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Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band.

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ni>de ganz wie ausgebrannte Vulkane in sich zusammengefallen sind. Es wird
geschätzt, was man an Raum gewonnen und verloren hat und wie es mit der
Sicherheit des Rückens steht; es ziehen sich diese Resultate mit den einzelnen
Eindrücken von Muth und Feigheit, Klugheit und Dummheit, die man bei sich
und seinen Gegnern wahrgenommen zu haben glaubt, in einen einzigen Haupt¬
eindruck zusammen, aus welchem dann der Entschluß entspringt, das Schlachtfeld
zu räumen, oder das Gefecht am andern Morgen zu erneuern."

Das Facii aus den Zahlen der Verluste und aus dem Barometerstände
des moralischen Elements bestimmen l5as nächste Resultat der Schlacht. Glän¬
zend ist- das Resultat, wenn die ganze feindliche Armee einem ausgebrannten
Vulkane gleicht und es nur noch einer kräftigen Verfolgung bedarf, um die
Auflösung des Ganzen zu bewirte", die schließlich den Frieden bringt. Fördern
kann man die Auflösung, wenn man den ersten Erfolgen schon die Richtung
auf die feindliche Rückzugslinie giebt und am Ende der Schlacht auf derselben
steht, oder wenn man die Vernichtung der feindlichen Elitetruppen besonders
gründlich betreibt u. tgi. -- Alles dies sind Mittel, wie man sie zu allen
Zeiten angewandt hat.

Wenn wir uns also fragen, wie wird sich das Gefecht mit den gezogenen
Schußwaffen von der frühern Gefechtsführung unterscheiden, so müssen wir
antworten: nur dadurch, daß das Tödten jetzt schon auf weitere Entfernung und
kunstgemäßer stattfindet als früher; Gang und Ziele des Gefechts müssen die¬
selben sein. Factisch finden wir die Schlachten der Neuzeit nicht ganz dem
obigen Muster angepaßt, das liegt aber nicht daran, daß die Kunst eine andere
geworden ist, sondern daran, daß die Künstler andere sind. Es ist ähnlich wie
in der Musik, wo die Technik der Instrumente sich nach allen Richtungen ent¬
wickelt hat, die Handhabung der Instrumente etwas künstlicher geworden ist,
die Gesetze der Kunst in ihrer Ausführung aber dieselben geblieben sind. Unsere
heutige Gefechtsführung gleicht ziemlich der Zukunftsmusik mit ihrem bunten
Turcheinander, zuerst etwa ein zartes Gesäusel der Saiteninstrumente, dann
quälen sich die Trompeten, dazwischen brummt der Baß, erschallen die Pauken,
endlich wüthen alle Instrumente, es entsteht ein furchtbarer Lärm, der manchmal
den Anstrich von Musik hat, aber am Schlüsse haben wir die Empfindung, daß
das Ganze trotz allem Spectcckel wenig war. Der alte Meister Napoleon suchte
sich seinen Gegner zu stellen und wenn er ihm gegenüberstand hing er sich an
ihn und rang mit ihm, bis er ihn unter zwang, dabei war er so kunstgeübt,
daß er in jedem seiner Glieder das Tastvermögen hatte, die Stärken und
Schwächen genau erkannte und demgemäß seine eignen Kräfte disponirte, um
den Gegner so zu Falle zu bringen, daß er womöglich nicht wieder aufstand.
Wir meinen also, daß Napoleon bereits in der Dannewertstellung zum Gefecht
gekommen sein würde und daß wenn er glaubte durch eine Umgehung allein


ni>de ganz wie ausgebrannte Vulkane in sich zusammengefallen sind. Es wird
geschätzt, was man an Raum gewonnen und verloren hat und wie es mit der
Sicherheit des Rückens steht; es ziehen sich diese Resultate mit den einzelnen
Eindrücken von Muth und Feigheit, Klugheit und Dummheit, die man bei sich
und seinen Gegnern wahrgenommen zu haben glaubt, in einen einzigen Haupt¬
eindruck zusammen, aus welchem dann der Entschluß entspringt, das Schlachtfeld
zu räumen, oder das Gefecht am andern Morgen zu erneuern."

Das Facii aus den Zahlen der Verluste und aus dem Barometerstände
des moralischen Elements bestimmen l5as nächste Resultat der Schlacht. Glän¬
zend ist- das Resultat, wenn die ganze feindliche Armee einem ausgebrannten
Vulkane gleicht und es nur noch einer kräftigen Verfolgung bedarf, um die
Auflösung des Ganzen zu bewirte», die schließlich den Frieden bringt. Fördern
kann man die Auflösung, wenn man den ersten Erfolgen schon die Richtung
auf die feindliche Rückzugslinie giebt und am Ende der Schlacht auf derselben
steht, oder wenn man die Vernichtung der feindlichen Elitetruppen besonders
gründlich betreibt u. tgi. — Alles dies sind Mittel, wie man sie zu allen
Zeiten angewandt hat.

Wenn wir uns also fragen, wie wird sich das Gefecht mit den gezogenen
Schußwaffen von der frühern Gefechtsführung unterscheiden, so müssen wir
antworten: nur dadurch, daß das Tödten jetzt schon auf weitere Entfernung und
kunstgemäßer stattfindet als früher; Gang und Ziele des Gefechts müssen die¬
selben sein. Factisch finden wir die Schlachten der Neuzeit nicht ganz dem
obigen Muster angepaßt, das liegt aber nicht daran, daß die Kunst eine andere
geworden ist, sondern daran, daß die Künstler andere sind. Es ist ähnlich wie
in der Musik, wo die Technik der Instrumente sich nach allen Richtungen ent¬
wickelt hat, die Handhabung der Instrumente etwas künstlicher geworden ist,
die Gesetze der Kunst in ihrer Ausführung aber dieselben geblieben sind. Unsere
heutige Gefechtsführung gleicht ziemlich der Zukunftsmusik mit ihrem bunten
Turcheinander, zuerst etwa ein zartes Gesäusel der Saiteninstrumente, dann
quälen sich die Trompeten, dazwischen brummt der Baß, erschallen die Pauken,
endlich wüthen alle Instrumente, es entsteht ein furchtbarer Lärm, der manchmal
den Anstrich von Musik hat, aber am Schlüsse haben wir die Empfindung, daß
das Ganze trotz allem Spectcckel wenig war. Der alte Meister Napoleon suchte
sich seinen Gegner zu stellen und wenn er ihm gegenüberstand hing er sich an
ihn und rang mit ihm, bis er ihn unter zwang, dabei war er so kunstgeübt,
daß er in jedem seiner Glieder das Tastvermögen hatte, die Stärken und
Schwächen genau erkannte und demgemäß seine eignen Kräfte disponirte, um
den Gegner so zu Falle zu bringen, daß er womöglich nicht wieder aufstand.
Wir meinen also, daß Napoleon bereits in der Dannewertstellung zum Gefecht
gekommen sein würde und daß wenn er glaubte durch eine Umgehung allein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_188560/80>, abgerufen am 10.06.2024.