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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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in der Regel schnell in Neigung und Abneigung, dem Leben gegenüber reizbar
und leicht bestimmt. Er schaltet mit einer gewissen Willkür im Reich seiner
Träume, er ist geneigt, auch die Wirklichkeit, welche ihn umgiebt, leicht und
eigenwillig zu behandeln, und sein Urtheil über Verhältnisse der realen Welt
ist keinesweges so sicher und zuverlässig, als vielleicht sein Verständniß des
Schönen und Wirksamen in seiner Kunst. Was der Fürst an seinem Vertrauten
nicht entbehren kann, ruhiges und bescheidenes Gleichgewicht, discrete BeHand,
lung der Menschen und Geschäfte, grade diese schätzenswerten Eigenschaften hat
der Künstler durch sein Leben wahrscheinlich nicht erworben. So geschieht es.
daß der Gönner bald mit dem Scharfblick, der auch einer mäßigen Kraft im
regen Verkehr mit verschieden geformten Menschen entwickelt wird, das Un¬
praktische und Unfertige an seinem neuen Freunde lebhaft empfindet, und daß
er endlich enttäuscht nur in fürstlicher Nachsicht oder Klugheit ein Verhältniß
fortsetzt, dessen Reiz für ihn geschwunden ist. wenn er es nicht gar abbricht.

Es hat in Deutschland eine Zeit gegeben, wo die Gunst der Mächtigen
dem Künstler unentbehrlich war. Sie vorzugsweise gaben ihm durch ihre Auf¬
träge die Möglichkeit zu gedeihn. sie waren seinem äußern Leben Schutz und
Schirm, in ihren Kreisen waren vorzugsweise die Charaktere und Stimmungen,
die sichere und selbstbewußte Auffassung des Lebens zu finden, die der Künstler
für seine Kunst 'nicht missen kann. Diese Zeit ist nicht mehr. Nur für den
Maler, Bildhauer und Architekten dauert sie noch in gewissem Sinne. Die
Kunst der Gegenwart wird von der ganzen Nation getragen, wenn dem Künstler
gelingt, ihren Herzschlag in seinen Kunstwerken wiederzugeben, bedarf auch sein
äußeres Leben keiner anderen Stütze. Unsere Fürsten aber sind ebenfalls tief
von den realen Interessen der Zeit umfangen, sie sind Geschäftsmänner gewor¬
den wie wir andern auch, ihr hoher Beruf fordert so vielfachen Aufwand ihrer
Theilnahme, daß ihnen die Kunst, grade wenn sie ihrem Berufe Genüge thun,
nur Schmuck und Unterhaltung weniger Stunden werden kann. Wenn
sie sich auch mit Kunstinteressen umgeben, so thun sie dies doch in der Regel
nur mit flüchtigem Antheil oder aus dem Bestreben. Bedeutendes zum Schmuck
ihres Lebens an sich zu fesseln. Eine wirkliche, warme und herzliche Freude
an dem Werdenden in der Kunst ist bei den Regenten größerer Staaten nur
selten und wird dem Lauf der Dinge nach noch seltner werden. Sie selbst
müssen zufrieden sein, sich einigermaßen d^e reichen Resultate der schöpferischen
Volkskraft zugänglich zu machen, und vermögen nicht mehr als Kunstkenner
und Kunstrichter den Vorrang vor andern Sterblichen zu behaupten. Ja sogar
als Auftraggeber sind sie nicht mehr nach allen Richtungen die vermögendsten
Förderer der Kunst. Viele der deutschen Landesherren sind reich unter uns
angesiedelt, aber sie schalten nickt mehr unbeschränkt mit dem Staatssäckel, und
der Bedarf ihrer gewohnten fürstlichen Existenz, die Ansprüche, welche an ihre


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in der Regel schnell in Neigung und Abneigung, dem Leben gegenüber reizbar
und leicht bestimmt. Er schaltet mit einer gewissen Willkür im Reich seiner
Träume, er ist geneigt, auch die Wirklichkeit, welche ihn umgiebt, leicht und
eigenwillig zu behandeln, und sein Urtheil über Verhältnisse der realen Welt
ist keinesweges so sicher und zuverlässig, als vielleicht sein Verständniß des
Schönen und Wirksamen in seiner Kunst. Was der Fürst an seinem Vertrauten
nicht entbehren kann, ruhiges und bescheidenes Gleichgewicht, discrete BeHand,
lung der Menschen und Geschäfte, grade diese schätzenswerten Eigenschaften hat
der Künstler durch sein Leben wahrscheinlich nicht erworben. So geschieht es.
daß der Gönner bald mit dem Scharfblick, der auch einer mäßigen Kraft im
regen Verkehr mit verschieden geformten Menschen entwickelt wird, das Un¬
praktische und Unfertige an seinem neuen Freunde lebhaft empfindet, und daß
er endlich enttäuscht nur in fürstlicher Nachsicht oder Klugheit ein Verhältniß
fortsetzt, dessen Reiz für ihn geschwunden ist. wenn er es nicht gar abbricht.

Es hat in Deutschland eine Zeit gegeben, wo die Gunst der Mächtigen
dem Künstler unentbehrlich war. Sie vorzugsweise gaben ihm durch ihre Auf¬
träge die Möglichkeit zu gedeihn. sie waren seinem äußern Leben Schutz und
Schirm, in ihren Kreisen waren vorzugsweise die Charaktere und Stimmungen,
die sichere und selbstbewußte Auffassung des Lebens zu finden, die der Künstler
für seine Kunst 'nicht missen kann. Diese Zeit ist nicht mehr. Nur für den
Maler, Bildhauer und Architekten dauert sie noch in gewissem Sinne. Die
Kunst der Gegenwart wird von der ganzen Nation getragen, wenn dem Künstler
gelingt, ihren Herzschlag in seinen Kunstwerken wiederzugeben, bedarf auch sein
äußeres Leben keiner anderen Stütze. Unsere Fürsten aber sind ebenfalls tief
von den realen Interessen der Zeit umfangen, sie sind Geschäftsmänner gewor¬
den wie wir andern auch, ihr hoher Beruf fordert so vielfachen Aufwand ihrer
Theilnahme, daß ihnen die Kunst, grade wenn sie ihrem Berufe Genüge thun,
nur Schmuck und Unterhaltung weniger Stunden werden kann. Wenn
sie sich auch mit Kunstinteressen umgeben, so thun sie dies doch in der Regel
nur mit flüchtigem Antheil oder aus dem Bestreben. Bedeutendes zum Schmuck
ihres Lebens an sich zu fesseln. Eine wirkliche, warme und herzliche Freude
an dem Werdenden in der Kunst ist bei den Regenten größerer Staaten nur
selten und wird dem Lauf der Dinge nach noch seltner werden. Sie selbst
müssen zufrieden sein, sich einigermaßen d^e reichen Resultate der schöpferischen
Volkskraft zugänglich zu machen, und vermögen nicht mehr als Kunstkenner
und Kunstrichter den Vorrang vor andern Sterblichen zu behaupten. Ja sogar
als Auftraggeber sind sie nicht mehr nach allen Richtungen die vermögendsten
Förderer der Kunst. Viele der deutschen Landesherren sind reich unter uns
angesiedelt, aber sie schalten nickt mehr unbeschränkt mit dem Staatssäckel, und
der Bedarf ihrer gewohnten fürstlichen Existenz, die Ansprüche, welche an ihre


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/41>, abgerufen am 17.06.2024.