkunft und
schon war die Straße wieder mit 3—6stockigen Häusern bebaut, denn
gerade unter> diesem Drucke haben sich diese Orientalen erhalten und vermehrt.
Wenige von ihnen waren reich, und auch diese nicht in dem Grade, wie man
glaubte; die meisten^ lebten in Armuth. Elend und Schmutz. Und genau so
ist es noch heute. Die Noth zahlloser Judenfamilien bleibt tief unter dem
Niveaw dessen, was ein Christ ertragen würde, ohne sich an der Gesellschaft
zu vergehen.

Die Rache der Geplagten kam in ihrer tiefen Entsittlichung über ihre Ver¬
folger und in dem theils' mit dieser zusammenhängenden, theils aus edleren Quell
fließenden Gefühl ihrer Solidarität. Dieses führt sie zu falschem Zeugniß.
Bestechung in tgi. Wie ernst sie auch unter einander richten mögen; sobald
Noth an den Mann kommt, sobald eine Sache fiscalisch wird, dann stehen
sie Alle für den Einen und winden und lügen ihn von der gerechten Strafe
los. Sie machen dadurch oft den Eindruck, als sei ihre Verderbniß größer als
sie wirklich ist.

Im vorigen Jahrhundert trieben sich ihre abgemagerten, bärtigen Gestalten
mit formlosen schmutzigem Schuhwerk, in Lumpen herabhängendem, bis an die
Knöchel zugeknöpften Rock, einige schlechte Lappen über dem Arm, wie jetzt
nur sehr vereinzelt, in den Winkeln der Hauptstadt, allgemein und in Gruppen
herum. Sie lauerten dem Edelmann auf; sie überlisteten ihn, sie beschwindelten
den Bauer und fristeten so ihr dürftiges Leben von Lug und Trug. Friedrich der
Zweite rechnete es sich als ein ganz besonderes Verdienst an. daß er 1772 4000
Juden qui volaiont vt sllvusiüvnt los xa^san?-, nach Russisch-Polen zurückgeschickt
habe. Und es war ein Perdienst. Wie schwer wir uns an den Juden ver¬
sündigt haben, ich habe die Erinnerung daran vorangestellt, so kann es doch
nicht Verschwiegen werden, daß ihr Einfluß auf das Volk ein sehr nachtheiliger,
ihr ganzes Treiben ein Hauptübel des Landes ist. Ihre Factorei ist bekannt.
Der polnische Edelmann verhandelt stets nur durch einen Factor mit irgend
einem deutschen Geschäftsmann. Der Jude selbst beruft sich in frivolem Scherz
für die Unentbehrlichkeit seines Dienstes auf Gott, der sich ja bei der Gesetz¬
gebung des Moses, als eines Factors bedient habe. Durch diese Factoren
ljcdes Hotel, jedes größere Geschäft hat seine besonderen; auch viele Guts¬
besitzer haben ihre) wird es möglich, daß Leute neben einander, mit einander
leben, die es nicht der Mühe werth achten, einer die Sprache des andern zu
erlernen. Eben dadurch geschieht es aber auch, daß diese auf einander gewiesenen
Nachbarn nicht mit einander fühlen. Freude und Leid nicht theilen, sich fremd
bleiben und mißtrauen. Schon in diesem einen Zuge zeigt es sich, daß der
Jude gern von den Fehlern seines Nächsten lebt und sich dadurch zum Herrn


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0242" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/187736"/>
            <p xml:id="ID_951" prev="#ID_950"> floh auch der Rest der Juden mit den Abgebrannten. Der General von Gro߬<lb/>
polen, Opalinski, und der Wojwode Posens vermittelten ihre Rückkunft und<lb/>
schon war die Straße wieder mit 3&#x2014;6stockigen Häusern bebaut, denn<lb/>
gerade unter&gt; diesem Drucke haben sich diese Orientalen erhalten und vermehrt.<lb/>
Wenige von ihnen waren reich, und auch diese nicht in dem Grade, wie man<lb/>
glaubte; die meisten^ lebten in Armuth. Elend und Schmutz. Und genau so<lb/>
ist es noch heute. Die Noth zahlloser Judenfamilien bleibt tief unter dem<lb/>
Niveaw dessen, was ein Christ ertragen würde, ohne sich an der Gesellschaft<lb/>
zu vergehen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_952"> Die Rache der Geplagten kam in ihrer tiefen Entsittlichung über ihre Ver¬<lb/>
folger und in dem theils' mit dieser zusammenhängenden, theils aus edleren Quell<lb/>
fließenden Gefühl ihrer Solidarität. Dieses führt sie zu falschem Zeugniß.<lb/>
Bestechung in tgi. Wie ernst sie auch unter einander richten mögen; sobald<lb/>
Noth an den Mann kommt, sobald eine Sache fiscalisch wird, dann stehen<lb/>
sie Alle für den Einen und winden und lügen ihn von der gerechten Strafe<lb/>
los. Sie machen dadurch oft den Eindruck, als sei ihre Verderbniß größer als<lb/>
sie wirklich ist.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_953" next="#ID_954"> Im vorigen Jahrhundert trieben sich ihre abgemagerten, bärtigen Gestalten<lb/>
mit formlosen schmutzigem Schuhwerk, in Lumpen herabhängendem, bis an die<lb/>
Knöchel zugeknöpften Rock, einige schlechte Lappen über dem Arm, wie jetzt<lb/>
nur sehr vereinzelt, in den Winkeln der Hauptstadt, allgemein und in Gruppen<lb/>
herum. Sie lauerten dem Edelmann auf; sie überlisteten ihn, sie beschwindelten<lb/>
den Bauer und fristeten so ihr dürftiges Leben von Lug und Trug. Friedrich der<lb/>
Zweite rechnete es sich als ein ganz besonderes Verdienst an. daß er 1772 4000<lb/>
Juden qui volaiont vt sllvusiüvnt los xa^san?-, nach Russisch-Polen zurückgeschickt<lb/>
habe. Und es war ein Perdienst. Wie schwer wir uns an den Juden ver¬<lb/>
sündigt haben, ich habe die Erinnerung daran vorangestellt, so kann es doch<lb/>
nicht Verschwiegen werden, daß ihr Einfluß auf das Volk ein sehr nachtheiliger,<lb/>
ihr ganzes Treiben ein Hauptübel des Landes ist. Ihre Factorei ist bekannt.<lb/>
Der polnische Edelmann verhandelt stets nur durch einen Factor mit irgend<lb/>
einem deutschen Geschäftsmann. Der Jude selbst beruft sich in frivolem Scherz<lb/>
für die Unentbehrlichkeit seines Dienstes auf Gott, der sich ja bei der Gesetz¬<lb/>
gebung des Moses, als eines Factors bedient habe. Durch diese Factoren<lb/>
ljcdes Hotel, jedes größere Geschäft hat seine besonderen; auch viele Guts¬<lb/>
besitzer haben ihre) wird es möglich, daß Leute neben einander, mit einander<lb/>
leben, die es nicht der Mühe werth achten, einer die Sprache des andern zu<lb/>
erlernen. Eben dadurch geschieht es aber auch, daß diese auf einander gewiesenen<lb/>
Nachbarn nicht mit einander fühlen. Freude und Leid nicht theilen, sich fremd<lb/>
bleiben und mißtrauen. Schon in diesem einen Zuge zeigt es sich, daß der<lb/>
Jude gern von den Fehlern seines Nächsten lebt und sich dadurch zum Herrn</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0242] floh auch der Rest der Juden mit den Abgebrannten. Der General von Gro߬ polen, Opalinski, und der Wojwode Posens vermittelten ihre Rückkunft und schon war die Straße wieder mit 3—6stockigen Häusern bebaut, denn gerade unter> diesem Drucke haben sich diese Orientalen erhalten und vermehrt. Wenige von ihnen waren reich, und auch diese nicht in dem Grade, wie man glaubte; die meisten^ lebten in Armuth. Elend und Schmutz. Und genau so ist es noch heute. Die Noth zahlloser Judenfamilien bleibt tief unter dem Niveaw dessen, was ein Christ ertragen würde, ohne sich an der Gesellschaft zu vergehen. Die Rache der Geplagten kam in ihrer tiefen Entsittlichung über ihre Ver¬ folger und in dem theils' mit dieser zusammenhängenden, theils aus edleren Quell fließenden Gefühl ihrer Solidarität. Dieses führt sie zu falschem Zeugniß. Bestechung in tgi. Wie ernst sie auch unter einander richten mögen; sobald Noth an den Mann kommt, sobald eine Sache fiscalisch wird, dann stehen sie Alle für den Einen und winden und lügen ihn von der gerechten Strafe los. Sie machen dadurch oft den Eindruck, als sei ihre Verderbniß größer als sie wirklich ist. Im vorigen Jahrhundert trieben sich ihre abgemagerten, bärtigen Gestalten mit formlosen schmutzigem Schuhwerk, in Lumpen herabhängendem, bis an die Knöchel zugeknöpften Rock, einige schlechte Lappen über dem Arm, wie jetzt nur sehr vereinzelt, in den Winkeln der Hauptstadt, allgemein und in Gruppen herum. Sie lauerten dem Edelmann auf; sie überlisteten ihn, sie beschwindelten den Bauer und fristeten so ihr dürftiges Leben von Lug und Trug. Friedrich der Zweite rechnete es sich als ein ganz besonderes Verdienst an. daß er 1772 4000 Juden qui volaiont vt sllvusiüvnt los xa^san?-, nach Russisch-Polen zurückgeschickt habe. Und es war ein Perdienst. Wie schwer wir uns an den Juden ver¬ sündigt haben, ich habe die Erinnerung daran vorangestellt, so kann es doch nicht Verschwiegen werden, daß ihr Einfluß auf das Volk ein sehr nachtheiliger, ihr ganzes Treiben ein Hauptübel des Landes ist. Ihre Factorei ist bekannt. Der polnische Edelmann verhandelt stets nur durch einen Factor mit irgend einem deutschen Geschäftsmann. Der Jude selbst beruft sich in frivolem Scherz für die Unentbehrlichkeit seines Dienstes auf Gott, der sich ja bei der Gesetz¬ gebung des Moses, als eines Factors bedient habe. Durch diese Factoren ljcdes Hotel, jedes größere Geschäft hat seine besonderen; auch viele Guts¬ besitzer haben ihre) wird es möglich, daß Leute neben einander, mit einander leben, die es nicht der Mühe werth achten, einer die Sprache des andern zu erlernen. Eben dadurch geschieht es aber auch, daß diese auf einander gewiesenen Nachbarn nicht mit einander fühlen. Freude und Leid nicht theilen, sich fremd bleiben und mißtrauen. Schon in diesem einen Zuge zeigt es sich, daß der Jude gern von den Fehlern seines Nächsten lebt und sich dadurch zum Herrn

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/242
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/242>, abgerufen am 08.06.2024.