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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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moniel aus sich auszustoßen und hierin das Prävenire zu spielen. Dabei
ging es denn in folgender Weise her: Im Ordenshause zu Heilbronn, gemeinhin
das "deutsche Haus" genannt, versammelten sich die Ritter unter Vorsitz des
damaligen Deutschmeisters Ludwig Anton, Herzog zu Pfalz-Neuburg, in Pon-
tisicalibus im großen Saal. Der Angeklagte, den man von der Militärbehörde
requirirr hatte, wurde in voller Ordenstracht hereingeführt. Hier wurde ihm
in feierlicher Weise vom Deutschmeister sein Vergehen vorgehalten und ihm dann
der Ausschluß aus dem Orden mitgetheilt. Nun begann die Ceremonie. Zu-
nächst wurde dem Verurteilten das Ordenskreuz abgerissen und "ihm ein paar
Mal ums Maul geschmissen". Dann wurde ihm die Bekleidung abermals
Stück für Stück herabgerissen, woraus ihn der jüngste Ordensritter beim Arm
nahm und ihn aus dem Hause führte. An der Thüre gab er dem Ausgesto¬
ßenen noch einen Fußtritt an einen gewissen Körpertheil und überlieferte ihn
dann der dort harrenden Militärwache, die ihn wieder zur Armee zurückbrachte.

Hier stand dem Entehrten noch Schlimmeres bevor, denn alles wurde
nun öffentlich vorgenommen. Am 20. Juni mußte der Exgeneral einen
Schinderkarrcn besteigen, der vom Henker und seinen Gehilfen begleitet wurde.
Die Fahrt ging zu der aufgestellten kaiserlichen Armee, worauf er vor dieser
von einem Flügel zum andern gefahren wurde. Vor dem Regimente, dessen
Inhaber er gewesen, mußte er vom Karren steigen und hier wurde ihm zunächst
sein Urtheil vorgelesen, dahin lautend: daß er mit dem Schwerte vom Leben
Zum Tode gebracht werden sollte, auch seine Güter zu confisciren seien. Als
sich nun der Henker anschickte, sein trauriges Amt zu vollziehen, wurde dem
Verurtheilten durch den Auditeur mitgetheilt, daß ihm das Leben geschenkt, ihm
dafür aber die Strafe des Exils und der Verlust aller seiner Würden und
Aemter zuerkannt sei, woraus er antwortete: "Dies hab ich wohl nicht ver¬
langet."

Der General hatte bisher in seiner Uniform, aber ohne Degen und an
Händen und Füßen gefesselt auf dem Karren gesessen. Jener wurde ihm nun
umgehängt, aber sofort wieder abgenommen, die Klinge herausgezogen, zer¬
brochen, ihm die Stücke dreimal ums Gesicht geschlagen und dann vor
die Füße geworfen. Hierauf wurde der Verurtheilte "auf ewig" aus den östrei¬
chischen, schwäbischen und fränkischen Landen, so wie aus denen des Ober-
rhcinkrcises verwiesen, wieder auf den Karren gesetzt und vor das Stadtthor
gebracht. Hier nahm ihm der Henker die Fesseln ab und ließ ihn sodann
laufen.

Hedersdorf, auch Hcydcrsdorf genannt, entstammte einer alten und an¬
gesehenen adeligen Familie, die am Rhein angesessen war, von der aber ein
Zweig nach Franken übersiedelte, und zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts
in den Freihcrrnstand erhoben wurde.


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moniel aus sich auszustoßen und hierin das Prävenire zu spielen. Dabei
ging es denn in folgender Weise her: Im Ordenshause zu Heilbronn, gemeinhin
das „deutsche Haus" genannt, versammelten sich die Ritter unter Vorsitz des
damaligen Deutschmeisters Ludwig Anton, Herzog zu Pfalz-Neuburg, in Pon-
tisicalibus im großen Saal. Der Angeklagte, den man von der Militärbehörde
requirirr hatte, wurde in voller Ordenstracht hereingeführt. Hier wurde ihm
in feierlicher Weise vom Deutschmeister sein Vergehen vorgehalten und ihm dann
der Ausschluß aus dem Orden mitgetheilt. Nun begann die Ceremonie. Zu-
nächst wurde dem Verurteilten das Ordenskreuz abgerissen und „ihm ein paar
Mal ums Maul geschmissen". Dann wurde ihm die Bekleidung abermals
Stück für Stück herabgerissen, woraus ihn der jüngste Ordensritter beim Arm
nahm und ihn aus dem Hause führte. An der Thüre gab er dem Ausgesto¬
ßenen noch einen Fußtritt an einen gewissen Körpertheil und überlieferte ihn
dann der dort harrenden Militärwache, die ihn wieder zur Armee zurückbrachte.

Hier stand dem Entehrten noch Schlimmeres bevor, denn alles wurde
nun öffentlich vorgenommen. Am 20. Juni mußte der Exgeneral einen
Schinderkarrcn besteigen, der vom Henker und seinen Gehilfen begleitet wurde.
Die Fahrt ging zu der aufgestellten kaiserlichen Armee, worauf er vor dieser
von einem Flügel zum andern gefahren wurde. Vor dem Regimente, dessen
Inhaber er gewesen, mußte er vom Karren steigen und hier wurde ihm zunächst
sein Urtheil vorgelesen, dahin lautend: daß er mit dem Schwerte vom Leben
Zum Tode gebracht werden sollte, auch seine Güter zu confisciren seien. Als
sich nun der Henker anschickte, sein trauriges Amt zu vollziehen, wurde dem
Verurtheilten durch den Auditeur mitgetheilt, daß ihm das Leben geschenkt, ihm
dafür aber die Strafe des Exils und der Verlust aller seiner Würden und
Aemter zuerkannt sei, woraus er antwortete: „Dies hab ich wohl nicht ver¬
langet."

Der General hatte bisher in seiner Uniform, aber ohne Degen und an
Händen und Füßen gefesselt auf dem Karren gesessen. Jener wurde ihm nun
umgehängt, aber sofort wieder abgenommen, die Klinge herausgezogen, zer¬
brochen, ihm die Stücke dreimal ums Gesicht geschlagen und dann vor
die Füße geworfen. Hierauf wurde der Verurtheilte „auf ewig" aus den östrei¬
chischen, schwäbischen und fränkischen Landen, so wie aus denen des Ober-
rhcinkrcises verwiesen, wieder auf den Karren gesetzt und vor das Stadtthor
gebracht. Hier nahm ihm der Henker die Fesseln ab und ließ ihn sodann
laufen.

Hedersdorf, auch Hcydcrsdorf genannt, entstammte einer alten und an¬
gesehenen adeligen Familie, die am Rhein angesessen war, von der aber ein
Zweig nach Franken übersiedelte, und zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts
in den Freihcrrnstand erhoben wurde.


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[0353] moniel aus sich auszustoßen und hierin das Prävenire zu spielen. Dabei ging es denn in folgender Weise her: Im Ordenshause zu Heilbronn, gemeinhin das „deutsche Haus" genannt, versammelten sich die Ritter unter Vorsitz des damaligen Deutschmeisters Ludwig Anton, Herzog zu Pfalz-Neuburg, in Pon- tisicalibus im großen Saal. Der Angeklagte, den man von der Militärbehörde requirirr hatte, wurde in voller Ordenstracht hereingeführt. Hier wurde ihm in feierlicher Weise vom Deutschmeister sein Vergehen vorgehalten und ihm dann der Ausschluß aus dem Orden mitgetheilt. Nun begann die Ceremonie. Zu- nächst wurde dem Verurteilten das Ordenskreuz abgerissen und „ihm ein paar Mal ums Maul geschmissen". Dann wurde ihm die Bekleidung abermals Stück für Stück herabgerissen, woraus ihn der jüngste Ordensritter beim Arm nahm und ihn aus dem Hause führte. An der Thüre gab er dem Ausgesto¬ ßenen noch einen Fußtritt an einen gewissen Körpertheil und überlieferte ihn dann der dort harrenden Militärwache, die ihn wieder zur Armee zurückbrachte. Hier stand dem Entehrten noch Schlimmeres bevor, denn alles wurde nun öffentlich vorgenommen. Am 20. Juni mußte der Exgeneral einen Schinderkarrcn besteigen, der vom Henker und seinen Gehilfen begleitet wurde. Die Fahrt ging zu der aufgestellten kaiserlichen Armee, worauf er vor dieser von einem Flügel zum andern gefahren wurde. Vor dem Regimente, dessen Inhaber er gewesen, mußte er vom Karren steigen und hier wurde ihm zunächst sein Urtheil vorgelesen, dahin lautend: daß er mit dem Schwerte vom Leben Zum Tode gebracht werden sollte, auch seine Güter zu confisciren seien. Als sich nun der Henker anschickte, sein trauriges Amt zu vollziehen, wurde dem Verurtheilten durch den Auditeur mitgetheilt, daß ihm das Leben geschenkt, ihm dafür aber die Strafe des Exils und der Verlust aller seiner Würden und Aemter zuerkannt sei, woraus er antwortete: „Dies hab ich wohl nicht ver¬ langet." Der General hatte bisher in seiner Uniform, aber ohne Degen und an Händen und Füßen gefesselt auf dem Karren gesessen. Jener wurde ihm nun umgehängt, aber sofort wieder abgenommen, die Klinge herausgezogen, zer¬ brochen, ihm die Stücke dreimal ums Gesicht geschlagen und dann vor die Füße geworfen. Hierauf wurde der Verurtheilte „auf ewig" aus den östrei¬ chischen, schwäbischen und fränkischen Landen, so wie aus denen des Ober- rhcinkrcises verwiesen, wieder auf den Karren gesetzt und vor das Stadtthor gebracht. Hier nahm ihm der Henker die Fesseln ab und ließ ihn sodann laufen. Hedersdorf, auch Hcydcrsdorf genannt, entstammte einer alten und an¬ gesehenen adeligen Familie, die am Rhein angesessen war, von der aber ein Zweig nach Franken übersiedelte, und zu Anfang des siebzehnten Jahrhunderts in den Freihcrrnstand erhoben wurde. 42 *

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/353>, abgerufen am 13.06.2024.