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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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Lebzeiten Friedrich Wilhelm des Dritten unerfüllt geblieben ist, aber nicht der
Provinz Posen allein, sondern mit ihr der ganzen Monarchie. Für diese Nicht¬
erfüllung haben die beiden ältesten Söhne des verstorbenen Königs schwer gelitten
und sie haben aus freier königlichen Entschließung das väterliche Wort eingelöst.
Wir können also getrost sagen, kommt und sehet, ob die preußische Regierung
den Polen auch nur die kleinste von diesen Zusicherungen unerfüllt gelassen
habe. Am 8. Juni 181S wurde von dem Generallieutenant v. Thumm und
dem Oberpräsidenten v. Zerbvni eine besondere Urkunde über die Besitznahme
des an "Preußen" zurückgefallnen Theils des Herzogthums "Warschau" auf¬
genommen. In dieser hieß es:

"Wir erklären diese Landschaften und Districte für einen Theil der prcuß.
Monarchie und ihre Bewohner für Unterthanen Sr. Majestät des Königs von
Preußen."

Am 3. August 1815 fand sodann die Erbhuldigung Statt. Fürst Radzi-
will hielt vor derselben eine Ansprache. Er preist seine Landsleute glücklich,
daß sie nun einem Staatskörper einverleibt werden, dessen Ruhm
und Macht auf einer weise beschränkten Freiheit, aus einer unparteiischen Ge-
rechtigkeu und einer Alles umfassenden Fürsorge der Regierung beruhe. Er
verweist sie auf die preußischen Anstalten, an denen sie sich bilden könnten, und
schließt-.

"Die Vorzeit endlich hat Euch ein eigenthümliches Gepräge aufgedrückt.
Diese Eigenthümlichkeiten bestehen in Eurer Sprache, in Euren Gewohnheiten
und Euren Sitten. Diese Euch theuren Züge sollt Ihr behalten; denn Ihr
ererbtet sie von Euren Vätern.

Die neue Familie, die Euch unter sich aufnimmt, läßt sie Euch unan¬
getastet. Um so mehr muß die herzliche Innigkeit, mit der Ihr zu dem neuen
Beherrscher übergeht, fortwährend wachsen, weil Ihr Glieder seines Staates
werden kommt, ohne die Merkmale Eures Stammes aufzugeben.

Ihr kennt die Heiligkeit des Eides, kennt die Unverletzlichkeit der Pflichten,
die Ihr durch ihn übernehme, Zu diesem Eide fordere ich Euch jetzt auf.
Gelobet unverbrüchliche Treue dem besten der Könige mit aufrichtigen Herzen,
Verhaltet Euch endlich darnach und glaubet mit Zuversicht, daß des Königs
väterliche Fürsorge niemals von Euch weichen wird."

Darauf haben sie geschworen, Beamte, Geistliche, Rittergutsbesitzer, ohne
Protest, ohne irgend eine Einschränkung, unter einmüthigem Jubel. Die Eides¬
formel war genau die von 1796. Wir geben ihren Wortlaut in einem con-
"eden Beispiel. Das Protokoll über den Eid des gegenwärtigen Erzbischofs
von Posen, des Herrn v. Przylusti, lautete:

Ich Leo Przylusti gelobe und schwöre zu Gott dem Allwissenden und
Allmächtigen einen leiblichen Eid, daß ich dem Allerdurchlauchtigsten, Groß-


Lebzeiten Friedrich Wilhelm des Dritten unerfüllt geblieben ist, aber nicht der
Provinz Posen allein, sondern mit ihr der ganzen Monarchie. Für diese Nicht¬
erfüllung haben die beiden ältesten Söhne des verstorbenen Königs schwer gelitten
und sie haben aus freier königlichen Entschließung das väterliche Wort eingelöst.
Wir können also getrost sagen, kommt und sehet, ob die preußische Regierung
den Polen auch nur die kleinste von diesen Zusicherungen unerfüllt gelassen
habe. Am 8. Juni 181S wurde von dem Generallieutenant v. Thumm und
dem Oberpräsidenten v. Zerbvni eine besondere Urkunde über die Besitznahme
des an „Preußen" zurückgefallnen Theils des Herzogthums „Warschau" auf¬
genommen. In dieser hieß es:

„Wir erklären diese Landschaften und Districte für einen Theil der prcuß.
Monarchie und ihre Bewohner für Unterthanen Sr. Majestät des Königs von
Preußen."

Am 3. August 1815 fand sodann die Erbhuldigung Statt. Fürst Radzi-
will hielt vor derselben eine Ansprache. Er preist seine Landsleute glücklich,
daß sie nun einem Staatskörper einverleibt werden, dessen Ruhm
und Macht auf einer weise beschränkten Freiheit, aus einer unparteiischen Ge-
rechtigkeu und einer Alles umfassenden Fürsorge der Regierung beruhe. Er
verweist sie auf die preußischen Anstalten, an denen sie sich bilden könnten, und
schließt-.

„Die Vorzeit endlich hat Euch ein eigenthümliches Gepräge aufgedrückt.
Diese Eigenthümlichkeiten bestehen in Eurer Sprache, in Euren Gewohnheiten
und Euren Sitten. Diese Euch theuren Züge sollt Ihr behalten; denn Ihr
ererbtet sie von Euren Vätern.

Die neue Familie, die Euch unter sich aufnimmt, läßt sie Euch unan¬
getastet. Um so mehr muß die herzliche Innigkeit, mit der Ihr zu dem neuen
Beherrscher übergeht, fortwährend wachsen, weil Ihr Glieder seines Staates
werden kommt, ohne die Merkmale Eures Stammes aufzugeben.

Ihr kennt die Heiligkeit des Eides, kennt die Unverletzlichkeit der Pflichten,
die Ihr durch ihn übernehme, Zu diesem Eide fordere ich Euch jetzt auf.
Gelobet unverbrüchliche Treue dem besten der Könige mit aufrichtigen Herzen,
Verhaltet Euch endlich darnach und glaubet mit Zuversicht, daß des Königs
väterliche Fürsorge niemals von Euch weichen wird."

Darauf haben sie geschworen, Beamte, Geistliche, Rittergutsbesitzer, ohne
Protest, ohne irgend eine Einschränkung, unter einmüthigem Jubel. Die Eides¬
formel war genau die von 1796. Wir geben ihren Wortlaut in einem con-
"eden Beispiel. Das Protokoll über den Eid des gegenwärtigen Erzbischofs
von Posen, des Herrn v. Przylusti, lautete:

Ich Leo Przylusti gelobe und schwöre zu Gott dem Allwissenden und
Allmächtigen einen leiblichen Eid, daß ich dem Allerdurchlauchtigsten, Groß-


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[0375] Lebzeiten Friedrich Wilhelm des Dritten unerfüllt geblieben ist, aber nicht der Provinz Posen allein, sondern mit ihr der ganzen Monarchie. Für diese Nicht¬ erfüllung haben die beiden ältesten Söhne des verstorbenen Königs schwer gelitten und sie haben aus freier königlichen Entschließung das väterliche Wort eingelöst. Wir können also getrost sagen, kommt und sehet, ob die preußische Regierung den Polen auch nur die kleinste von diesen Zusicherungen unerfüllt gelassen habe. Am 8. Juni 181S wurde von dem Generallieutenant v. Thumm und dem Oberpräsidenten v. Zerbvni eine besondere Urkunde über die Besitznahme des an „Preußen" zurückgefallnen Theils des Herzogthums „Warschau" auf¬ genommen. In dieser hieß es: „Wir erklären diese Landschaften und Districte für einen Theil der prcuß. Monarchie und ihre Bewohner für Unterthanen Sr. Majestät des Königs von Preußen." Am 3. August 1815 fand sodann die Erbhuldigung Statt. Fürst Radzi- will hielt vor derselben eine Ansprache. Er preist seine Landsleute glücklich, daß sie nun einem Staatskörper einverleibt werden, dessen Ruhm und Macht auf einer weise beschränkten Freiheit, aus einer unparteiischen Ge- rechtigkeu und einer Alles umfassenden Fürsorge der Regierung beruhe. Er verweist sie auf die preußischen Anstalten, an denen sie sich bilden könnten, und schließt-. „Die Vorzeit endlich hat Euch ein eigenthümliches Gepräge aufgedrückt. Diese Eigenthümlichkeiten bestehen in Eurer Sprache, in Euren Gewohnheiten und Euren Sitten. Diese Euch theuren Züge sollt Ihr behalten; denn Ihr ererbtet sie von Euren Vätern. Die neue Familie, die Euch unter sich aufnimmt, läßt sie Euch unan¬ getastet. Um so mehr muß die herzliche Innigkeit, mit der Ihr zu dem neuen Beherrscher übergeht, fortwährend wachsen, weil Ihr Glieder seines Staates werden kommt, ohne die Merkmale Eures Stammes aufzugeben. Ihr kennt die Heiligkeit des Eides, kennt die Unverletzlichkeit der Pflichten, die Ihr durch ihn übernehme, Zu diesem Eide fordere ich Euch jetzt auf. Gelobet unverbrüchliche Treue dem besten der Könige mit aufrichtigen Herzen, Verhaltet Euch endlich darnach und glaubet mit Zuversicht, daß des Königs väterliche Fürsorge niemals von Euch weichen wird." Darauf haben sie geschworen, Beamte, Geistliche, Rittergutsbesitzer, ohne Protest, ohne irgend eine Einschränkung, unter einmüthigem Jubel. Die Eides¬ formel war genau die von 1796. Wir geben ihren Wortlaut in einem con- "eden Beispiel. Das Protokoll über den Eid des gegenwärtigen Erzbischofs von Posen, des Herrn v. Przylusti, lautete: Ich Leo Przylusti gelobe und schwöre zu Gott dem Allwissenden und Allmächtigen einen leiblichen Eid, daß ich dem Allerdurchlauchtigsten, Groß-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/375>, abgerufen am 29.05.2024.