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Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band.

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zu verschließen. Die II. Kammer gab dem Inhalte obiger Beschlüsse unter
Annahme seiner wesentlichen Theile die Form, welche darnach, von der I. Kam¬
mer und der Regierung gebilligt, in dem Gesetze vom 21, Mai 1852, also
nur achtzehn Tage nach der Veröffentlichung des Strafproceßgcsctzes vom 3. Mai
18S2, publicirt wurde.

Durch das Gesetz vom 21. Mai 1852 blieben also den Schwurgerichten
nur die Verbrechen zu entscheiden, so weit ein Gesetz sie nicht ausnahm.
Dagegen kann gesetzlich ein Gerichtshof über Hochverrath und über die ihm
gesetzlich überwiesenen Verbrechen gegen die innere und äußere Sicherheit des
Staates errichtet werden, -- So riß man auch die letzten von der II. Kammer
1850 aufrecht erhaltenen Schutzwehren für die Competenz der Schwurgerichie
in politisch-eifernden Rückschritte nieder und gab dieses so hochwichtige, in er¬
regten Zeiten aber wichtigste Institut der Criminalrechtspflege dem Fanatismus
der herrschenden Partei preis. Wie eine Ruine des Volksrechtes im Straf¬
processe ragt der im Innern längst wirkungslose §. 60 des Gesetzes vom 3. Januar
1849 aus seiner um ihn wucherten Umgebung seit 1852 hervor.

Auf der Grundlage des Gesetzes vom 21. Mai 1852 brauchte man nur
weiter zu bauen, die in ihm enthaltenen Keime nur unter der Sonne der Re¬
action sich entfalten zu lassen, so erfüllten sich die sehnlichsten Wünsche der
manteuffelschen Negierung in betreff des Strafprocesses. Und das geschah schnell.

Nach dz. 60 des Gesetzes vom 3. Januar 1849 hatte das Schwurgericht
über alle Preßverbrechen zu entscheiden; nach Art. 94 der revidirte" Verfassung
sollte es über alle Preßvergehen urtheilen, "welche das Gesetz nicht ausdrücklich
ausnimmt". Infolge des kleeschen Antrages und seiner oben erörterten ver-
hängnißvollen Resultate waren die Preßvergehen ganz aus dem Art. 94 ver¬
schwunden. Hierüber hatte bereits das am 12. Mai 1851 publicirte -- also
auch im Strome dieser an Gesetzen einheitlichsten Charakters so merkwürdig
fruchtbaren Zeit entsprungene Preßgesetz (§. 27) vorgeschrieben, nnr die mit
Freiheitsstrafen von mehr als drei Jahren bedrohten Vergehen der Presse sollten
zur Competenz der Schwurgerichte gehören, im Uebrigen sollten über die von
der Presse begangenen strafbaren Handlungen die oben angegebenen allgemeinen
Competenzgrenzen des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuche (Art. XIII--XV)
zur Anwendung kommen.

Einen Tag nach dem soeben geschichtlich näher verfolgten Gesetze vom
21. Mai 1852 minderte aus Nützlichkeitsgründen -- um die Schwurgerichte
von einer endlosen Kette unbedeutenderer Criminalfälle zu befreien -- ein neues
Ergänzungsgesetz die Zuständigkeit der Geschwornengerichte dahin, daß es alle
schweren Diebstähle, außer denen im zweiten und öfteren Rückfalle, alle ein¬
fachen Diebstähle im zweiten Rückfalle, alle Hehlerei und sämmtliche Verbrechen
und Vergehen der Personen unter sechzehn Jahren von den Schwurgerichten an


zu verschließen. Die II. Kammer gab dem Inhalte obiger Beschlüsse unter
Annahme seiner wesentlichen Theile die Form, welche darnach, von der I. Kam¬
mer und der Regierung gebilligt, in dem Gesetze vom 21, Mai 1852, also
nur achtzehn Tage nach der Veröffentlichung des Strafproceßgcsctzes vom 3. Mai
18S2, publicirt wurde.

Durch das Gesetz vom 21. Mai 1852 blieben also den Schwurgerichten
nur die Verbrechen zu entscheiden, so weit ein Gesetz sie nicht ausnahm.
Dagegen kann gesetzlich ein Gerichtshof über Hochverrath und über die ihm
gesetzlich überwiesenen Verbrechen gegen die innere und äußere Sicherheit des
Staates errichtet werden, — So riß man auch die letzten von der II. Kammer
1850 aufrecht erhaltenen Schutzwehren für die Competenz der Schwurgerichie
in politisch-eifernden Rückschritte nieder und gab dieses so hochwichtige, in er¬
regten Zeiten aber wichtigste Institut der Criminalrechtspflege dem Fanatismus
der herrschenden Partei preis. Wie eine Ruine des Volksrechtes im Straf¬
processe ragt der im Innern längst wirkungslose §. 60 des Gesetzes vom 3. Januar
1849 aus seiner um ihn wucherten Umgebung seit 1852 hervor.

Auf der Grundlage des Gesetzes vom 21. Mai 1852 brauchte man nur
weiter zu bauen, die in ihm enthaltenen Keime nur unter der Sonne der Re¬
action sich entfalten zu lassen, so erfüllten sich die sehnlichsten Wünsche der
manteuffelschen Negierung in betreff des Strafprocesses. Und das geschah schnell.

Nach dz. 60 des Gesetzes vom 3. Januar 1849 hatte das Schwurgericht
über alle Preßverbrechen zu entscheiden; nach Art. 94 der revidirte» Verfassung
sollte es über alle Preßvergehen urtheilen, „welche das Gesetz nicht ausdrücklich
ausnimmt". Infolge des kleeschen Antrages und seiner oben erörterten ver-
hängnißvollen Resultate waren die Preßvergehen ganz aus dem Art. 94 ver¬
schwunden. Hierüber hatte bereits das am 12. Mai 1851 publicirte — also
auch im Strome dieser an Gesetzen einheitlichsten Charakters so merkwürdig
fruchtbaren Zeit entsprungene Preßgesetz (§. 27) vorgeschrieben, nnr die mit
Freiheitsstrafen von mehr als drei Jahren bedrohten Vergehen der Presse sollten
zur Competenz der Schwurgerichte gehören, im Uebrigen sollten über die von
der Presse begangenen strafbaren Handlungen die oben angegebenen allgemeinen
Competenzgrenzen des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuche (Art. XIII—XV)
zur Anwendung kommen.

Einen Tag nach dem soeben geschichtlich näher verfolgten Gesetze vom
21. Mai 1852 minderte aus Nützlichkeitsgründen — um die Schwurgerichte
von einer endlosen Kette unbedeutenderer Criminalfälle zu befreien — ein neues
Ergänzungsgesetz die Zuständigkeit der Geschwornengerichte dahin, daß es alle
schweren Diebstähle, außer denen im zweiten und öfteren Rückfalle, alle ein¬
fachen Diebstähle im zweiten Rückfalle, alle Hehlerei und sämmtliche Verbrechen
und Vergehen der Personen unter sechzehn Jahren von den Schwurgerichten an


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 24, 1865, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341801_282796/30>, abgerufen am 17.06.2024.