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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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besserungen und Correcturen der Arbeit der geheimnißvollen Naturkraft mit
vielem Beifall.

Die eigentlich wissenschaftliche Forscher- und Entdeckerarbeit aber konnte
sich an dem bisher Erreichten unmöglich genügen lassen. Die Herstellung des
Lichtbildes auf Papier war das nächste Ziel, auf welches sie sich richtete.
Wenig nach Daguerre erreichte der Engländer Talbot jenes große Resultat,
das bald genug des erstem Erfindung für immer in den Hintergrund drängen
solltet Das entscheidend Wichtige bei Talbots Verfahren war die Gewinnung
eines Negativbildes. Statt auf der jodirten Silberplatte sing er das Bild
des Gegenstandes in der Camera auf einem mit Zodsilber getränkten Papier
auf, worauf er es erst durch Baden in Gallussäure sichtbar werden ließ. Das
so hervorgerufene aber ist nicht nur wie das Daguerreotyp ein umgekehrtes
Spiegelbild, sondern ein durchweg negatives, in welchem auch das Gradver-
hältniß der Töne ein grade dem wirklichen entgegengesetztes ist. Die hellsten
Lichtpartien in diesem sind im Bilde grade zu den tiefsten Dunkelheiten
geworden und so umgekehrt. Indem er nun unter dieses negativ ein ebenso
lichtempfindlich gemachtes Papier legte und beide eng zusammengepreßt der
Sonne aussetzte, erzeugte diese, die lichten Stellen des negativen durchscheinend,
die entsprechenden Dunkelheiten auf dem zweiten Papier, und wo die tiefen
des erstem den Durchgang des Lichts verwehrten, die ebenso entsprechenden
Helligkeiten. Das positive in Licht- und Schattenwirkung wie in Stellung der
Gegenstände mit dem wirklichen Original durchaus übereinstimmende Bild war
gewonnen. Die Tragweite und die Folgen dieser Entdeckung liegen auf der
Hand. Denn nun erst war die fast unbegrenzte Vervielfältigungsfähigkeit des
photographischen Bildes gewonnen: der Wettstreit mit den bisherigen repro-
ducirenden Künsten begann und bedrohte diese gefährlicher, als das Daguerreotyp
die Porträtmalerei zu bedrohen vermochte. Aber nicht so schnell wie jenes
konnten sich die neuen zum Unterschied "Photographien" bezeichneten Bilder
in der Gunst des Publikums einbürgern. Die immer rauhe Oberfläche des
Papiers gab auch rauhe grobkörnige Bilder, welche nicht entfernt den Vergleich
mit der Schärfe und Glätte der auf der Silberplatte erzeugten aushielten. Das
änderte sich bereits, als der Neffe und Nachfolger Niepccs die Papiernegativs
durch Glasplatten ersetzte, welche er mit Eiweiß als Träger des lichtempfind¬
lichen Silbersalzes überzog. Die Feinheit und Glätte war für die darauf er¬
zeugten Bilder gewonnen; aber die Schwierigkeit und die Zufälligkeit des
Gelingens waren diesem Verfahren hinderlich an der allgemeinen Verbreitung
und Handhabung. Hier geschah der große Schritt vorwärts durch die Ent¬
deckung des, Collodiume, jenes Products, welches durch Auslösung von Schieß,
baumwolle in Alkoholäther entsteht und beim Verdunsten ein feines durch,
sichtiges Häutchen zurückläßt. Fry und Bingham und gleichzeitig Archer in
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besserungen und Correcturen der Arbeit der geheimnißvollen Naturkraft mit
vielem Beifall.

Die eigentlich wissenschaftliche Forscher- und Entdeckerarbeit aber konnte
sich an dem bisher Erreichten unmöglich genügen lassen. Die Herstellung des
Lichtbildes auf Papier war das nächste Ziel, auf welches sie sich richtete.
Wenig nach Daguerre erreichte der Engländer Talbot jenes große Resultat,
das bald genug des erstem Erfindung für immer in den Hintergrund drängen
solltet Das entscheidend Wichtige bei Talbots Verfahren war die Gewinnung
eines Negativbildes. Statt auf der jodirten Silberplatte sing er das Bild
des Gegenstandes in der Camera auf einem mit Zodsilber getränkten Papier
auf, worauf er es erst durch Baden in Gallussäure sichtbar werden ließ. Das
so hervorgerufene aber ist nicht nur wie das Daguerreotyp ein umgekehrtes
Spiegelbild, sondern ein durchweg negatives, in welchem auch das Gradver-
hältniß der Töne ein grade dem wirklichen entgegengesetztes ist. Die hellsten
Lichtpartien in diesem sind im Bilde grade zu den tiefsten Dunkelheiten
geworden und so umgekehrt. Indem er nun unter dieses negativ ein ebenso
lichtempfindlich gemachtes Papier legte und beide eng zusammengepreßt der
Sonne aussetzte, erzeugte diese, die lichten Stellen des negativen durchscheinend,
die entsprechenden Dunkelheiten auf dem zweiten Papier, und wo die tiefen
des erstem den Durchgang des Lichts verwehrten, die ebenso entsprechenden
Helligkeiten. Das positive in Licht- und Schattenwirkung wie in Stellung der
Gegenstände mit dem wirklichen Original durchaus übereinstimmende Bild war
gewonnen. Die Tragweite und die Folgen dieser Entdeckung liegen auf der
Hand. Denn nun erst war die fast unbegrenzte Vervielfältigungsfähigkeit des
photographischen Bildes gewonnen: der Wettstreit mit den bisherigen repro-
ducirenden Künsten begann und bedrohte diese gefährlicher, als das Daguerreotyp
die Porträtmalerei zu bedrohen vermochte. Aber nicht so schnell wie jenes
konnten sich die neuen zum Unterschied „Photographien" bezeichneten Bilder
in der Gunst des Publikums einbürgern. Die immer rauhe Oberfläche des
Papiers gab auch rauhe grobkörnige Bilder, welche nicht entfernt den Vergleich
mit der Schärfe und Glätte der auf der Silberplatte erzeugten aushielten. Das
änderte sich bereits, als der Neffe und Nachfolger Niepccs die Papiernegativs
durch Glasplatten ersetzte, welche er mit Eiweiß als Träger des lichtempfind¬
lichen Silbersalzes überzog. Die Feinheit und Glätte war für die darauf er¬
zeugten Bilder gewonnen; aber die Schwierigkeit und die Zufälligkeit des
Gelingens waren diesem Verfahren hinderlich an der allgemeinen Verbreitung
und Handhabung. Hier geschah der große Schritt vorwärts durch die Ent¬
deckung des, Collodiume, jenes Products, welches durch Auslösung von Schieß,
baumwolle in Alkoholäther entsteht und beim Verdunsten ein feines durch,
sichtiges Häutchen zurückläßt. Fry und Bingham und gleichzeitig Archer in
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[0181] besserungen und Correcturen der Arbeit der geheimnißvollen Naturkraft mit vielem Beifall. Die eigentlich wissenschaftliche Forscher- und Entdeckerarbeit aber konnte sich an dem bisher Erreichten unmöglich genügen lassen. Die Herstellung des Lichtbildes auf Papier war das nächste Ziel, auf welches sie sich richtete. Wenig nach Daguerre erreichte der Engländer Talbot jenes große Resultat, das bald genug des erstem Erfindung für immer in den Hintergrund drängen solltet Das entscheidend Wichtige bei Talbots Verfahren war die Gewinnung eines Negativbildes. Statt auf der jodirten Silberplatte sing er das Bild des Gegenstandes in der Camera auf einem mit Zodsilber getränkten Papier auf, worauf er es erst durch Baden in Gallussäure sichtbar werden ließ. Das so hervorgerufene aber ist nicht nur wie das Daguerreotyp ein umgekehrtes Spiegelbild, sondern ein durchweg negatives, in welchem auch das Gradver- hältniß der Töne ein grade dem wirklichen entgegengesetztes ist. Die hellsten Lichtpartien in diesem sind im Bilde grade zu den tiefsten Dunkelheiten geworden und so umgekehrt. Indem er nun unter dieses negativ ein ebenso lichtempfindlich gemachtes Papier legte und beide eng zusammengepreßt der Sonne aussetzte, erzeugte diese, die lichten Stellen des negativen durchscheinend, die entsprechenden Dunkelheiten auf dem zweiten Papier, und wo die tiefen des erstem den Durchgang des Lichts verwehrten, die ebenso entsprechenden Helligkeiten. Das positive in Licht- und Schattenwirkung wie in Stellung der Gegenstände mit dem wirklichen Original durchaus übereinstimmende Bild war gewonnen. Die Tragweite und die Folgen dieser Entdeckung liegen auf der Hand. Denn nun erst war die fast unbegrenzte Vervielfältigungsfähigkeit des photographischen Bildes gewonnen: der Wettstreit mit den bisherigen repro- ducirenden Künsten begann und bedrohte diese gefährlicher, als das Daguerreotyp die Porträtmalerei zu bedrohen vermochte. Aber nicht so schnell wie jenes konnten sich die neuen zum Unterschied „Photographien" bezeichneten Bilder in der Gunst des Publikums einbürgern. Die immer rauhe Oberfläche des Papiers gab auch rauhe grobkörnige Bilder, welche nicht entfernt den Vergleich mit der Schärfe und Glätte der auf der Silberplatte erzeugten aushielten. Das änderte sich bereits, als der Neffe und Nachfolger Niepccs die Papiernegativs durch Glasplatten ersetzte, welche er mit Eiweiß als Träger des lichtempfind¬ lichen Silbersalzes überzog. Die Feinheit und Glätte war für die darauf er¬ zeugten Bilder gewonnen; aber die Schwierigkeit und die Zufälligkeit des Gelingens waren diesem Verfahren hinderlich an der allgemeinen Verbreitung und Handhabung. Hier geschah der große Schritt vorwärts durch die Ent¬ deckung des, Collodiume, jenes Products, welches durch Auslösung von Schieß, baumwolle in Alkoholäther entsteht und beim Verdunsten ein feines durch, sichtiges Häutchen zurückläßt. Fry und Bingham und gleichzeitig Archer in " 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/181>, abgerufen am 04.06.2024.