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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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ein den Reichthum, den die Stadt Wollstein ein milden Anstalten hat, erinnert
werden, ferner an die eifrige Betheiligung am Gustav-Adolph-Verein, vielleicht
selbst an die Zufälligkeit, daß während uns der Czas wegen unserer geringen
Theilnahme für die syrischen Christen ausschalt (August 1860), aus kleinen
deutschen Gemeinden bereits nicht ganz geringe Beiträge aufgekommen waren,
Hauländer sich zur Aufnahme verlassener syrischer Christenkinder erboten hatten,
wogegen gerade unter den Polen sich nichts rührte. Endlich läßt die Stiftung
eines Capitals von 60,000 Thlr. für die Posener Realschule durch den Kauf¬
mann und Abgeordneten Berger in Posen (Fraction Bockum) das Meiste von
dem hinter sich, was die polnischen Magnaten thun. Auch sonst betheiligen
sich unsere deutschen Landsleute nach Kräften an den allgemeinen deutschen
Unternehmen, und Schillerapotheosen, Serresche Schillerkalender können Sie
hier reichlich sammeln. Wir haben auch Fichte gefeiert und dabei einen halben
Band seiner Werke vorlesen hören und von einem Redner gelernt, daß Sokra-
tes, Christus, Spinoza und Fichte die größten Denker aller Zeiten waren.
Auch mit Sänger- und Turnfesten, und Vereinen verschiedener Art können wir
aufwarten.

Im Ganzen sind diese Dinge gut und werden zum Ziele führen. Es hat
immerhin einen Werth, daß wir an den geistigen Bewegungen unseres großen
Vaterlandes lebendigen Antheil nehmen, und wir können uns dessen um so
mehr rühmen, als jetzt auch Ansätze dazu gemacht sind, eine Vereinigung der
Deutschen in der Provinz herbeizuführen. Ein solcher Anfang ist der land-
wirthschaftliche, jetzt wohl deutsche Centralvercin. Seine Tendenz geht darauf,
deutschen Sinn, deutsches Leben zu kräftigen und in der Politik für den Stand¬
punkt zu wirken, welchem das preußische Vaterland über den Parteien steht.
Erst sind wir Preußen, dann Liberale oder Feudale u. s. w., und so lange die
Polen so fest zusammenstehen wie jetzt, kann und darf kein Parteistandpunkt stark
genug sein, uns zu spalten. Mit viel Wärme und großem Geschick wußte das
unter Andern das vom Staatsanwalt Uhlemann geleitete Grcitzer Wahlcomitö
in seinen Manifesten geltend zu machen. Daß es den extremen Parteien ge¬
lungen ist, diese sonst hier allgemeine Anschauung, für welche auch die jetzt
gut redigirte liberale Posener Zeitung kräftig einsteht, zu verrücken, hat uns
zwei Abgeordnete gekostet, einen in Jnowraclcnv, einen in Birnbaum. In
beiden Fällen lag die größere Schuld bei der extremen Rechten.

Unsere bisher von Herrn Dr. Gottschall mit viel Phantasie und wenig
Verstand und Glück redigirte, namentlich von Posener Anwälten subventionirte
Ostdeutsche Zeitung ist ein wohlgemeinter Versuch, die Polen durch Liberalismus,
durch Rechnn ngtragen u. s. f. zu gewinnen. Wenn derselbe Aussicht auf Erfolg
hätte, wäre er unnöthig; denn die Polen wären dann, was sie nun einmal
nicht sein wollen, Preußen. Inzwischen scheint es nicht so; der öftere Wechsel


ein den Reichthum, den die Stadt Wollstein ein milden Anstalten hat, erinnert
werden, ferner an die eifrige Betheiligung am Gustav-Adolph-Verein, vielleicht
selbst an die Zufälligkeit, daß während uns der Czas wegen unserer geringen
Theilnahme für die syrischen Christen ausschalt (August 1860), aus kleinen
deutschen Gemeinden bereits nicht ganz geringe Beiträge aufgekommen waren,
Hauländer sich zur Aufnahme verlassener syrischer Christenkinder erboten hatten,
wogegen gerade unter den Polen sich nichts rührte. Endlich läßt die Stiftung
eines Capitals von 60,000 Thlr. für die Posener Realschule durch den Kauf¬
mann und Abgeordneten Berger in Posen (Fraction Bockum) das Meiste von
dem hinter sich, was die polnischen Magnaten thun. Auch sonst betheiligen
sich unsere deutschen Landsleute nach Kräften an den allgemeinen deutschen
Unternehmen, und Schillerapotheosen, Serresche Schillerkalender können Sie
hier reichlich sammeln. Wir haben auch Fichte gefeiert und dabei einen halben
Band seiner Werke vorlesen hören und von einem Redner gelernt, daß Sokra-
tes, Christus, Spinoza und Fichte die größten Denker aller Zeiten waren.
Auch mit Sänger- und Turnfesten, und Vereinen verschiedener Art können wir
aufwarten.

Im Ganzen sind diese Dinge gut und werden zum Ziele führen. Es hat
immerhin einen Werth, daß wir an den geistigen Bewegungen unseres großen
Vaterlandes lebendigen Antheil nehmen, und wir können uns dessen um so
mehr rühmen, als jetzt auch Ansätze dazu gemacht sind, eine Vereinigung der
Deutschen in der Provinz herbeizuführen. Ein solcher Anfang ist der land-
wirthschaftliche, jetzt wohl deutsche Centralvercin. Seine Tendenz geht darauf,
deutschen Sinn, deutsches Leben zu kräftigen und in der Politik für den Stand¬
punkt zu wirken, welchem das preußische Vaterland über den Parteien steht.
Erst sind wir Preußen, dann Liberale oder Feudale u. s. w., und so lange die
Polen so fest zusammenstehen wie jetzt, kann und darf kein Parteistandpunkt stark
genug sein, uns zu spalten. Mit viel Wärme und großem Geschick wußte das
unter Andern das vom Staatsanwalt Uhlemann geleitete Grcitzer Wahlcomitö
in seinen Manifesten geltend zu machen. Daß es den extremen Parteien ge¬
lungen ist, diese sonst hier allgemeine Anschauung, für welche auch die jetzt
gut redigirte liberale Posener Zeitung kräftig einsteht, zu verrücken, hat uns
zwei Abgeordnete gekostet, einen in Jnowraclcnv, einen in Birnbaum. In
beiden Fällen lag die größere Schuld bei der extremen Rechten.

Unsere bisher von Herrn Dr. Gottschall mit viel Phantasie und wenig
Verstand und Glück redigirte, namentlich von Posener Anwälten subventionirte
Ostdeutsche Zeitung ist ein wohlgemeinter Versuch, die Polen durch Liberalismus,
durch Rechnn ngtragen u. s. f. zu gewinnen. Wenn derselbe Aussicht auf Erfolg
hätte, wäre er unnöthig; denn die Polen wären dann, was sie nun einmal
nicht sein wollen, Preußen. Inzwischen scheint es nicht so; der öftere Wechsel


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/278>, abgerufen am 30.04.2024.