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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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ligt anreiht. Die erstgenannte dieser Arbeiten entstand 1843; Friedrich Wilhelm
der Vierte ordnete das Grabdenkmal für seinen Vater an, das neben dem
Luisens im charlottenburger Mausoleum seinen Platz finden sollte. Es bildet
den schönsten Gegensatz gegen das berühmte Werk einer so viel früheren Pe¬
riode des Meisters. Hier die zarteste, ideale Lieblichkeit, dort die schlichte Ein¬
fachheit, der schmucklose männliche Ernst und in so ganz andrer Gestalt die
ruhige Hoheit, der tiefe, heilige Frieden einer wahrhaft "im Herrn entschlafenen"
Seele. Der Ausdruck dieses geistigen Inhalts ist hier um so ergreifender, je
simpler, je nüchtern realistischer die Form erscheint. Der König liegt wie aus
dem Feldbett in seinen Soldatenmantel gewickelt strack und gradaus da. --
Die Grabstatue der schönen Königin von Hannover modellirte Rauch 1844.
Es war ihm der nicht geringe künstlerische Vortheil vergönnt, die in hohem
Alter verstorbene Königin so zu bilden, als ob sie in der Fülle ihrer einstigen
hochberühmten Schönheit entschlummert wäre. So liegt sie da. ein herrliches,
prangendes Weib mit dem heiter verklärten, liebreizenden Antlitz, dessen ver>
lockende Züge uns Schadows bekannte Büste aus ihren jungen Tagen treulich
bewahrt hat. Von der antikisirenden, zierlich fältelnden Gewandung der Statue
Luisens hatte Rauch bereits eine reiche künstlerische Entwicklung weit abgeführt.
Hier legt sich ein volles Gewand, in breiten Falten ihn umfließend, um den
schönen Leib, und über das Lager hin fällt von den Schultern zu den Seiten
und zu den Füßen abwärts der prächtige Königsmantel in groß und pompös
angelegten und .behandelten Motiven. Das Sims aber des Postaments,
welches das Lager trägt, wird an den Ecken von den lieblichsten knieenden,
kleinen musicirenden und singenden Engelsgestalten gestützt, die einer Bild¬
hauerphantasie je erschienen sind. Auf gleichgestalteten Postament ruht die
Grabstatue des Königs Ernst August. Noch bei seinen Lebzeiten 1846 gab er
Rauch den Austrag zu deren Modellirung. Später 1854--55 wurde das Werk
in Marmor ausgeführt und neben dem Monument der Königin im Mausoleum
zu Herrnhausen aufgestellt. Der Fürst mochte seinen Charakter auch in seiner
Grabstatue nicht verleugnet wissen. In die Gardehusarenuniform gekleidet und
den hermelingefütterten Herrschermantel von der Brust abwärts um den Körper
geschlagen, den kühnen, befehlenden Kopf etwas aufgerichtet, über den geschlossenen
Augen noch die Brauen scharf zusammengezogen. An diesem Marmor sah ich
noch den Achtzigjährigen mit Hammer und Meißel thätig unter seinen Arbeitern
und Gehilfen, rüstig' vom frühen Morgen bis tief in den Abend hinein. in
unbeugsamer, jugendfrischer Kraft. Es giebt wenig Beispiele dieser eisernen
Zähigkeit, dieses nie zu stillender Arbeitsbedürfnisses noch im höchsten Lebens-
alter unter den großen Künstlernaturen aller Zeiten. -- Die Statuen Yorks
und Gneisenaus. 1852--54 ausgeführt, am berliner Opernplatz zu beiden
Seiten des Blüchcrdenlmals aufgestellt, sind hinlänglich bekannt. Von einer


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ligt anreiht. Die erstgenannte dieser Arbeiten entstand 1843; Friedrich Wilhelm
der Vierte ordnete das Grabdenkmal für seinen Vater an, das neben dem
Luisens im charlottenburger Mausoleum seinen Platz finden sollte. Es bildet
den schönsten Gegensatz gegen das berühmte Werk einer so viel früheren Pe¬
riode des Meisters. Hier die zarteste, ideale Lieblichkeit, dort die schlichte Ein¬
fachheit, der schmucklose männliche Ernst und in so ganz andrer Gestalt die
ruhige Hoheit, der tiefe, heilige Frieden einer wahrhaft „im Herrn entschlafenen"
Seele. Der Ausdruck dieses geistigen Inhalts ist hier um so ergreifender, je
simpler, je nüchtern realistischer die Form erscheint. Der König liegt wie aus
dem Feldbett in seinen Soldatenmantel gewickelt strack und gradaus da. —
Die Grabstatue der schönen Königin von Hannover modellirte Rauch 1844.
Es war ihm der nicht geringe künstlerische Vortheil vergönnt, die in hohem
Alter verstorbene Königin so zu bilden, als ob sie in der Fülle ihrer einstigen
hochberühmten Schönheit entschlummert wäre. So liegt sie da. ein herrliches,
prangendes Weib mit dem heiter verklärten, liebreizenden Antlitz, dessen ver>
lockende Züge uns Schadows bekannte Büste aus ihren jungen Tagen treulich
bewahrt hat. Von der antikisirenden, zierlich fältelnden Gewandung der Statue
Luisens hatte Rauch bereits eine reiche künstlerische Entwicklung weit abgeführt.
Hier legt sich ein volles Gewand, in breiten Falten ihn umfließend, um den
schönen Leib, und über das Lager hin fällt von den Schultern zu den Seiten
und zu den Füßen abwärts der prächtige Königsmantel in groß und pompös
angelegten und .behandelten Motiven. Das Sims aber des Postaments,
welches das Lager trägt, wird an den Ecken von den lieblichsten knieenden,
kleinen musicirenden und singenden Engelsgestalten gestützt, die einer Bild¬
hauerphantasie je erschienen sind. Auf gleichgestalteten Postament ruht die
Grabstatue des Königs Ernst August. Noch bei seinen Lebzeiten 1846 gab er
Rauch den Austrag zu deren Modellirung. Später 1854—55 wurde das Werk
in Marmor ausgeführt und neben dem Monument der Königin im Mausoleum
zu Herrnhausen aufgestellt. Der Fürst mochte seinen Charakter auch in seiner
Grabstatue nicht verleugnet wissen. In die Gardehusarenuniform gekleidet und
den hermelingefütterten Herrschermantel von der Brust abwärts um den Körper
geschlagen, den kühnen, befehlenden Kopf etwas aufgerichtet, über den geschlossenen
Augen noch die Brauen scharf zusammengezogen. An diesem Marmor sah ich
noch den Achtzigjährigen mit Hammer und Meißel thätig unter seinen Arbeitern
und Gehilfen, rüstig' vom frühen Morgen bis tief in den Abend hinein. in
unbeugsamer, jugendfrischer Kraft. Es giebt wenig Beispiele dieser eisernen
Zähigkeit, dieses nie zu stillender Arbeitsbedürfnisses noch im höchsten Lebens-
alter unter den großen Künstlernaturen aller Zeiten. — Die Statuen Yorks
und Gneisenaus. 1852—54 ausgeführt, am berliner Opernplatz zu beiden
Seiten des Blüchcrdenlmals aufgestellt, sind hinlänglich bekannt. Von einer


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/23>, abgerufen am 18.06.2024.