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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band.

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Privatchatouille gemacht werden, sind ebenfalls in rascher Steigerung begriffen.
Schon geben wohlhabende Communen und reiche Privatleute den meisten
Künsten reichlichere Beschäftigung, als unsere Fürsten zu geben vermögen. Für
das persönliche Selbstgefühl des Künstlers sind diese modernen Förderer weit
bequemer, für seine Kunst lassen sie allerdings auch noch zu wünschen übrig.
Unsere Hoftheater z. B. sind im Ganzen immer noch besser, als die Stadttheater.

Wenn der Künstler aber Diener eines Fürsten wird, als Beamter des Staats
oder des Hofes, so wird er dem Ehrgeiz entsagen, Vertrauter zu werden oder ein
Geschäftsmann seines Herrn, der sich auch um Anderes kümmert als um seine
Kunst. An dem gewählten Lebensberuf festhalten und bescheiden nichts Anderes
treiben, das ist Pflicht in unsrer unsicher vorwärtsringenden Zeit, wo dem
Künstler die Lehrzeit nicht kurz zugemessen ist, die Meisterschaft schwer erworben
wird. Auch von dem Künstler gilt, daß er zu einer Specialität seines Faches
werden muß. um in der Kunst das Höchste zu leisten. Es ist nur wenigen ver¬
gönnt, sowohl Landschafter als Historienmaler. Operncomponist und Meister der
Concertmusik zu werden.

Und geht man der Sache auf den Grund, so gehört der Künstler doch in
die Kreise der menschlichen Gesellschaft, in denen er vorzugsweise die Vorbilder
für seine Kunstgebilde, so wie das wärmste Verständniß für seine Werke findet. Bil¬
lige Schätzung kann nicht zugeben . daß zur Zeit unsere Fürstenhöfe vorzugsweise
solche Stätten sind. Wie fein und stilvoll ausgebildet dort die Formen des Verkehrs,
wie edel gehalten der Ausdruck einer menschlichen Empfindung dort sein möge --
und diese Vorzüge haben nicht wenige unserer Höfe bewahrt -- ungleich reicher,
frischer, unbefangener und charakteristischer äußert sich jetzt die Lebenskraft des
Volkes in den Mitteln Schichten der Gesellschaft, welche gleich weit entfernt
von der Jsolirung der Höhe und dem beschränkten Blick der Tiefe Vewahrer
und Verbesserer unsrer Bildung, unsres Wohlstands, unsrer Sitte sind. Den
Historienmaler wird doch wahrscheinlich der Verkehr mit Solchen am besten
fördern, deren Freude an unsrer historischen Entwicklung vorzugsweise innig ist.
den Musiker der Verkehr mit den Gemüthvollsten aus der großen Schaar ge"
bildeter Hörer; sogar der tragische Held und Tyrannenspieler wird in dem vor¬
sichtig gehaltenen Wesen unsrer großen Herren nicht mehr ganz das Ideal seiner
Helden erkennen, und ebensowenig der Bildhauer, welcher den Ehrgeiz hätte,
nur Reiterstatuen zu modelliren. d. h. die heldenmäßigen Gebilde, welche
unsre erlauchten Herren immer noch für ein Hansprivilegium fürstlichen Blu¬
tes halten.

Der Künstler hat thatsächlich aufgehört Client der Vornehmen zu sein,
er ist der Schützling eines großen Volkes geworden, und er soll sich hoch hüten,
diese unabhängige Stellung aufzugeben.




Privatchatouille gemacht werden, sind ebenfalls in rascher Steigerung begriffen.
Schon geben wohlhabende Communen und reiche Privatleute den meisten
Künsten reichlichere Beschäftigung, als unsere Fürsten zu geben vermögen. Für
das persönliche Selbstgefühl des Künstlers sind diese modernen Förderer weit
bequemer, für seine Kunst lassen sie allerdings auch noch zu wünschen übrig.
Unsere Hoftheater z. B. sind im Ganzen immer noch besser, als die Stadttheater.

Wenn der Künstler aber Diener eines Fürsten wird, als Beamter des Staats
oder des Hofes, so wird er dem Ehrgeiz entsagen, Vertrauter zu werden oder ein
Geschäftsmann seines Herrn, der sich auch um Anderes kümmert als um seine
Kunst. An dem gewählten Lebensberuf festhalten und bescheiden nichts Anderes
treiben, das ist Pflicht in unsrer unsicher vorwärtsringenden Zeit, wo dem
Künstler die Lehrzeit nicht kurz zugemessen ist, die Meisterschaft schwer erworben
wird. Auch von dem Künstler gilt, daß er zu einer Specialität seines Faches
werden muß. um in der Kunst das Höchste zu leisten. Es ist nur wenigen ver¬
gönnt, sowohl Landschafter als Historienmaler. Operncomponist und Meister der
Concertmusik zu werden.

Und geht man der Sache auf den Grund, so gehört der Künstler doch in
die Kreise der menschlichen Gesellschaft, in denen er vorzugsweise die Vorbilder
für seine Kunstgebilde, so wie das wärmste Verständniß für seine Werke findet. Bil¬
lige Schätzung kann nicht zugeben . daß zur Zeit unsere Fürstenhöfe vorzugsweise
solche Stätten sind. Wie fein und stilvoll ausgebildet dort die Formen des Verkehrs,
wie edel gehalten der Ausdruck einer menschlichen Empfindung dort sein möge —
und diese Vorzüge haben nicht wenige unserer Höfe bewahrt — ungleich reicher,
frischer, unbefangener und charakteristischer äußert sich jetzt die Lebenskraft des
Volkes in den Mitteln Schichten der Gesellschaft, welche gleich weit entfernt
von der Jsolirung der Höhe und dem beschränkten Blick der Tiefe Vewahrer
und Verbesserer unsrer Bildung, unsres Wohlstands, unsrer Sitte sind. Den
Historienmaler wird doch wahrscheinlich der Verkehr mit Solchen am besten
fördern, deren Freude an unsrer historischen Entwicklung vorzugsweise innig ist.
den Musiker der Verkehr mit den Gemüthvollsten aus der großen Schaar ge»
bildeter Hörer; sogar der tragische Held und Tyrannenspieler wird in dem vor¬
sichtig gehaltenen Wesen unsrer großen Herren nicht mehr ganz das Ideal seiner
Helden erkennen, und ebensowenig der Bildhauer, welcher den Ehrgeiz hätte,
nur Reiterstatuen zu modelliren. d. h. die heldenmäßigen Gebilde, welche
unsre erlauchten Herren immer noch für ein Hansprivilegium fürstlichen Blu¬
tes halten.

Der Künstler hat thatsächlich aufgehört Client der Vornehmen zu sein,
er ist der Schützling eines großen Volkes geworden, und er soll sich hoch hüten,
diese unabhängige Stellung aufzugeben.




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_284469/42>, abgerufen am 18.06.2024.