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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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einandergcstellt, um die in den Burnus des Finanzministeriums sitzenden Se-
cretärc vor dem Ueberlausenwerden durch die Kongreßmitglieder zu schützen.
Trvliope mag dies nickt unterschreiben, zweifelt aber nicht an der Thatsache,
daß sowohl Senatoren als Repräsentanten jenen hohen Beamten sehr fleißig
Besuche machen, und daß es sich dabei vorzugsweise um Begünstigungen
handelt.

Die Strecke der Pennsylvania-Avenue. welche man hier durchschneidet, rst
die Gegend der schönsten Läden in Washington, das heißt die besuchte Seite
der Straße, die rechte, wenn man vom Capitol kommt. Bon der andern
scheint die Welt nichts zu wissen, und die Läden sind selbst auf jener schlecht
und theuer, was beiläufig auch von den Gasthöfen gilt. Wiilards Hotel ist
das vornehmste, aber das unablässige Drängen und Treiben von Menschen in
den Sälen und Gängen des Hauses verheißt weder Bequemlichkeit noch Ruhe.
Aehnlich verhält sichs mit dem zweitgrößten, dem National-Hotel.

Das erstere, in dessen großem Speisesaal täglich dritthalbtausend Gäste
essen, war bei Russells Anwesenheit gedrängt voll Stellenjäger, die buchstäblich
nach Tausenden zählten, und die Gier, mit der diese Menschenclasse der Fährte
nach einem Amt folgte, drückte sich oft sehr grotesk aus. Sobald ein Senater
>n der großen Halle des Hotels erschien, stürzte sich sofort ein Befördcrungs.
hungriger auf ihn, oder ein ganzes Nudel von Patrioten drängte sich, ihn
beim Knopfloch zu nehmen und ihm ein Wort im Vertrauen ins Ohr zu flü¬
stern. Die widerlichen Kerle zankten sich dann kläffend um ihn. wie eine
Schaar Hunde um einen Knochen. In der Barbierstube setzte eine Glasthür
die dort Verweilenden in den Stand, zusehen, was in der großen Halle vor¬
ging, und bei einer Gelegenheit, als Russell sich eben die Haare machen ließ,
fuhr plötzlich neben ihm ein gut eingeseifter Politiker von seinem Stuhl auf
und durch d>e Glasthür in die Halle, wo er laut ausrief: "He. Senator, Se¬
nator, salto!" Aber der Senator entwischte glücklich dem Verfolger, und die¬
ser lehne nut den Seifentlexcn im Gesicht und der Serviette unterm Kinn be¬
trübt auf seinen Sitz zurück. Ein anderer Herr, der ebenfalls von edler
Begeisterung seinem Vaterlande zu dienen glühte, gelangte zwar daym, seinen
Wunsch bei einem einflußreichen Manne anzubringen, mußte aber seine Ansprüche
immer mehr hcrabstimmen. Nachdem sein Verlangen nach einer Richterstelle
sür unerfüllbar erklärt worden, ließ er sich herab, um einen Secreiärposten bei
^r Post zu bitten, und als auch dieser-nicht zu haben, pctitionirlc er um das
Amt eines LcucktthurmwärlerS, "gleichviel wo".

Willards Hotel hat zwischen zwei- und dreitausend Betten und eine so
wcuuügfaltige Speisekarte, daß ein separates Frühstück für einen Mann von
einfachen Gewohnheiten aus "schwarzem Thee mit Zwieback, Eiern auf Butter,
huschen Eisen, einer wilden Taube, Schweinsfüßen, zwei gebratenen Nothkehlchen.


einandergcstellt, um die in den Burnus des Finanzministeriums sitzenden Se-
cretärc vor dem Ueberlausenwerden durch die Kongreßmitglieder zu schützen.
Trvliope mag dies nickt unterschreiben, zweifelt aber nicht an der Thatsache,
daß sowohl Senatoren als Repräsentanten jenen hohen Beamten sehr fleißig
Besuche machen, und daß es sich dabei vorzugsweise um Begünstigungen
handelt.

Die Strecke der Pennsylvania-Avenue. welche man hier durchschneidet, rst
die Gegend der schönsten Läden in Washington, das heißt die besuchte Seite
der Straße, die rechte, wenn man vom Capitol kommt. Bon der andern
scheint die Welt nichts zu wissen, und die Läden sind selbst auf jener schlecht
und theuer, was beiläufig auch von den Gasthöfen gilt. Wiilards Hotel ist
das vornehmste, aber das unablässige Drängen und Treiben von Menschen in
den Sälen und Gängen des Hauses verheißt weder Bequemlichkeit noch Ruhe.
Aehnlich verhält sichs mit dem zweitgrößten, dem National-Hotel.

Das erstere, in dessen großem Speisesaal täglich dritthalbtausend Gäste
essen, war bei Russells Anwesenheit gedrängt voll Stellenjäger, die buchstäblich
nach Tausenden zählten, und die Gier, mit der diese Menschenclasse der Fährte
nach einem Amt folgte, drückte sich oft sehr grotesk aus. Sobald ein Senater
>n der großen Halle des Hotels erschien, stürzte sich sofort ein Befördcrungs.
hungriger auf ihn, oder ein ganzes Nudel von Patrioten drängte sich, ihn
beim Knopfloch zu nehmen und ihm ein Wort im Vertrauen ins Ohr zu flü¬
stern. Die widerlichen Kerle zankten sich dann kläffend um ihn. wie eine
Schaar Hunde um einen Knochen. In der Barbierstube setzte eine Glasthür
die dort Verweilenden in den Stand, zusehen, was in der großen Halle vor¬
ging, und bei einer Gelegenheit, als Russell sich eben die Haare machen ließ,
fuhr plötzlich neben ihm ein gut eingeseifter Politiker von seinem Stuhl auf
und durch d>e Glasthür in die Halle, wo er laut ausrief: „He. Senator, Se¬
nator, salto!" Aber der Senator entwischte glücklich dem Verfolger, und die¬
ser lehne nut den Seifentlexcn im Gesicht und der Serviette unterm Kinn be¬
trübt auf seinen Sitz zurück. Ein anderer Herr, der ebenfalls von edler
Begeisterung seinem Vaterlande zu dienen glühte, gelangte zwar daym, seinen
Wunsch bei einem einflußreichen Manne anzubringen, mußte aber seine Ansprüche
immer mehr hcrabstimmen. Nachdem sein Verlangen nach einer Richterstelle
sür unerfüllbar erklärt worden, ließ er sich herab, um einen Secreiärposten bei
^r Post zu bitten, und als auch dieser-nicht zu haben, pctitionirlc er um das
Amt eines LcucktthurmwärlerS, „gleichviel wo".

Willards Hotel hat zwischen zwei- und dreitausend Betten und eine so
wcuuügfaltige Speisekarte, daß ein separates Frühstück für einen Mann von
einfachen Gewohnheiten aus „schwarzem Thee mit Zwieback, Eiern auf Butter,
huschen Eisen, einer wilden Taube, Schweinsfüßen, zwei gebratenen Nothkehlchen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/415>, abgerufen am 29.05.2024.