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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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"Gefundenes Geld" heran, und bis sie uns in einen angeblich wohlfeilen
Laden weist, halten wir sie für die grundehrliche Reclame. "Ein Räthsel!"
seufzt eine vierte, an der göttlichen Gerechtigkeit irr geworden, "wie es noch
Menschen geben kann, die nicht bei Gebrüder X. kaufen". "Rechts, meine
Herren, wenn sie vom Dönhofsplatz kommen, Jcrusalemerstraße" u. s. w. lispelt
eine andere mit Verbeugung und sanfter Handbewegung -- die heiter gefällige
Reclame. "Krieg! Krieg! Krieg!" schnaubt mit zolllangen Buchstaben wieder
eine andere unter allerhand friedfertigen Artikeln einer pennsylvanischen Zeitung
uns an, und wir gerathen in Aufregung über so viel Blutdurst ohne ersichtliche
Veranlassung, bis wir mit Perlschrift erfahren: "nicht gegen England, sondern
gegen Ratten, Mäuse, Wanzen und anderes Ungeziefer durch Lyons magne¬
tisches Pulver".

Diese Classification ließe sich ins Endlose fortsetzen. Wir aber können
hier nur noch auf zwei Formen unsres Gegenstandes aufmerksam machen. Die
eine ist die mitleidige Reclame, die etwa so beginnt: "Zum Besten jedes
weniger Begüterten! machen wir darauf aufmerksam, daß ein höchst vor"
theilhafter Einkauf uns in den Stand gesetzt hat" -- den Rest erräth man.
Potenzirt verwandelt diese Art sich in die reine Milch der Menschenfreundlich¬
keit, wie wenn in Hamburger Blättern das Anerbieten zu lesen war, für nur
einen Thaler jedermann Belehrung zu ertheilen zu schleuniger Erwerbung eines
Vermögens -- ein Anerbieten, welches freilich nur auf dem Papier gut aussah,
in der Wirklichkeit aber nichts Anderes als die Annonce eines Lotteriecollecteurs
war. Besonders schön ist wieder ein amerikanisches Exemplar dieser Gattung,
welches sich der "Barmherzige Samariter" nennt. Auf die großen Zeiten der
Pillen-Aera, wo Morrison und Brandrcth unter den Uankees sich fürstliche
Reichthümer erworben, folgte die goldne Periode der Sarsaparilla, die mit
Doctor Townsend begann und mit Doctor Bull den Gipfel der Vollendung
erstieg. Es war natürlich alles von Anfang bis zu Ende Humbug. und auf
die Entdeckung dieser Thatsache hin begründete ein kluger Kopf ein neues
System der medicinischen Prellkunst. Er begann damit, jene saubern College"
sammt und sonders als Ignoranten und Schwindler hinzustellen und ihnen die
schmachvollste Versündigung an der leidenden Menschheit vorzuwerfen. Dann
zog er unter dem Namen des "Llooä Lailiaritarr", überall vorher gehörig an-
noncirt, von Ort zu Ort, um allen Mühseligen und Beladenen unentgeltlich
seinen Rath zu ertheilen. Soweit war das ganz löblich, aber das dicke Ende
kommt erst nach. Nur der Rath wurde umsonst gespendet, die Medicin dagegen,
das Object dieses Rathes und der ganzen menschenfreundlichen Unternehmung,
ließ der Schelm sich mit guten harten Dollars bezahlen, und da die Welt be¬
zogen sein will, so brachte ihm seine Barmherzigkeit deren eine recht ansehnliche
Anzahl in die Kasse.


nzboten II. 1866. Is

„Gefundenes Geld" heran, und bis sie uns in einen angeblich wohlfeilen
Laden weist, halten wir sie für die grundehrliche Reclame. „Ein Räthsel!"
seufzt eine vierte, an der göttlichen Gerechtigkeit irr geworden, „wie es noch
Menschen geben kann, die nicht bei Gebrüder X. kaufen". „Rechts, meine
Herren, wenn sie vom Dönhofsplatz kommen, Jcrusalemerstraße" u. s. w. lispelt
eine andere mit Verbeugung und sanfter Handbewegung — die heiter gefällige
Reclame. „Krieg! Krieg! Krieg!" schnaubt mit zolllangen Buchstaben wieder
eine andere unter allerhand friedfertigen Artikeln einer pennsylvanischen Zeitung
uns an, und wir gerathen in Aufregung über so viel Blutdurst ohne ersichtliche
Veranlassung, bis wir mit Perlschrift erfahren: „nicht gegen England, sondern
gegen Ratten, Mäuse, Wanzen und anderes Ungeziefer durch Lyons magne¬
tisches Pulver".

Diese Classification ließe sich ins Endlose fortsetzen. Wir aber können
hier nur noch auf zwei Formen unsres Gegenstandes aufmerksam machen. Die
eine ist die mitleidige Reclame, die etwa so beginnt: „Zum Besten jedes
weniger Begüterten! machen wir darauf aufmerksam, daß ein höchst vor«
theilhafter Einkauf uns in den Stand gesetzt hat" — den Rest erräth man.
Potenzirt verwandelt diese Art sich in die reine Milch der Menschenfreundlich¬
keit, wie wenn in Hamburger Blättern das Anerbieten zu lesen war, für nur
einen Thaler jedermann Belehrung zu ertheilen zu schleuniger Erwerbung eines
Vermögens — ein Anerbieten, welches freilich nur auf dem Papier gut aussah,
in der Wirklichkeit aber nichts Anderes als die Annonce eines Lotteriecollecteurs
war. Besonders schön ist wieder ein amerikanisches Exemplar dieser Gattung,
welches sich der „Barmherzige Samariter" nennt. Auf die großen Zeiten der
Pillen-Aera, wo Morrison und Brandrcth unter den Uankees sich fürstliche
Reichthümer erworben, folgte die goldne Periode der Sarsaparilla, die mit
Doctor Townsend begann und mit Doctor Bull den Gipfel der Vollendung
erstieg. Es war natürlich alles von Anfang bis zu Ende Humbug. und auf
die Entdeckung dieser Thatsache hin begründete ein kluger Kopf ein neues
System der medicinischen Prellkunst. Er begann damit, jene saubern College»
sammt und sonders als Ignoranten und Schwindler hinzustellen und ihnen die
schmachvollste Versündigung an der leidenden Menschheit vorzuwerfen. Dann
zog er unter dem Namen des „Llooä Lailiaritarr", überall vorher gehörig an-
noncirt, von Ort zu Ort, um allen Mühseligen und Beladenen unentgeltlich
seinen Rath zu ertheilen. Soweit war das ganz löblich, aber das dicke Ende
kommt erst nach. Nur der Rath wurde umsonst gespendet, die Medicin dagegen,
das Object dieses Rathes und der ganzen menschenfreundlichen Unternehmung,
ließ der Schelm sich mit guten harten Dollars bezahlen, und da die Welt be¬
zogen sein will, so brachte ihm seine Barmherzigkeit deren eine recht ansehnliche
Anzahl in die Kasse.


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[0127] „Gefundenes Geld" heran, und bis sie uns in einen angeblich wohlfeilen Laden weist, halten wir sie für die grundehrliche Reclame. „Ein Räthsel!" seufzt eine vierte, an der göttlichen Gerechtigkeit irr geworden, „wie es noch Menschen geben kann, die nicht bei Gebrüder X. kaufen". „Rechts, meine Herren, wenn sie vom Dönhofsplatz kommen, Jcrusalemerstraße" u. s. w. lispelt eine andere mit Verbeugung und sanfter Handbewegung — die heiter gefällige Reclame. „Krieg! Krieg! Krieg!" schnaubt mit zolllangen Buchstaben wieder eine andere unter allerhand friedfertigen Artikeln einer pennsylvanischen Zeitung uns an, und wir gerathen in Aufregung über so viel Blutdurst ohne ersichtliche Veranlassung, bis wir mit Perlschrift erfahren: „nicht gegen England, sondern gegen Ratten, Mäuse, Wanzen und anderes Ungeziefer durch Lyons magne¬ tisches Pulver". Diese Classification ließe sich ins Endlose fortsetzen. Wir aber können hier nur noch auf zwei Formen unsres Gegenstandes aufmerksam machen. Die eine ist die mitleidige Reclame, die etwa so beginnt: „Zum Besten jedes weniger Begüterten! machen wir darauf aufmerksam, daß ein höchst vor« theilhafter Einkauf uns in den Stand gesetzt hat" — den Rest erräth man. Potenzirt verwandelt diese Art sich in die reine Milch der Menschenfreundlich¬ keit, wie wenn in Hamburger Blättern das Anerbieten zu lesen war, für nur einen Thaler jedermann Belehrung zu ertheilen zu schleuniger Erwerbung eines Vermögens — ein Anerbieten, welches freilich nur auf dem Papier gut aussah, in der Wirklichkeit aber nichts Anderes als die Annonce eines Lotteriecollecteurs war. Besonders schön ist wieder ein amerikanisches Exemplar dieser Gattung, welches sich der „Barmherzige Samariter" nennt. Auf die großen Zeiten der Pillen-Aera, wo Morrison und Brandrcth unter den Uankees sich fürstliche Reichthümer erworben, folgte die goldne Periode der Sarsaparilla, die mit Doctor Townsend begann und mit Doctor Bull den Gipfel der Vollendung erstieg. Es war natürlich alles von Anfang bis zu Ende Humbug. und auf die Entdeckung dieser Thatsache hin begründete ein kluger Kopf ein neues System der medicinischen Prellkunst. Er begann damit, jene saubern College» sammt und sonders als Ignoranten und Schwindler hinzustellen und ihnen die schmachvollste Versündigung an der leidenden Menschheit vorzuwerfen. Dann zog er unter dem Namen des „Llooä Lailiaritarr", überall vorher gehörig an- noncirt, von Ort zu Ort, um allen Mühseligen und Beladenen unentgeltlich seinen Rath zu ertheilen. Soweit war das ganz löblich, aber das dicke Ende kommt erst nach. Nur der Rath wurde umsonst gespendet, die Medicin dagegen, das Object dieses Rathes und der ganzen menschenfreundlichen Unternehmung, ließ der Schelm sich mit guten harten Dollars bezahlen, und da die Welt be¬ zogen sein will, so brachte ihm seine Barmherzigkeit deren eine recht ansehnliche Anzahl in die Kasse. nzboten II. 1866. Is

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/127>, abgerufen am 04.06.2024.