Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

neralstaaten, ihres Friedens froh, mit Gewehr beim Fuß der französischen
Invasion zu.

Unter diesen Umständen war Nachgeben Nothwendigkeit. Gegen Ende
Juni war der furchtbar schwere Entschluß gefaßt. "Nicht der König von
Frankreich ist es, der mich zum Frieden zwingt" --- so äußerte sich der Kurfürst
zu Buch -- "sondern der Kaiser, das Reich und meine eigenen Verwandten
und Alliirten; sie werden indessen einst bereuen, wozu sie mich gedrängt haben,
und ihr Verlust wird ebenso groß sein wie der meinige. Ihre Eifersucht ist
die Ursache dieses Friedens, sie wird ihnen, sei es noch so spät, doch einst
vom Könige von Frankreich bezahlt werden!" Er deutete in richtiger Ahnung
auf die Zukunft. Man weiß, wie Frankreich nach hundert Jahren durch Na¬
poleon jenen Wechsel auf gute Gegendienste bezahlt hat.

Die Räuber hielten einander besser Wort. Im August wurde auch der
Friede mit Schweden geschlossen. Graf Königsmark hatte schwarz gesehen, als
er aus Stralsund mit den Worten schied, nun sei Pommern für alle Zeit seinem
Herrn entrissen. Er erhielt es wieder zum Lohn dafür, daß er den un¬
glücklichsten und zugleich den schändlichsten Krieg angefangen.

niederschlagender als je hatte Brandenburg erfahren, wie gefährlich ihm
selbst die scheinbar natürlichsten Bündnisse sein können, insbesondere aber, wessen
man in Wien sähig sei. Jetzt hatte man, alter Traditionen ungeachtet, ihm
zum Schaden die Schweden wieder aufkommen lassen in Deutschland. -- Der große
Kurfürst, hierin verschieden vom Urenkel, zog vor, klug zu weichen, statt den
Bogen zu überspannen. Er fühlte sittliche Macht genug in sich, um entsagen
zu können in einer Angelegenheit, in der er die größten Erfolge so redlich und
mit Daransetzung seiner vollen Manneskraft verdient hatte. Hinfort war er und
sein Haus auf noch rücksichtslosere Interessenpolitik hingewiesen. Hierfür ward es
bedeutsam, daß im preußischen Kriege der Gewinn der Souveränetät im Herzog¬
tum behauptet war.

Auch nach anderer Seite konnte das Resultat nicht blos ein negatives ge¬
nannt werden. War auch die große Arbeit schließlich nur ein Exercitium ge¬
wesen, so hatte es doch gedient, den Namen Brandenburgs gefürchtet zu machen,
denn in ihm war jene eiserne Armee geschmiedet, die keine Aufgabe zu
scheuen brauchte. Sie war in den letzten Jahren immer mehr zu dem ge¬
worden, wozu der große Kurfürst sie machen wollte: zu einem nationalen Heere.
Niemals wieder ist es völlig auseinandergegangen. Es wurde stehender Bestandtheil
des Staates und dessen vornehmste Stütze. Daß Friedrich Wilhelm sie beim schlim¬
men Ausgange der glorreichen Zeit vor der Gefahr behütete, im Verzweiflungs¬
kampfe wieder zerstört zu werden, war weise. Der Boden, den diese Soldaten
auf solche Art mit ihrem Blute gezeichnet hatten, konnte ohnehin den Fremden nicht
lange mehr bleiben, und hätten sie ihn zehnmal von Frankreichs Gnade zurück-


Grenzboten IV. 1864. 60

neralstaaten, ihres Friedens froh, mit Gewehr beim Fuß der französischen
Invasion zu.

Unter diesen Umständen war Nachgeben Nothwendigkeit. Gegen Ende
Juni war der furchtbar schwere Entschluß gefaßt. „Nicht der König von
Frankreich ist es, der mich zum Frieden zwingt" -— so äußerte sich der Kurfürst
zu Buch — „sondern der Kaiser, das Reich und meine eigenen Verwandten
und Alliirten; sie werden indessen einst bereuen, wozu sie mich gedrängt haben,
und ihr Verlust wird ebenso groß sein wie der meinige. Ihre Eifersucht ist
die Ursache dieses Friedens, sie wird ihnen, sei es noch so spät, doch einst
vom Könige von Frankreich bezahlt werden!" Er deutete in richtiger Ahnung
auf die Zukunft. Man weiß, wie Frankreich nach hundert Jahren durch Na¬
poleon jenen Wechsel auf gute Gegendienste bezahlt hat.

Die Räuber hielten einander besser Wort. Im August wurde auch der
Friede mit Schweden geschlossen. Graf Königsmark hatte schwarz gesehen, als
er aus Stralsund mit den Worten schied, nun sei Pommern für alle Zeit seinem
Herrn entrissen. Er erhielt es wieder zum Lohn dafür, daß er den un¬
glücklichsten und zugleich den schändlichsten Krieg angefangen.

niederschlagender als je hatte Brandenburg erfahren, wie gefährlich ihm
selbst die scheinbar natürlichsten Bündnisse sein können, insbesondere aber, wessen
man in Wien sähig sei. Jetzt hatte man, alter Traditionen ungeachtet, ihm
zum Schaden die Schweden wieder aufkommen lassen in Deutschland. — Der große
Kurfürst, hierin verschieden vom Urenkel, zog vor, klug zu weichen, statt den
Bogen zu überspannen. Er fühlte sittliche Macht genug in sich, um entsagen
zu können in einer Angelegenheit, in der er die größten Erfolge so redlich und
mit Daransetzung seiner vollen Manneskraft verdient hatte. Hinfort war er und
sein Haus auf noch rücksichtslosere Interessenpolitik hingewiesen. Hierfür ward es
bedeutsam, daß im preußischen Kriege der Gewinn der Souveränetät im Herzog¬
tum behauptet war.

Auch nach anderer Seite konnte das Resultat nicht blos ein negatives ge¬
nannt werden. War auch die große Arbeit schließlich nur ein Exercitium ge¬
wesen, so hatte es doch gedient, den Namen Brandenburgs gefürchtet zu machen,
denn in ihm war jene eiserne Armee geschmiedet, die keine Aufgabe zu
scheuen brauchte. Sie war in den letzten Jahren immer mehr zu dem ge¬
worden, wozu der große Kurfürst sie machen wollte: zu einem nationalen Heere.
Niemals wieder ist es völlig auseinandergegangen. Es wurde stehender Bestandtheil
des Staates und dessen vornehmste Stütze. Daß Friedrich Wilhelm sie beim schlim¬
men Ausgange der glorreichen Zeit vor der Gefahr behütete, im Verzweiflungs¬
kampfe wieder zerstört zu werden, war weise. Der Boden, den diese Soldaten
auf solche Art mit ihrem Blute gezeichnet hatten, konnte ohnehin den Fremden nicht
lange mehr bleiben, und hätten sie ihn zehnmal von Frankreichs Gnade zurück-


Grenzboten IV. 1864. 60
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0477" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/190101"/>
          <p xml:id="ID_1597" prev="#ID_1596"> neralstaaten, ihres Friedens froh, mit Gewehr beim Fuß der französischen<lb/>
Invasion zu.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1598"> Unter diesen Umständen war Nachgeben Nothwendigkeit. Gegen Ende<lb/>
Juni war der furchtbar schwere Entschluß gefaßt. &#x201E;Nicht der König von<lb/>
Frankreich ist es, der mich zum Frieden zwingt" -&#x2014; so äußerte sich der Kurfürst<lb/>
zu Buch &#x2014; &#x201E;sondern der Kaiser, das Reich und meine eigenen Verwandten<lb/>
und Alliirten; sie werden indessen einst bereuen, wozu sie mich gedrängt haben,<lb/>
und ihr Verlust wird ebenso groß sein wie der meinige. Ihre Eifersucht ist<lb/>
die Ursache dieses Friedens, sie wird ihnen, sei es noch so spät, doch einst<lb/>
vom Könige von Frankreich bezahlt werden!" Er deutete in richtiger Ahnung<lb/>
auf die Zukunft. Man weiß, wie Frankreich nach hundert Jahren durch Na¬<lb/>
poleon jenen Wechsel auf gute Gegendienste bezahlt hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1599"> Die Räuber hielten einander besser Wort. Im August wurde auch der<lb/>
Friede mit Schweden geschlossen. Graf Königsmark hatte schwarz gesehen, als<lb/>
er aus Stralsund mit den Worten schied, nun sei Pommern für alle Zeit seinem<lb/>
Herrn entrissen. Er erhielt es wieder zum Lohn dafür, daß er den un¬<lb/>
glücklichsten und zugleich den schändlichsten Krieg angefangen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1600"> niederschlagender als je hatte Brandenburg erfahren, wie gefährlich ihm<lb/>
selbst die scheinbar natürlichsten Bündnisse sein können, insbesondere aber, wessen<lb/>
man in Wien sähig sei. Jetzt hatte man, alter Traditionen ungeachtet, ihm<lb/>
zum Schaden die Schweden wieder aufkommen lassen in Deutschland. &#x2014; Der große<lb/>
Kurfürst, hierin verschieden vom Urenkel, zog vor, klug zu weichen, statt den<lb/>
Bogen zu überspannen. Er fühlte sittliche Macht genug in sich, um entsagen<lb/>
zu können in einer Angelegenheit, in der er die größten Erfolge so redlich und<lb/>
mit Daransetzung seiner vollen Manneskraft verdient hatte. Hinfort war er und<lb/>
sein Haus auf noch rücksichtslosere Interessenpolitik hingewiesen. Hierfür ward es<lb/>
bedeutsam, daß im preußischen Kriege der Gewinn der Souveränetät im Herzog¬<lb/>
tum behauptet war.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1601" next="#ID_1602"> Auch nach anderer Seite konnte das Resultat nicht blos ein negatives ge¬<lb/>
nannt werden. War auch die große Arbeit schließlich nur ein Exercitium ge¬<lb/>
wesen, so hatte es doch gedient, den Namen Brandenburgs gefürchtet zu machen,<lb/>
denn in ihm war jene eiserne Armee geschmiedet, die keine Aufgabe zu<lb/>
scheuen brauchte. Sie war in den letzten Jahren immer mehr zu dem ge¬<lb/>
worden, wozu der große Kurfürst sie machen wollte: zu einem nationalen Heere.<lb/>
Niemals wieder ist es völlig auseinandergegangen. Es wurde stehender Bestandtheil<lb/>
des Staates und dessen vornehmste Stütze. Daß Friedrich Wilhelm sie beim schlim¬<lb/>
men Ausgange der glorreichen Zeit vor der Gefahr behütete, im Verzweiflungs¬<lb/>
kampfe wieder zerstört zu werden, war weise. Der Boden, den diese Soldaten<lb/>
auf solche Art mit ihrem Blute gezeichnet hatten, konnte ohnehin den Fremden nicht<lb/>
lange mehr bleiben, und hätten sie ihn zehnmal von Frankreichs Gnade zurück-</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1864. 60</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0477] neralstaaten, ihres Friedens froh, mit Gewehr beim Fuß der französischen Invasion zu. Unter diesen Umständen war Nachgeben Nothwendigkeit. Gegen Ende Juni war der furchtbar schwere Entschluß gefaßt. „Nicht der König von Frankreich ist es, der mich zum Frieden zwingt" -— so äußerte sich der Kurfürst zu Buch — „sondern der Kaiser, das Reich und meine eigenen Verwandten und Alliirten; sie werden indessen einst bereuen, wozu sie mich gedrängt haben, und ihr Verlust wird ebenso groß sein wie der meinige. Ihre Eifersucht ist die Ursache dieses Friedens, sie wird ihnen, sei es noch so spät, doch einst vom Könige von Frankreich bezahlt werden!" Er deutete in richtiger Ahnung auf die Zukunft. Man weiß, wie Frankreich nach hundert Jahren durch Na¬ poleon jenen Wechsel auf gute Gegendienste bezahlt hat. Die Räuber hielten einander besser Wort. Im August wurde auch der Friede mit Schweden geschlossen. Graf Königsmark hatte schwarz gesehen, als er aus Stralsund mit den Worten schied, nun sei Pommern für alle Zeit seinem Herrn entrissen. Er erhielt es wieder zum Lohn dafür, daß er den un¬ glücklichsten und zugleich den schändlichsten Krieg angefangen. niederschlagender als je hatte Brandenburg erfahren, wie gefährlich ihm selbst die scheinbar natürlichsten Bündnisse sein können, insbesondere aber, wessen man in Wien sähig sei. Jetzt hatte man, alter Traditionen ungeachtet, ihm zum Schaden die Schweden wieder aufkommen lassen in Deutschland. — Der große Kurfürst, hierin verschieden vom Urenkel, zog vor, klug zu weichen, statt den Bogen zu überspannen. Er fühlte sittliche Macht genug in sich, um entsagen zu können in einer Angelegenheit, in der er die größten Erfolge so redlich und mit Daransetzung seiner vollen Manneskraft verdient hatte. Hinfort war er und sein Haus auf noch rücksichtslosere Interessenpolitik hingewiesen. Hierfür ward es bedeutsam, daß im preußischen Kriege der Gewinn der Souveränetät im Herzog¬ tum behauptet war. Auch nach anderer Seite konnte das Resultat nicht blos ein negatives ge¬ nannt werden. War auch die große Arbeit schließlich nur ein Exercitium ge¬ wesen, so hatte es doch gedient, den Namen Brandenburgs gefürchtet zu machen, denn in ihm war jene eiserne Armee geschmiedet, die keine Aufgabe zu scheuen brauchte. Sie war in den letzten Jahren immer mehr zu dem ge¬ worden, wozu der große Kurfürst sie machen wollte: zu einem nationalen Heere. Niemals wieder ist es völlig auseinandergegangen. Es wurde stehender Bestandtheil des Staates und dessen vornehmste Stütze. Daß Friedrich Wilhelm sie beim schlim¬ men Ausgange der glorreichen Zeit vor der Gefahr behütete, im Verzweiflungs¬ kampfe wieder zerstört zu werden, war weise. Der Boden, den diese Soldaten auf solche Art mit ihrem Blute gezeichnet hatten, konnte ohnehin den Fremden nicht lange mehr bleiben, und hätten sie ihn zehnmal von Frankreichs Gnade zurück- Grenzboten IV. 1864. 60

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/477
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 23, 1864, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341799_360480/477>, abgerufen am 19.05.2024.