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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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den war. Erkältung und lleberanstrengung in seiner Kunst wurden die äußer¬
lichen Ursachen seines frühen Todes, den eine tiefe innere Verstimmung, die
sehr natürliche Frucht bittrer Fehlschläge und Enttäuschungen in seinen besten
gerechtesten Erwartungen vom Leben, länger schon innerlich vorbereitet haben
mochte. Er starb nach qualvoller Krankheit am 9. Juni 1863.

Auch wer den Dahingcgangnen nicht in seinen (Glogau bei Flemming er¬
schienen neuerdings seine Rathhauspläne) Werken und Projecten kennt, muß
ihn lieben und hochschätzen und des Herausgebers Freundeslvb nur als ge¬
recht erkennen lernen aus der Lectüre dieses italienischen Tagebuchs. Es ist
nicht für Andre, am wenigsten für eine dereinstige Veröffentlichung geschrieben,
sondern nur zum Zweck, dem Künstler selbst die Eindrücke, die er auf der
Reise empfangen, festzuhalten. Es ist in dem ganzen Buch nicht eine Stelle
selbstbespiegelnder Schönrednerei. Ueberall sieht, spricht und schreibt der prak¬
tische, klar und gründlich durchbildete Künstler, der bei aufgeschlossenem warmem
und lebhaftem Sinn für alle Schönheit der Erscheinung, für alle Größe des
Inhalts, für die Mannigfaltigkeit der weltlichen und geistigen Dinge doch
immer zunächst und vor allem auf das losgeht, was ihm als das Wichtigste,
Wesentlichste gilr, auf die Werke und Denkmale seiner speciellen Kunst, und
diese nicht wie der gebildete Dilettant, der poetisch angeregte, sich in dem
blumigen Gerede über das Unverstandene befriedigende und genießende, laienhafte
Betrachter ansieht, sondern als der tüchtige Mann vom Handwerk, der sofort
genau weiß, worauf es ankommt. Er hat eine Schärfe des Blicks für das
Constructive. ein Erkenntniß- und Auseinanderlegungsvermögen der complicir-
testen Anlagen, eine Feinheit und parteilose Unbefangenheit des Geschmacks
und ästhetischen Urtheils in architektonischen Dingen, die ganz erstaunlich sind
und wahrhaft wohlthuend wirken. Und zwar doppelt erfreulich diesen Monu>
merken des classischen Landes der Kunst gegenüber, welche eben jener nicht-
wissenden, sentimental poetisirenden Dilettantenredncrei immer zum erwünsch¬
testen Object haben dienen müssen. Aber Rost bleibt bei dieser präcisen Ver-
anschaulichung der Bauwerke durch sein klares Wort nicht stehen, sondern
zeichnet immer den Kern der Sache, die er schildert, gleich daneben hin, ganz
kleine miniaturartige Blättchen, von entzückender Feinheit, Schärfe und Ver¬
ständlichkeit, seien es Grundrisse. Aufrisse, Interieurs, perspektivische Ansichten,
Details der Construction oder der Decoration. Bei der außerordentlichen Ein¬
fachheit der angewandten Mittel ist das, was er damit erreicht, um so bewun-
dernswerther. Es mag eine schwere Aufgabe gewesen sein, diese große ZaKl
kleinster Meisterskizzen charaktergetrcu auf den Holzstock zu übertragen. Durch
die mit ebensoviel Liebe zu dem Werk des verewigten Freundes als Verständ¬
niß und Geschick für die Sache geübte Mitthätigkeit der Architekten Vogler


Grenzboten II. 1866. 20

den war. Erkältung und lleberanstrengung in seiner Kunst wurden die äußer¬
lichen Ursachen seines frühen Todes, den eine tiefe innere Verstimmung, die
sehr natürliche Frucht bittrer Fehlschläge und Enttäuschungen in seinen besten
gerechtesten Erwartungen vom Leben, länger schon innerlich vorbereitet haben
mochte. Er starb nach qualvoller Krankheit am 9. Juni 1863.

Auch wer den Dahingcgangnen nicht in seinen (Glogau bei Flemming er¬
schienen neuerdings seine Rathhauspläne) Werken und Projecten kennt, muß
ihn lieben und hochschätzen und des Herausgebers Freundeslvb nur als ge¬
recht erkennen lernen aus der Lectüre dieses italienischen Tagebuchs. Es ist
nicht für Andre, am wenigsten für eine dereinstige Veröffentlichung geschrieben,
sondern nur zum Zweck, dem Künstler selbst die Eindrücke, die er auf der
Reise empfangen, festzuhalten. Es ist in dem ganzen Buch nicht eine Stelle
selbstbespiegelnder Schönrednerei. Ueberall sieht, spricht und schreibt der prak¬
tische, klar und gründlich durchbildete Künstler, der bei aufgeschlossenem warmem
und lebhaftem Sinn für alle Schönheit der Erscheinung, für alle Größe des
Inhalts, für die Mannigfaltigkeit der weltlichen und geistigen Dinge doch
immer zunächst und vor allem auf das losgeht, was ihm als das Wichtigste,
Wesentlichste gilr, auf die Werke und Denkmale seiner speciellen Kunst, und
diese nicht wie der gebildete Dilettant, der poetisch angeregte, sich in dem
blumigen Gerede über das Unverstandene befriedigende und genießende, laienhafte
Betrachter ansieht, sondern als der tüchtige Mann vom Handwerk, der sofort
genau weiß, worauf es ankommt. Er hat eine Schärfe des Blicks für das
Constructive. ein Erkenntniß- und Auseinanderlegungsvermögen der complicir-
testen Anlagen, eine Feinheit und parteilose Unbefangenheit des Geschmacks
und ästhetischen Urtheils in architektonischen Dingen, die ganz erstaunlich sind
und wahrhaft wohlthuend wirken. Und zwar doppelt erfreulich diesen Monu>
merken des classischen Landes der Kunst gegenüber, welche eben jener nicht-
wissenden, sentimental poetisirenden Dilettantenredncrei immer zum erwünsch¬
testen Object haben dienen müssen. Aber Rost bleibt bei dieser präcisen Ver-
anschaulichung der Bauwerke durch sein klares Wort nicht stehen, sondern
zeichnet immer den Kern der Sache, die er schildert, gleich daneben hin, ganz
kleine miniaturartige Blättchen, von entzückender Feinheit, Schärfe und Ver¬
ständlichkeit, seien es Grundrisse. Aufrisse, Interieurs, perspektivische Ansichten,
Details der Construction oder der Decoration. Bei der außerordentlichen Ein¬
fachheit der angewandten Mittel ist das, was er damit erreicht, um so bewun-
dernswerther. Es mag eine schwere Aufgabe gewesen sein, diese große ZaKl
kleinster Meisterskizzen charaktergetrcu auf den Holzstock zu übertragen. Durch
die mit ebensoviel Liebe zu dem Werk des verewigten Freundes als Verständ¬
niß und Geschick für die Sache geübte Mitthätigkeit der Architekten Vogler


Grenzboten II. 1866. 20
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/169>, abgerufen am 26.05.2024.