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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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des zweiten Redacteurs, der soeben erfolgte Rücktritt des Dr. Gott schall und
die projectirte Umgestaltung des Blattes zu einer Volkszeitung beweisen zur
Genüge, daß dasselbe über den Standpunkt des Experimentirens noch nicht
hinausgekommen ist. und daß wahrscheinlich der ganze Gewinn, den die Pro¬
vinz von dem Unternehmen hat. in der seitdem eingetretenen tüchtigem Re¬
daction der Posener Zeitung bestehen wird.

Schließlich noch die Bemerkung, daß die Provinz auf viele ihrer deutschen
Kinder mit Stolz sehen darf. Es sind Männer, die sich auf den mannigfachsten
Gebieten des öffentlichen Lebens hervorgethan, durch die Schule der hiesigen
Verhältnisse gegangen. Aus den in hiesiger Provinz geborenen greife ich drei
in ihrem Wirkungskreise sehr verschiedene Männer heraus: den Dichter Otto
Roquette, den berühmten Ethiker Rothe in Heidelberg und den Major Serre.




Die Ewigkeit der Autorrechte.

Seit-der Zeit, wo der große Reformator der Deutschen in seiner derben
Weise auch gegen den Büchernachdruck eiferte, ist zu Gunsten der Rechte der
Schriftsteller und Künstler an ihren Werken Vieles und Erfreuliches geschehen.
Dem Beispiele Sachsens, welches bereits im Jahre 1686 zuerst unter allen
Reichsständen den Nachdruck schlechthin und zwar selbst abgesehen von jedem
besondern Privilegium mit Strafe bedrohte, ist allmählig die Particulargesetz-
gebung auch anderer deutschen Staaten gefolgt. Endlich hat auch der deutsche
Bund durch eine Reihe sich ergänzender, in den einzelnen Staaten publicirter
Beschlüsse eine Art gemeines Recht auf diesem Gebiete geschaffen. Kein Ver¬
ständiger zweifelt jetzt noch daran, daß der Büchernachdruck moralisch und
wirthschaftlich gleich veroammenswerth ist, und ein Rechtsgutachten wie das noch
zu Ende des vorigen Jahrhunderts abgegebene der Jenenser Juristenfacultät,
Welches unter Zustimmung der Facultäten zu Gießen, Helmstädt und Erfurt den
Nachdruck als etwas an sich Erlaubtes hinstellte, ist heutzutage schlechterdings
unmöglich.

Wenn aber in dieser Beziehung unsere sittliche Anschauung geläutert er-
scheint und in natürlicher Folge hiervon die Gesetzgebung und Praxis unserer
Tage sich vor der unserer Vorfahren vortheilhaft auszeichnet, so ist darum den¬
noch die theoretische Begründung der Autorrechte -- auch abgesehen von dem
Ausbau im Einzelnen -- keineswegs in der wünschenswerthen Weise klar und
zweifellos. Welche Stellung nimmt im Rechtssysteme der Nachdruck ein? Ist
das Recht der Schriftsteller und Künstler an ihren Werken ein wahres Eigen¬
thum analog dem Grundeigenthume? Constituirt dessen Verletzung durch Nach¬
druck ein wirkliches Vergehen gegen das Eigenthum, und welcher Art müssen


des zweiten Redacteurs, der soeben erfolgte Rücktritt des Dr. Gott schall und
die projectirte Umgestaltung des Blattes zu einer Volkszeitung beweisen zur
Genüge, daß dasselbe über den Standpunkt des Experimentirens noch nicht
hinausgekommen ist. und daß wahrscheinlich der ganze Gewinn, den die Pro¬
vinz von dem Unternehmen hat. in der seitdem eingetretenen tüchtigem Re¬
daction der Posener Zeitung bestehen wird.

Schließlich noch die Bemerkung, daß die Provinz auf viele ihrer deutschen
Kinder mit Stolz sehen darf. Es sind Männer, die sich auf den mannigfachsten
Gebieten des öffentlichen Lebens hervorgethan, durch die Schule der hiesigen
Verhältnisse gegangen. Aus den in hiesiger Provinz geborenen greife ich drei
in ihrem Wirkungskreise sehr verschiedene Männer heraus: den Dichter Otto
Roquette, den berühmten Ethiker Rothe in Heidelberg und den Major Serre.




Die Ewigkeit der Autorrechte.

Seit-der Zeit, wo der große Reformator der Deutschen in seiner derben
Weise auch gegen den Büchernachdruck eiferte, ist zu Gunsten der Rechte der
Schriftsteller und Künstler an ihren Werken Vieles und Erfreuliches geschehen.
Dem Beispiele Sachsens, welches bereits im Jahre 1686 zuerst unter allen
Reichsständen den Nachdruck schlechthin und zwar selbst abgesehen von jedem
besondern Privilegium mit Strafe bedrohte, ist allmählig die Particulargesetz-
gebung auch anderer deutschen Staaten gefolgt. Endlich hat auch der deutsche
Bund durch eine Reihe sich ergänzender, in den einzelnen Staaten publicirter
Beschlüsse eine Art gemeines Recht auf diesem Gebiete geschaffen. Kein Ver¬
ständiger zweifelt jetzt noch daran, daß der Büchernachdruck moralisch und
wirthschaftlich gleich veroammenswerth ist, und ein Rechtsgutachten wie das noch
zu Ende des vorigen Jahrhunderts abgegebene der Jenenser Juristenfacultät,
Welches unter Zustimmung der Facultäten zu Gießen, Helmstädt und Erfurt den
Nachdruck als etwas an sich Erlaubtes hinstellte, ist heutzutage schlechterdings
unmöglich.

Wenn aber in dieser Beziehung unsere sittliche Anschauung geläutert er-
scheint und in natürlicher Folge hiervon die Gesetzgebung und Praxis unserer
Tage sich vor der unserer Vorfahren vortheilhaft auszeichnet, so ist darum den¬
noch die theoretische Begründung der Autorrechte — auch abgesehen von dem
Ausbau im Einzelnen — keineswegs in der wünschenswerthen Weise klar und
zweifellos. Welche Stellung nimmt im Rechtssysteme der Nachdruck ein? Ist
das Recht der Schriftsteller und Künstler an ihren Werken ein wahres Eigen¬
thum analog dem Grundeigenthume? Constituirt dessen Verletzung durch Nach¬
druck ein wirkliches Vergehen gegen das Eigenthum, und welcher Art müssen


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[0279] des zweiten Redacteurs, der soeben erfolgte Rücktritt des Dr. Gott schall und die projectirte Umgestaltung des Blattes zu einer Volkszeitung beweisen zur Genüge, daß dasselbe über den Standpunkt des Experimentirens noch nicht hinausgekommen ist. und daß wahrscheinlich der ganze Gewinn, den die Pro¬ vinz von dem Unternehmen hat. in der seitdem eingetretenen tüchtigem Re¬ daction der Posener Zeitung bestehen wird. Schließlich noch die Bemerkung, daß die Provinz auf viele ihrer deutschen Kinder mit Stolz sehen darf. Es sind Männer, die sich auf den mannigfachsten Gebieten des öffentlichen Lebens hervorgethan, durch die Schule der hiesigen Verhältnisse gegangen. Aus den in hiesiger Provinz geborenen greife ich drei in ihrem Wirkungskreise sehr verschiedene Männer heraus: den Dichter Otto Roquette, den berühmten Ethiker Rothe in Heidelberg und den Major Serre. Die Ewigkeit der Autorrechte. Seit-der Zeit, wo der große Reformator der Deutschen in seiner derben Weise auch gegen den Büchernachdruck eiferte, ist zu Gunsten der Rechte der Schriftsteller und Künstler an ihren Werken Vieles und Erfreuliches geschehen. Dem Beispiele Sachsens, welches bereits im Jahre 1686 zuerst unter allen Reichsständen den Nachdruck schlechthin und zwar selbst abgesehen von jedem besondern Privilegium mit Strafe bedrohte, ist allmählig die Particulargesetz- gebung auch anderer deutschen Staaten gefolgt. Endlich hat auch der deutsche Bund durch eine Reihe sich ergänzender, in den einzelnen Staaten publicirter Beschlüsse eine Art gemeines Recht auf diesem Gebiete geschaffen. Kein Ver¬ ständiger zweifelt jetzt noch daran, daß der Büchernachdruck moralisch und wirthschaftlich gleich veroammenswerth ist, und ein Rechtsgutachten wie das noch zu Ende des vorigen Jahrhunderts abgegebene der Jenenser Juristenfacultät, Welches unter Zustimmung der Facultäten zu Gießen, Helmstädt und Erfurt den Nachdruck als etwas an sich Erlaubtes hinstellte, ist heutzutage schlechterdings unmöglich. Wenn aber in dieser Beziehung unsere sittliche Anschauung geläutert er- scheint und in natürlicher Folge hiervon die Gesetzgebung und Praxis unserer Tage sich vor der unserer Vorfahren vortheilhaft auszeichnet, so ist darum den¬ noch die theoretische Begründung der Autorrechte — auch abgesehen von dem Ausbau im Einzelnen — keineswegs in der wünschenswerthen Weise klar und zweifellos. Welche Stellung nimmt im Rechtssysteme der Nachdruck ein? Ist das Recht der Schriftsteller und Künstler an ihren Werken ein wahres Eigen¬ thum analog dem Grundeigenthume? Constituirt dessen Verletzung durch Nach¬ druck ein wirkliches Vergehen gegen das Eigenthum, und welcher Art müssen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/279>, abgerufen am 30.04.2024.