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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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erwiederten, sie wollten um keinen Preis die Wahrheit verheimlichen, ebenso
wenig als ihren dem Papste geleisteten Eid der Treue verletzen.

Hierauf wurden verschiedene Vorschläge von den Ministern gemacht, und
einer derselben erbot sich sogar einen Brief zu entwerfen, der allen Anforde¬
rungen entsprechen würde. Er setzte sich auch wirklich an den Schreibtisch und
warf verschiedene Phrasen aufs Papier, die im Briefe an den Kaiser aufgenommen
werden könnten.

Consalvi sah, daß einige seiner College" ansingen schwankend zu werden
und daß die wenigsten die Wichtigkeit des Schrittes, zu dem man sie bestimmen
wollte, erkannten. Deshalb bestand er darauf, daß man ihnen gestatte, sich im
Hause des in der Nähe wohnenden Cardinals Mattei zu versammeln, um un¬
gestört und unbeeinflußt verhandeln zu können. Jedenfalls solle der an den
Kaiser zu richtende Brief noch in der Nacht fertig werden. Er machte gel¬
tend, daß die Mehrzahl der Anwesenden des Französischen unkundig wäre und
daß sie daher gar nicht verständen, was von ihnen verlangt würde.

In der Wohnung Matteis angekommen setzte Consalvi seinen Kollegen die
Lage auseinander und es wurde sofort beschlossen , nichts zu unterschreiben, was
wie eine Pflichtwidrigkeit gedeutet werden könnte. Man wolle nur die Wahr¬
heit sagen, wenn auch nicht die ganze Wahrheit. Die Schwierigkeit wurde
dadurch vermehrt, daß man sich möglichst wenig von dem Entwürfe des Mini¬
sters entfernen durfte und die Arbeit erforderte fünf Stunden. Endlich kam
ein Actenstück zu Stande, dessen Inhalt den eben erwähnten Worten Consalvis
entsprach.

Man trennte sich um vier Uhr, und Cardinal Litla, der bei Mattei wohnte,
wurde beauftragt, das Schreiben dem Minister zu überreichen. Dieser las den
Brief, schien davon befriedigt und versprach, denselben dem Kaiser in Se.
Cloud zu übergeben. "Am Abende desselben Tages erhielten wir aber ein
Zettelchen vom Minister, worin er uns anzeigte, der Kaiser hätte seine Abreise
von Se. Cloud beschleunigt, er habe daher nicht mit S. M. sprechen können
und so müßte er denn die frühern Befehle seines Herrn vollziehen."

Die Cardinäle blieben also ihrer Würden entsetzt und wurden mit dem
Namen "schwarze" Cardinäle bezeichnet, im Gegensatz zu den nachgiebigen,
welche die rothen hießen. Auch die Güter der Dreizehn wurden mit Beschlag
belegt und ihre Einkünfte flössen in den öffentlichen Schatz.

Als der Kaiser, der sich nach Holland begeben hatte, nach Compiögne
zurückgekehrt war, wurde versucht, ihn milder zu stimmen, aber alle Fürsprache
zu Gunsten der Widerspenstigen blieb ohne Erfolg. Am 10. Juni wurden die
Cardinäle zu zwei zum Cultusminister beschieden und ihnen die Mittheilung
gemacht, daß sie sämmtlich ins Innere von Frankreich gebracht werden sollten.
Consalvi und der ihm als Gefährte beigesellte Cardinal Brcmcadoro wurden


erwiederten, sie wollten um keinen Preis die Wahrheit verheimlichen, ebenso
wenig als ihren dem Papste geleisteten Eid der Treue verletzen.

Hierauf wurden verschiedene Vorschläge von den Ministern gemacht, und
einer derselben erbot sich sogar einen Brief zu entwerfen, der allen Anforde¬
rungen entsprechen würde. Er setzte sich auch wirklich an den Schreibtisch und
warf verschiedene Phrasen aufs Papier, die im Briefe an den Kaiser aufgenommen
werden könnten.

Consalvi sah, daß einige seiner College» ansingen schwankend zu werden
und daß die wenigsten die Wichtigkeit des Schrittes, zu dem man sie bestimmen
wollte, erkannten. Deshalb bestand er darauf, daß man ihnen gestatte, sich im
Hause des in der Nähe wohnenden Cardinals Mattei zu versammeln, um un¬
gestört und unbeeinflußt verhandeln zu können. Jedenfalls solle der an den
Kaiser zu richtende Brief noch in der Nacht fertig werden. Er machte gel¬
tend, daß die Mehrzahl der Anwesenden des Französischen unkundig wäre und
daß sie daher gar nicht verständen, was von ihnen verlangt würde.

In der Wohnung Matteis angekommen setzte Consalvi seinen Kollegen die
Lage auseinander und es wurde sofort beschlossen , nichts zu unterschreiben, was
wie eine Pflichtwidrigkeit gedeutet werden könnte. Man wolle nur die Wahr¬
heit sagen, wenn auch nicht die ganze Wahrheit. Die Schwierigkeit wurde
dadurch vermehrt, daß man sich möglichst wenig von dem Entwürfe des Mini¬
sters entfernen durfte und die Arbeit erforderte fünf Stunden. Endlich kam
ein Actenstück zu Stande, dessen Inhalt den eben erwähnten Worten Consalvis
entsprach.

Man trennte sich um vier Uhr, und Cardinal Litla, der bei Mattei wohnte,
wurde beauftragt, das Schreiben dem Minister zu überreichen. Dieser las den
Brief, schien davon befriedigt und versprach, denselben dem Kaiser in Se.
Cloud zu übergeben. „Am Abende desselben Tages erhielten wir aber ein
Zettelchen vom Minister, worin er uns anzeigte, der Kaiser hätte seine Abreise
von Se. Cloud beschleunigt, er habe daher nicht mit S. M. sprechen können
und so müßte er denn die frühern Befehle seines Herrn vollziehen."

Die Cardinäle blieben also ihrer Würden entsetzt und wurden mit dem
Namen „schwarze" Cardinäle bezeichnet, im Gegensatz zu den nachgiebigen,
welche die rothen hießen. Auch die Güter der Dreizehn wurden mit Beschlag
belegt und ihre Einkünfte flössen in den öffentlichen Schatz.

Als der Kaiser, der sich nach Holland begeben hatte, nach Compiögne
zurückgekehrt war, wurde versucht, ihn milder zu stimmen, aber alle Fürsprache
zu Gunsten der Widerspenstigen blieb ohne Erfolg. Am 10. Juni wurden die
Cardinäle zu zwei zum Cultusminister beschieden und ihnen die Mittheilung
gemacht, daß sie sämmtlich ins Innere von Frankreich gebracht werden sollten.
Consalvi und der ihm als Gefährte beigesellte Cardinal Brcmcadoro wurden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/200>, abgerufen am 16.05.2024.