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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Seele um so tiefer verwunden, als ihr der bitterste Beigeschmack nicht fehlen
sollte. Wie so oft bei ähnlichen Concurrenzen geschah es auch hier: alle auf¬
gewandte Arbeit so vieler begabter Künstler erwies sich seither als ein unnützes
Spiel. Beim Rathhaus in Berlin wenigstens wurde ein unbedeutender Archi¬
tekt, ohne sich überhaupt an der Concurrenz betheiligt zu habe", zur Ausfüh¬
rung des Baus berufen. Ein neuer Beweis, zu welch frivolem Spiel die mit
Recht verrufenen Concurrenzen herabgesunken sind." 1859 im Herbst nach
Deutschland zurückgekehrt, veranlaßte Rost der immer leidenschaftlicher werdende
Wunsch seines Herzens, eine Gelegenheit zu finden, die großartigen Entwürfe
seiner künstlerischen Phantasie zur Verwirklichung zu bringen, sich trotz jener
Erfahrungen von neuem an der Bewerbung zu betheiligen, als die berliner
Commune eine nochmalige Concurrenz für einen von dem zuerst beabsichtigten
abweichenden Rathhausbau (ohne Läden im Erdgeschoß) aufschrieb. Sein dies¬
maliger Entwurf soll durch Klarheit der Anlage und Originalität der Con¬
ception die beiden vorhergehenden noch übertroffen haben und wäre, ausgeführt,
eine wahrhaft großartige Zierde der Residenz geworden. Auch sein Schicksal
haben wir in dem obengenannten Endresultat der ganzen Bewerbung schon mit¬
erzählt. -- Wenn ihm die eigentlich großen Kunstaufgaben versagt blieben, so
konnte er doch während seiner kurzen übrigen Lebensjahre wenigstens auch an den
einfachsten und beschränkten Bauten des gewöhnlicheren praktischen Bedürfnisses in
Staat und Gemeinde seine innere Tüchtigkeit, sein tiefes Gefühl für das Vernünf¬
tige der Anordnung, das Echte, Wahrhaftige, den Schein Verschmähende in der
Ausführung, und seinen reinen künstlerischen Sinn für "räumliche Wirkung und
rhythmische Bewegung der Massen" thatsächlich bewähren. Es sind von solchen
Werken nobis zu nennen das Irrenhaus für Westfalen, bei dessen Entwürfen
er, wie Lübke sagt, "in vollem Maße kennen lernen sollte, was es heißt, mit
einer complicirten Verwaltungsmaschwerie zu thun zu haben, die alles besser
weiß, von der Kunst nichts versteht und den Architekten höchstens für eine be¬
sonders unbequeme Art von Handwerkern ansieht"; die trefflich angeordnete
und in solidem Backsteinwerk durchgeführte katholische Schule zu Mühlheim
a. d. Ruhr, das Waisenhaus ebendaselbst, die katholische Kirche zu Styrum, die
evangelische zu Oberhausen, die Turnhalle zu Mühlheim, das Waisenhaus und
die Schützenhalle zu Iserlohn. Dazu kommt die mit seinem Freunde Vogler
in Wiesbaden gemeinsam veranstaltete Aufnahme und Herausgabe von Zeich¬
nungen der musterhaft eleganten Chorstühle im Kapitelsaal zu Köln. In Köln,
wohin er 1862 übersiedelte, schuf er sein letztes Project. den Entwurf des
Wintergartens Flora für diese Stadt, um auch hier wieder die letzte schmerz¬
liche Erfahrung in seinem Beruf zu machen, daß nach der bei Concurrenzen
nun schon üblich gewordenen empörenden Rücksichtslosigkeit die Ausführung
einem andern Architekten übertragen wurde, dessen Project zurückgewiesen wor-


Seele um so tiefer verwunden, als ihr der bitterste Beigeschmack nicht fehlen
sollte. Wie so oft bei ähnlichen Concurrenzen geschah es auch hier: alle auf¬
gewandte Arbeit so vieler begabter Künstler erwies sich seither als ein unnützes
Spiel. Beim Rathhaus in Berlin wenigstens wurde ein unbedeutender Archi¬
tekt, ohne sich überhaupt an der Concurrenz betheiligt zu habe», zur Ausfüh¬
rung des Baus berufen. Ein neuer Beweis, zu welch frivolem Spiel die mit
Recht verrufenen Concurrenzen herabgesunken sind." 1859 im Herbst nach
Deutschland zurückgekehrt, veranlaßte Rost der immer leidenschaftlicher werdende
Wunsch seines Herzens, eine Gelegenheit zu finden, die großartigen Entwürfe
seiner künstlerischen Phantasie zur Verwirklichung zu bringen, sich trotz jener
Erfahrungen von neuem an der Bewerbung zu betheiligen, als die berliner
Commune eine nochmalige Concurrenz für einen von dem zuerst beabsichtigten
abweichenden Rathhausbau (ohne Läden im Erdgeschoß) aufschrieb. Sein dies¬
maliger Entwurf soll durch Klarheit der Anlage und Originalität der Con¬
ception die beiden vorhergehenden noch übertroffen haben und wäre, ausgeführt,
eine wahrhaft großartige Zierde der Residenz geworden. Auch sein Schicksal
haben wir in dem obengenannten Endresultat der ganzen Bewerbung schon mit¬
erzählt. — Wenn ihm die eigentlich großen Kunstaufgaben versagt blieben, so
konnte er doch während seiner kurzen übrigen Lebensjahre wenigstens auch an den
einfachsten und beschränkten Bauten des gewöhnlicheren praktischen Bedürfnisses in
Staat und Gemeinde seine innere Tüchtigkeit, sein tiefes Gefühl für das Vernünf¬
tige der Anordnung, das Echte, Wahrhaftige, den Schein Verschmähende in der
Ausführung, und seinen reinen künstlerischen Sinn für „räumliche Wirkung und
rhythmische Bewegung der Massen" thatsächlich bewähren. Es sind von solchen
Werken nobis zu nennen das Irrenhaus für Westfalen, bei dessen Entwürfen
er, wie Lübke sagt, „in vollem Maße kennen lernen sollte, was es heißt, mit
einer complicirten Verwaltungsmaschwerie zu thun zu haben, die alles besser
weiß, von der Kunst nichts versteht und den Architekten höchstens für eine be¬
sonders unbequeme Art von Handwerkern ansieht"; die trefflich angeordnete
und in solidem Backsteinwerk durchgeführte katholische Schule zu Mühlheim
a. d. Ruhr, das Waisenhaus ebendaselbst, die katholische Kirche zu Styrum, die
evangelische zu Oberhausen, die Turnhalle zu Mühlheim, das Waisenhaus und
die Schützenhalle zu Iserlohn. Dazu kommt die mit seinem Freunde Vogler
in Wiesbaden gemeinsam veranstaltete Aufnahme und Herausgabe von Zeich¬
nungen der musterhaft eleganten Chorstühle im Kapitelsaal zu Köln. In Köln,
wohin er 1862 übersiedelte, schuf er sein letztes Project. den Entwurf des
Wintergartens Flora für diese Stadt, um auch hier wieder die letzte schmerz¬
liche Erfahrung in seinem Beruf zu machen, daß nach der bei Concurrenzen
nun schon üblich gewordenen empörenden Rücksichtslosigkeit die Ausführung
einem andern Architekten übertragen wurde, dessen Project zurückgewiesen wor-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/168>, abgerufen am 29.05.2024.