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Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band.

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sandten zu ernennen, die bereit seien, einem fremden Könige bei passender
Gelegenheit das Stück Papier, worauf ein politischer Plan steht, aus der
Tasche zu stehlen, und er macht sich klar, daß man, wenn Alles nichts hilft,
politische Aerzte und Schlosser verwenden müssen.

Und dieses Buch soll vom König überdies noch ausschließlich zum Unter¬
richt seines Neffen und Thronfolgers bestimmt gewesen sein!

Friedrich hat es mit der Erziehung desselben ernst genommen. Er ließ den
jungen Prinzen schon in seinem sechzehnten Lebensjahre zu sich ins Lager kom¬
men, und behielt ihn, so lästig die Begleitung des Knaben sein mochte, während
des Feldzugs von 1762 an seiner Seite, er hat ihn nachher durch ernste Män¬
ner in der Staatswirthschaft und andern Wissenschaften unterrichten lassen

Zu Anfang des Jahres 176S, wo die NMn6<ZL spätestens geschrieben
wurden, war der Prinz neunzehn Jahre alt. Jetzt, so stellt sich der neueste
Herausgeber die Sache vor, soll er in die geheimsten politischen Gedanken
des Königs eingeweiht werden, die arcana imperü empfangen.

Was erfährt er? ein Wenig über Politik, außerdem, was den jungen
Mann mehr interessirt haben wird, daß er seine Perücke nicht zu kämmen
braucht, daß sein Oheim sich einem infamirenden Laster hingibt, und Zoten, von
denen eine so widerlich ist, daß der englische Herausgeber, der kein Bedenken
hat, all diesen Schmutz ohne Beweis und gegen alle Vernunft auf Friedrich
den Großen zu werfen, zu prüde ist, sie dem Papier zu übergeben.

Es gibt vielleicht noch einen andern Gesichtspunkt, von dem aus wir mit
den Gegnern Friedrichs über die Autorschaft der NÄtin^es sprechen können.

Wenn Alles, was der König außer den NatinöLS geschrieben hat, er¬
heuchelt ist, so wird er doch den Grundsätzen der NiMnöös gemäß gehan¬
delt haben. Wenn die Uf-tinsös von Friedrich und zugleich seine wahr¬
haftigen Selbstbekenntnisse sind, so werden wir seine Persönlichkeit in ihnen rich¬
tig wiedergegeben finden, wir werden ferner annehmen dürfen, daß der König
die ihm bekannten Thatsachen seines Lebens hier richtig erzählt, und daß er
seinem Neffen gegenüber als König von Preußen, nicht aber, als wenn er
König von Frankreich wäre, sprechen wird.

Wie erscheint denn in diesem Buche Friedrichs Persönlichkeit?

Die NktiuüW wollen den König als einen Mann erscheinen lassen, d"
ohne literarisches Interesse nur die Absicht hat, sich von den Literaten loben zu
lassen und indem er Gott dankt, daß man ihn für einen Schriftsteller hält,
die Literatur als ein Handwerk betrachtet, das ihn von Beschäftigungen, die des
Thrones würdig seien, entfremde. "Ich schreibe daher nur, wenn ich nichts
Besseres zu thun weiß."¬

Die 28 Bände, in denen des Königs schriftstellerischen Arbeiten jetzt vor
liegen, geben darüber Ausschluß. Die geistige Production war ihm ein Lebens'


sandten zu ernennen, die bereit seien, einem fremden Könige bei passender
Gelegenheit das Stück Papier, worauf ein politischer Plan steht, aus der
Tasche zu stehlen, und er macht sich klar, daß man, wenn Alles nichts hilft,
politische Aerzte und Schlosser verwenden müssen.

Und dieses Buch soll vom König überdies noch ausschließlich zum Unter¬
richt seines Neffen und Thronfolgers bestimmt gewesen sein!

Friedrich hat es mit der Erziehung desselben ernst genommen. Er ließ den
jungen Prinzen schon in seinem sechzehnten Lebensjahre zu sich ins Lager kom¬
men, und behielt ihn, so lästig die Begleitung des Knaben sein mochte, während
des Feldzugs von 1762 an seiner Seite, er hat ihn nachher durch ernste Män¬
ner in der Staatswirthschaft und andern Wissenschaften unterrichten lassen

Zu Anfang des Jahres 176S, wo die NMn6<ZL spätestens geschrieben
wurden, war der Prinz neunzehn Jahre alt. Jetzt, so stellt sich der neueste
Herausgeber die Sache vor, soll er in die geheimsten politischen Gedanken
des Königs eingeweiht werden, die arcana imperü empfangen.

Was erfährt er? ein Wenig über Politik, außerdem, was den jungen
Mann mehr interessirt haben wird, daß er seine Perücke nicht zu kämmen
braucht, daß sein Oheim sich einem infamirenden Laster hingibt, und Zoten, von
denen eine so widerlich ist, daß der englische Herausgeber, der kein Bedenken
hat, all diesen Schmutz ohne Beweis und gegen alle Vernunft auf Friedrich
den Großen zu werfen, zu prüde ist, sie dem Papier zu übergeben.

Es gibt vielleicht noch einen andern Gesichtspunkt, von dem aus wir mit
den Gegnern Friedrichs über die Autorschaft der NÄtin^es sprechen können.

Wenn Alles, was der König außer den NatinöLS geschrieben hat, er¬
heuchelt ist, so wird er doch den Grundsätzen der NiMnöös gemäß gehan¬
delt haben. Wenn die Uf-tinsös von Friedrich und zugleich seine wahr¬
haftigen Selbstbekenntnisse sind, so werden wir seine Persönlichkeit in ihnen rich¬
tig wiedergegeben finden, wir werden ferner annehmen dürfen, daß der König
die ihm bekannten Thatsachen seines Lebens hier richtig erzählt, und daß er
seinem Neffen gegenüber als König von Preußen, nicht aber, als wenn er
König von Frankreich wäre, sprechen wird.

Wie erscheint denn in diesem Buche Friedrichs Persönlichkeit?

Die NktiuüW wollen den König als einen Mann erscheinen lassen, d"
ohne literarisches Interesse nur die Absicht hat, sich von den Literaten loben zu
lassen und indem er Gott dankt, daß man ihn für einen Schriftsteller hält,
die Literatur als ein Handwerk betrachtet, das ihn von Beschäftigungen, die des
Thrones würdig seien, entfremde. „Ich schreibe daher nur, wenn ich nichts
Besseres zu thun weiß."¬

Die 28 Bände, in denen des Königs schriftstellerischen Arbeiten jetzt vor
liegen, geben darüber Ausschluß. Die geistige Production war ihm ein Lebens'


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[0512] sandten zu ernennen, die bereit seien, einem fremden Könige bei passender Gelegenheit das Stück Papier, worauf ein politischer Plan steht, aus der Tasche zu stehlen, und er macht sich klar, daß man, wenn Alles nichts hilft, politische Aerzte und Schlosser verwenden müssen. Und dieses Buch soll vom König überdies noch ausschließlich zum Unter¬ richt seines Neffen und Thronfolgers bestimmt gewesen sein! Friedrich hat es mit der Erziehung desselben ernst genommen. Er ließ den jungen Prinzen schon in seinem sechzehnten Lebensjahre zu sich ins Lager kom¬ men, und behielt ihn, so lästig die Begleitung des Knaben sein mochte, während des Feldzugs von 1762 an seiner Seite, er hat ihn nachher durch ernste Män¬ ner in der Staatswirthschaft und andern Wissenschaften unterrichten lassen Zu Anfang des Jahres 176S, wo die NMn6<ZL spätestens geschrieben wurden, war der Prinz neunzehn Jahre alt. Jetzt, so stellt sich der neueste Herausgeber die Sache vor, soll er in die geheimsten politischen Gedanken des Königs eingeweiht werden, die arcana imperü empfangen. Was erfährt er? ein Wenig über Politik, außerdem, was den jungen Mann mehr interessirt haben wird, daß er seine Perücke nicht zu kämmen braucht, daß sein Oheim sich einem infamirenden Laster hingibt, und Zoten, von denen eine so widerlich ist, daß der englische Herausgeber, der kein Bedenken hat, all diesen Schmutz ohne Beweis und gegen alle Vernunft auf Friedrich den Großen zu werfen, zu prüde ist, sie dem Papier zu übergeben. Es gibt vielleicht noch einen andern Gesichtspunkt, von dem aus wir mit den Gegnern Friedrichs über die Autorschaft der NÄtin^es sprechen können. Wenn Alles, was der König außer den NatinöLS geschrieben hat, er¬ heuchelt ist, so wird er doch den Grundsätzen der NiMnöös gemäß gehan¬ delt haben. Wenn die Uf-tinsös von Friedrich und zugleich seine wahr¬ haftigen Selbstbekenntnisse sind, so werden wir seine Persönlichkeit in ihnen rich¬ tig wiedergegeben finden, wir werden ferner annehmen dürfen, daß der König die ihm bekannten Thatsachen seines Lebens hier richtig erzählt, und daß er seinem Neffen gegenüber als König von Preußen, nicht aber, als wenn er König von Frankreich wäre, sprechen wird. Wie erscheint denn in diesem Buche Friedrichs Persönlichkeit? Die NktiuüW wollen den König als einen Mann erscheinen lassen, d" ohne literarisches Interesse nur die Absicht hat, sich von den Literaten loben zu lassen und indem er Gott dankt, daß man ihn für einen Schriftsteller hält, die Literatur als ein Handwerk betrachtet, das ihn von Beschäftigungen, die des Thrones würdig seien, entfremde. „Ich schreibe daher nur, wenn ich nichts Besseres zu thun weiß."¬ Die 28 Bände, in denen des Königs schriftstellerischen Arbeiten jetzt vor liegen, geben darüber Ausschluß. Die geistige Production war ihm ein Lebens'

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 22, 1863, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341797_187493/512>, abgerufen am 14.05.2024.