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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band.

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in der unter Gottfried Schadows Leitung stehenden Akademie seine male¬
rischen Studien zu beginnen. Diesem fröhlichen Arbeiten und Genießen setzte
unerwartet schnell der gewaltige ernste Gang der geschichtlichen Ereignisse
ein Ziel.

Der Aufruf von 1813 fand auch in seinem feurigen Herzen den Widerhall,
unter den Ersten ergriff er die Büchse der freiwilligen Jäger, und in den
ersten beiden mörderischen Schlachten, den von Lützen und Bautzen, welche so viel
hoffnungsreiche junge Saaten mähten, entging er nur in fast wunderbarer
Weise dem Geschick, für seines Vaterlandes Befreiung mit dem Leben zuzählen,
und 1814 noch einmal in ganz ähnlicher Art in den Gefechten vor und um
Paris! Die damals in der besiegten "Hauptstadt der Welt" zusammengehäuften
Kunstschätze vermochten ihn doch so wenig zu längerem Ausenthalt daselbst
zrl reizen, wie der Officiersrang zum Verbleiben beim Heere. Er kehrte
heim und zwar zunächst nach Wien. Dieser Besuch bei seinem ihm verschwägert
gewordenen erwähnten Gönner und Freunde v. Skrbenski hat damals die
Gelegenheit zu der ersten seiner künstlerischen Arbeiten gegeben, welche,
weit über das Werthmaß jugendlicher Studien und Versuche hinausgehend,
ihren tiefen und bedeutenden Gehalt heut noch jedem Beschauer bekundet, und
am besten von der überraschenden Entwicklung zeigt, welche sein Talent, trotz so
mannigfacher Hemmungen und Störungen einer ruhigen Ausbildung damals bereits
erlangt hatte. Es ist dies jenes Portrait Beethovens, zu welchem dieser, ein
seltner Ausnahmefall, sich bewegen ließ, dem jungen Maler zu sitzen, ein
Bildniß, dem sich, wie man schon nach der allgemein verbreiteten großen
Steinzeichnung von Th. Neu urtheilen kann, keine andere der zahlreichen Dar¬
stellungen des gewaltigen Mannes an Größe der Auffassung und charakteristischer
Echtheit des Individuellsten dieses Kopfes vergleich. Der ideale Beethovenkopf
ist darin festgestellt und die Gestalt gefunden, in welcher er für immer in
der Vorstellung der Menschen leben wird.

Nach Berlin führte Kloeber 1818 Schinkels Aufforderung, an der malerischen
Ausschmückung des neuen, von ihm erbauten Schauspielhauses Theil zu nehmen.
Diese Scenen aus der Mythe des Apollo und allgemeinern Decorativma-
lereien eines heiter idealen Genres, seine ersten öffentlichen Arbeiten, so
sehr die Gegenstände der innersten Eigenthümlichkeit seines Talentes ent¬
sprachen, lassen den Meister, wie er sich später entwickelte, noch kaum erkennen,
und zeigen bei graziösen und anmuthigen Intentionen eine gewisse akademische,
Unfreiheit, von welcher er sich bald genug gründlich los machen sollte. Zwei
Jahre später durfte er die tiefste Sehnsucht seiner Seele befriedigen und
die Reise nach Italien antreten, wo er sieben Jahre studirend und schaffend
verweilte. An den unsterblichen Mustern der heitern Kunst, bei einer an


in der unter Gottfried Schadows Leitung stehenden Akademie seine male¬
rischen Studien zu beginnen. Diesem fröhlichen Arbeiten und Genießen setzte
unerwartet schnell der gewaltige ernste Gang der geschichtlichen Ereignisse
ein Ziel.

Der Aufruf von 1813 fand auch in seinem feurigen Herzen den Widerhall,
unter den Ersten ergriff er die Büchse der freiwilligen Jäger, und in den
ersten beiden mörderischen Schlachten, den von Lützen und Bautzen, welche so viel
hoffnungsreiche junge Saaten mähten, entging er nur in fast wunderbarer
Weise dem Geschick, für seines Vaterlandes Befreiung mit dem Leben zuzählen,
und 1814 noch einmal in ganz ähnlicher Art in den Gefechten vor und um
Paris! Die damals in der besiegten „Hauptstadt der Welt" zusammengehäuften
Kunstschätze vermochten ihn doch so wenig zu längerem Ausenthalt daselbst
zrl reizen, wie der Officiersrang zum Verbleiben beim Heere. Er kehrte
heim und zwar zunächst nach Wien. Dieser Besuch bei seinem ihm verschwägert
gewordenen erwähnten Gönner und Freunde v. Skrbenski hat damals die
Gelegenheit zu der ersten seiner künstlerischen Arbeiten gegeben, welche,
weit über das Werthmaß jugendlicher Studien und Versuche hinausgehend,
ihren tiefen und bedeutenden Gehalt heut noch jedem Beschauer bekundet, und
am besten von der überraschenden Entwicklung zeigt, welche sein Talent, trotz so
mannigfacher Hemmungen und Störungen einer ruhigen Ausbildung damals bereits
erlangt hatte. Es ist dies jenes Portrait Beethovens, zu welchem dieser, ein
seltner Ausnahmefall, sich bewegen ließ, dem jungen Maler zu sitzen, ein
Bildniß, dem sich, wie man schon nach der allgemein verbreiteten großen
Steinzeichnung von Th. Neu urtheilen kann, keine andere der zahlreichen Dar¬
stellungen des gewaltigen Mannes an Größe der Auffassung und charakteristischer
Echtheit des Individuellsten dieses Kopfes vergleich. Der ideale Beethovenkopf
ist darin festgestellt und die Gestalt gefunden, in welcher er für immer in
der Vorstellung der Menschen leben wird.

Nach Berlin führte Kloeber 1818 Schinkels Aufforderung, an der malerischen
Ausschmückung des neuen, von ihm erbauten Schauspielhauses Theil zu nehmen.
Diese Scenen aus der Mythe des Apollo und allgemeinern Decorativma-
lereien eines heiter idealen Genres, seine ersten öffentlichen Arbeiten, so
sehr die Gegenstände der innersten Eigenthümlichkeit seines Talentes ent¬
sprachen, lassen den Meister, wie er sich später entwickelte, noch kaum erkennen,
und zeigen bei graziösen und anmuthigen Intentionen eine gewisse akademische,
Unfreiheit, von welcher er sich bald genug gründlich los machen sollte. Zwei
Jahre später durfte er die tiefste Sehnsucht seiner Seele befriedigen und
die Reise nach Italien antreten, wo er sieben Jahre studirend und schaffend
verweilte. An den unsterblichen Mustern der heitern Kunst, bei einer an


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282240/544>, abgerufen am 05.06.2024.