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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Versuch gemacht, Ansiedler heranzuziehen. Daß aber, nachdem Gesetz und
Recht. Freiheit und Ordnung im Lande hergestellt sind, nachdem die preußische
Verwaltung viele deutsche Beamte hierher geschickt hat, welche den natürlichen
Wunsch haben, Angehörige nachzurufen, die deutsche Einwanderung einen neuen
Aufschwung genommen hat, ist natürlich.

So ist es gekommen, daß jetzt von 2.862 Ritter, Frei- und andern Gü¬
tern der Provinz im Departement Posen 7S8, d. h. im Departement
Vromberg 16 über die Hälfte in deutschen Händen sind; daß in diesem Bezirk
nur noch 908.000 Morgen Landes polnische, dagegen 1,085,000 Morgen
deutsche Eigenthümer haben. Nehmen wir die Städte hinzu, so sind wir zu
dem Ausspruch berechtigt, daß mehr als die Hälfte der Provinz den Deutschen
gehört. Es gibt ferner hier sieben Städte, in denen sich gar kein
Pole findet, aber keine einzige r ein p o irisch e mehr.

Bedarf es noch eines Beweises, daß die deutschen Einwanderer die größere
Mühe an die Cultur ihrer neuen Heimath gewandt, daß die Polen die höhe¬
ren Lasten auf jener Schultern geworfen haben, so liegt er darin, daß die
weniger lohnenden Landstriche ihnen übellassen blieben. Wenn wir aber dem
Zuge der deutschen Colonisation folgen, wie sie an den großen Land- und
Wasserstraßen hingeht, wie sie sich von drei Seiten aus in einem immer en¬
gern Ringe um den polnischen Kern legt, wie die einzelnen Punkte der deut¬
schen Diaspora in dem urpolnischen Lande immer weitere Kreise beschreiben,
wie endlich die Polen schrittweis vor ihr zurückweichen, so gewinnen wir die
Zuversicht, daß hier der Deutsche seine culturhistorische Mission erfüllen wird,
und das um so sicherer, je verkehrter die Mittel sind, mit denen die Polen
gegen ihn zu reagiren versuchen.

Soll ich Ihnen nun zum Schluß noch einige Worte über unsere deutschen
Landsleute sagen, so muß ich die Klage voranstellen, daß ihr geistiger und
sittlicher Fortschritt zwei Feinde hat. Der eine ist der Wunsch Vieler, durchaus
und recht bald zu erwerbend sei es, um den Herrn zu machen, sei es, um mit
dem Gewinnst nach Deutschland zurückzukehren. Daraus entsteht eine beklagens-
werthe Engherzigkeit und Kargheit, die zu der Ostentation, mit welcher die
Polen lire nationalen Opfer bringen, einen fatalen Contrast bildet. Der an¬
dere Fehler unserer Landsleute ist die geringe Sympathie für ihre neue Hei¬
mat. Vielen von ihnen liegt weder Land noch Volk am Herzen; es ist keine
Frage nach Vergangenheit, noch nach Zukunft. Fremd, wie sie sind, wolle"
sie bleiben und entfernen dadurch diejenigen von sich, die sie für sich gewinnen
sollten. Ein Beweis dafür ist unter Anderm die allgemeine Unwissenheit in
Provinciellen Dingen, und die eine Thatsache, daß ein Unternehmen, wie das
von Posener Provinzialblättern nicht über den ersten Jahrgang hinaus kam.

In ersterer Beziehung gibt es lobenswerthe Ausnahmen. Es darf z. B.


Versuch gemacht, Ansiedler heranzuziehen. Daß aber, nachdem Gesetz und
Recht. Freiheit und Ordnung im Lande hergestellt sind, nachdem die preußische
Verwaltung viele deutsche Beamte hierher geschickt hat, welche den natürlichen
Wunsch haben, Angehörige nachzurufen, die deutsche Einwanderung einen neuen
Aufschwung genommen hat, ist natürlich.

So ist es gekommen, daß jetzt von 2.862 Ritter, Frei- und andern Gü¬
tern der Provinz im Departement Posen 7S8, d. h. im Departement
Vromberg 16 über die Hälfte in deutschen Händen sind; daß in diesem Bezirk
nur noch 908.000 Morgen Landes polnische, dagegen 1,085,000 Morgen
deutsche Eigenthümer haben. Nehmen wir die Städte hinzu, so sind wir zu
dem Ausspruch berechtigt, daß mehr als die Hälfte der Provinz den Deutschen
gehört. Es gibt ferner hier sieben Städte, in denen sich gar kein
Pole findet, aber keine einzige r ein p o irisch e mehr.

Bedarf es noch eines Beweises, daß die deutschen Einwanderer die größere
Mühe an die Cultur ihrer neuen Heimath gewandt, daß die Polen die höhe¬
ren Lasten auf jener Schultern geworfen haben, so liegt er darin, daß die
weniger lohnenden Landstriche ihnen übellassen blieben. Wenn wir aber dem
Zuge der deutschen Colonisation folgen, wie sie an den großen Land- und
Wasserstraßen hingeht, wie sie sich von drei Seiten aus in einem immer en¬
gern Ringe um den polnischen Kern legt, wie die einzelnen Punkte der deut¬
schen Diaspora in dem urpolnischen Lande immer weitere Kreise beschreiben,
wie endlich die Polen schrittweis vor ihr zurückweichen, so gewinnen wir die
Zuversicht, daß hier der Deutsche seine culturhistorische Mission erfüllen wird,
und das um so sicherer, je verkehrter die Mittel sind, mit denen die Polen
gegen ihn zu reagiren versuchen.

Soll ich Ihnen nun zum Schluß noch einige Worte über unsere deutschen
Landsleute sagen, so muß ich die Klage voranstellen, daß ihr geistiger und
sittlicher Fortschritt zwei Feinde hat. Der eine ist der Wunsch Vieler, durchaus
und recht bald zu erwerbend sei es, um den Herrn zu machen, sei es, um mit
dem Gewinnst nach Deutschland zurückzukehren. Daraus entsteht eine beklagens-
werthe Engherzigkeit und Kargheit, die zu der Ostentation, mit welcher die
Polen lire nationalen Opfer bringen, einen fatalen Contrast bildet. Der an¬
dere Fehler unserer Landsleute ist die geringe Sympathie für ihre neue Hei¬
mat. Vielen von ihnen liegt weder Land noch Volk am Herzen; es ist keine
Frage nach Vergangenheit, noch nach Zukunft. Fremd, wie sie sind, wolle»
sie bleiben und entfernen dadurch diejenigen von sich, die sie für sich gewinnen
sollten. Ein Beweis dafür ist unter Anderm die allgemeine Unwissenheit in
Provinciellen Dingen, und die eine Thatsache, daß ein Unternehmen, wie das
von Posener Provinzialblättern nicht über den ersten Jahrgang hinaus kam.

In ersterer Beziehung gibt es lobenswerthe Ausnahmen. Es darf z. B.


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[0277] Versuch gemacht, Ansiedler heranzuziehen. Daß aber, nachdem Gesetz und Recht. Freiheit und Ordnung im Lande hergestellt sind, nachdem die preußische Verwaltung viele deutsche Beamte hierher geschickt hat, welche den natürlichen Wunsch haben, Angehörige nachzurufen, die deutsche Einwanderung einen neuen Aufschwung genommen hat, ist natürlich. So ist es gekommen, daß jetzt von 2.862 Ritter, Frei- und andern Gü¬ tern der Provinz im Departement Posen 7S8, d. h. im Departement Vromberg 16 über die Hälfte in deutschen Händen sind; daß in diesem Bezirk nur noch 908.000 Morgen Landes polnische, dagegen 1,085,000 Morgen deutsche Eigenthümer haben. Nehmen wir die Städte hinzu, so sind wir zu dem Ausspruch berechtigt, daß mehr als die Hälfte der Provinz den Deutschen gehört. Es gibt ferner hier sieben Städte, in denen sich gar kein Pole findet, aber keine einzige r ein p o irisch e mehr. Bedarf es noch eines Beweises, daß die deutschen Einwanderer die größere Mühe an die Cultur ihrer neuen Heimath gewandt, daß die Polen die höhe¬ ren Lasten auf jener Schultern geworfen haben, so liegt er darin, daß die weniger lohnenden Landstriche ihnen übellassen blieben. Wenn wir aber dem Zuge der deutschen Colonisation folgen, wie sie an den großen Land- und Wasserstraßen hingeht, wie sie sich von drei Seiten aus in einem immer en¬ gern Ringe um den polnischen Kern legt, wie die einzelnen Punkte der deut¬ schen Diaspora in dem urpolnischen Lande immer weitere Kreise beschreiben, wie endlich die Polen schrittweis vor ihr zurückweichen, so gewinnen wir die Zuversicht, daß hier der Deutsche seine culturhistorische Mission erfüllen wird, und das um so sicherer, je verkehrter die Mittel sind, mit denen die Polen gegen ihn zu reagiren versuchen. Soll ich Ihnen nun zum Schluß noch einige Worte über unsere deutschen Landsleute sagen, so muß ich die Klage voranstellen, daß ihr geistiger und sittlicher Fortschritt zwei Feinde hat. Der eine ist der Wunsch Vieler, durchaus und recht bald zu erwerbend sei es, um den Herrn zu machen, sei es, um mit dem Gewinnst nach Deutschland zurückzukehren. Daraus entsteht eine beklagens- werthe Engherzigkeit und Kargheit, die zu der Ostentation, mit welcher die Polen lire nationalen Opfer bringen, einen fatalen Contrast bildet. Der an¬ dere Fehler unserer Landsleute ist die geringe Sympathie für ihre neue Hei¬ mat. Vielen von ihnen liegt weder Land noch Volk am Herzen; es ist keine Frage nach Vergangenheit, noch nach Zukunft. Fremd, wie sie sind, wolle» sie bleiben und entfernen dadurch diejenigen von sich, die sie für sich gewinnen sollten. Ein Beweis dafür ist unter Anderm die allgemeine Unwissenheit in Provinciellen Dingen, und die eine Thatsache, daß ein Unternehmen, wie das von Posener Provinzialblättern nicht über den ersten Jahrgang hinaus kam. In ersterer Beziehung gibt es lobenswerthe Ausnahmen. Es darf z. B.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/277>, abgerufen am 19.05.2024.