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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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düngen, revolutionären Bestrebungen u. s. w. angeregte Mißtrauen des Königs
in eine Art Schrecken verwandelt; die Kleinmüthigen und Bewunderer Napo¬
leons erhielten die Oberhand, und an eine Theilnahme am Kriege war nicht
mehr zu denken. Am 2. Mai schrieb Gneisenciu von Glatz aus, wo er in¬
folge einer Dienstreise sich aufhielt, an seine Frau: "Arme deutsche Nation,
die nur durch ihre Fürsten untergeht." -- Nach Königsberg wenige Tage dar¬
auf zurückgekehrt, schreibt Gneisenau:

"Gegen Scharnhorst treten heimliche Denuncianten auf und er wird alß.
handelt. Graf Chasot. Commandant von Berlin, ist zur Verantwortung hier-
her berufen. Auch gegen mich fand eine Anklage statt und wurde ausdrücklich
deshalb ein Courier hierher gesandt. Ich sollte einer der Anführer der Ver¬
schwörung sein, die eine Thronrevolution bewirken wollte. Man hat mich in.
dessen noch nicht officiell davon unterrichtet, und man muß Wohl an meine Un¬
schuld glauben, da der König mich zum Obersten ernannt hat (am 10. März
schon). Die Anklage ist dumm und lächerlich. Der Ankläger ist ein Mensch,
der notorisch den Franzosen verkauft ist. Aber ich finde es sehr consequent ge¬
dacht, daß die an Frankreich ergebenen Leute mich zu entfernen trachten. Die
Thoren, ich bin ja Willens von selbst abzutreten."

Blücher schrieb, Stargard, den 14. Mai:

"Ew. Hochgebohren erhallten daß wenige, so sich hier merkwürdiges ereig¬
net hat: die Schillsche Expedition ist zu ende, er ist als ein braver Kerll ge¬
fallen, hat aber sein Haupt theuer verkauft; 8 bis 900 man, auch 250 Pferde
nebst Villen Waffen von diesem Hauffer sind wieder in mein Verwahrsam. Un-
sehliger Verdruß ist mich zu theil geworden; da zu schilt Seine Magisted gegen mich
mißtrauen zu äußern. Dieses habe ich denn da durch begegnet, daß ich meinen
Abschid verlangt; statt dessen hat man mich zum General! der Kavallerie er¬
nannt; ich habe ihm gedankt, aber auch grade dabey gesagt, der Generall der
Kavallerie würde nie änderst denken und handeln, als der Generall Lieutenant,
und wenn ich nicht mehr im besitz seines zu Traums wehre, hetten sie dieß
kein wehrt vir mich, noch will ich eine kleine Frist geben; ordnet es sich dann
nicht, kommen wir nicht zu einem entschluß, so gehe ich und verwende meine
kreffte, die ich noch habe, zum besten meines bedrängten deutschen Vaterlands.
Trage Fesseln, wer da will, ich nicht. Schreiben sie mich doch la ballt wieder,
und glauben, daß ich alles von Ihnen dankbahr Einfange."

Das in diesen Zeiten gegen Gneisenau gesäete Mißtrauen hat aber doch
Früchte getragen; denn schon 1813 und in viel höherem Maße 1817 und fol¬
gende Jahre bei Gelegenheit der großen Demagogenjagd in Deutschland, hat
man an höchster Stelle die 1808 entwickelte Thätigkeit, das Volk zur Kraft
und Geltung zu bringen, in Rechnung gebracht. Aber auch Gneisenau hat.
seit er damals die Schwäche des Königs erkannte, seine ferneren Bestrebungen


düngen, revolutionären Bestrebungen u. s. w. angeregte Mißtrauen des Königs
in eine Art Schrecken verwandelt; die Kleinmüthigen und Bewunderer Napo¬
leons erhielten die Oberhand, und an eine Theilnahme am Kriege war nicht
mehr zu denken. Am 2. Mai schrieb Gneisenciu von Glatz aus, wo er in¬
folge einer Dienstreise sich aufhielt, an seine Frau: „Arme deutsche Nation,
die nur durch ihre Fürsten untergeht." — Nach Königsberg wenige Tage dar¬
auf zurückgekehrt, schreibt Gneisenau:

„Gegen Scharnhorst treten heimliche Denuncianten auf und er wird alß.
handelt. Graf Chasot. Commandant von Berlin, ist zur Verantwortung hier-
her berufen. Auch gegen mich fand eine Anklage statt und wurde ausdrücklich
deshalb ein Courier hierher gesandt. Ich sollte einer der Anführer der Ver¬
schwörung sein, die eine Thronrevolution bewirken wollte. Man hat mich in.
dessen noch nicht officiell davon unterrichtet, und man muß Wohl an meine Un¬
schuld glauben, da der König mich zum Obersten ernannt hat (am 10. März
schon). Die Anklage ist dumm und lächerlich. Der Ankläger ist ein Mensch,
der notorisch den Franzosen verkauft ist. Aber ich finde es sehr consequent ge¬
dacht, daß die an Frankreich ergebenen Leute mich zu entfernen trachten. Die
Thoren, ich bin ja Willens von selbst abzutreten."

Blücher schrieb, Stargard, den 14. Mai:

„Ew. Hochgebohren erhallten daß wenige, so sich hier merkwürdiges ereig¬
net hat: die Schillsche Expedition ist zu ende, er ist als ein braver Kerll ge¬
fallen, hat aber sein Haupt theuer verkauft; 8 bis 900 man, auch 250 Pferde
nebst Villen Waffen von diesem Hauffer sind wieder in mein Verwahrsam. Un-
sehliger Verdruß ist mich zu theil geworden; da zu schilt Seine Magisted gegen mich
mißtrauen zu äußern. Dieses habe ich denn da durch begegnet, daß ich meinen
Abschid verlangt; statt dessen hat man mich zum General! der Kavallerie er¬
nannt; ich habe ihm gedankt, aber auch grade dabey gesagt, der Generall der
Kavallerie würde nie änderst denken und handeln, als der Generall Lieutenant,
und wenn ich nicht mehr im besitz seines zu Traums wehre, hetten sie dieß
kein wehrt vir mich, noch will ich eine kleine Frist geben; ordnet es sich dann
nicht, kommen wir nicht zu einem entschluß, so gehe ich und verwende meine
kreffte, die ich noch habe, zum besten meines bedrängten deutschen Vaterlands.
Trage Fesseln, wer da will, ich nicht. Schreiben sie mich doch la ballt wieder,
und glauben, daß ich alles von Ihnen dankbahr Einfange."

Das in diesen Zeiten gegen Gneisenau gesäete Mißtrauen hat aber doch
Früchte getragen; denn schon 1813 und in viel höherem Maße 1817 und fol¬
gende Jahre bei Gelegenheit der großen Demagogenjagd in Deutschland, hat
man an höchster Stelle die 1808 entwickelte Thätigkeit, das Volk zur Kraft
und Geltung zu bringen, in Rechnung gebracht. Aber auch Gneisenau hat.
seit er damals die Schwäche des Königs erkannte, seine ferneren Bestrebungen


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[0214] düngen, revolutionären Bestrebungen u. s. w. angeregte Mißtrauen des Königs in eine Art Schrecken verwandelt; die Kleinmüthigen und Bewunderer Napo¬ leons erhielten die Oberhand, und an eine Theilnahme am Kriege war nicht mehr zu denken. Am 2. Mai schrieb Gneisenciu von Glatz aus, wo er in¬ folge einer Dienstreise sich aufhielt, an seine Frau: „Arme deutsche Nation, die nur durch ihre Fürsten untergeht." — Nach Königsberg wenige Tage dar¬ auf zurückgekehrt, schreibt Gneisenau: „Gegen Scharnhorst treten heimliche Denuncianten auf und er wird alß. handelt. Graf Chasot. Commandant von Berlin, ist zur Verantwortung hier- her berufen. Auch gegen mich fand eine Anklage statt und wurde ausdrücklich deshalb ein Courier hierher gesandt. Ich sollte einer der Anführer der Ver¬ schwörung sein, die eine Thronrevolution bewirken wollte. Man hat mich in. dessen noch nicht officiell davon unterrichtet, und man muß Wohl an meine Un¬ schuld glauben, da der König mich zum Obersten ernannt hat (am 10. März schon). Die Anklage ist dumm und lächerlich. Der Ankläger ist ein Mensch, der notorisch den Franzosen verkauft ist. Aber ich finde es sehr consequent ge¬ dacht, daß die an Frankreich ergebenen Leute mich zu entfernen trachten. Die Thoren, ich bin ja Willens von selbst abzutreten." Blücher schrieb, Stargard, den 14. Mai: „Ew. Hochgebohren erhallten daß wenige, so sich hier merkwürdiges ereig¬ net hat: die Schillsche Expedition ist zu ende, er ist als ein braver Kerll ge¬ fallen, hat aber sein Haupt theuer verkauft; 8 bis 900 man, auch 250 Pferde nebst Villen Waffen von diesem Hauffer sind wieder in mein Verwahrsam. Un- sehliger Verdruß ist mich zu theil geworden; da zu schilt Seine Magisted gegen mich mißtrauen zu äußern. Dieses habe ich denn da durch begegnet, daß ich meinen Abschid verlangt; statt dessen hat man mich zum General! der Kavallerie er¬ nannt; ich habe ihm gedankt, aber auch grade dabey gesagt, der Generall der Kavallerie würde nie änderst denken und handeln, als der Generall Lieutenant, und wenn ich nicht mehr im besitz seines zu Traums wehre, hetten sie dieß kein wehrt vir mich, noch will ich eine kleine Frist geben; ordnet es sich dann nicht, kommen wir nicht zu einem entschluß, so gehe ich und verwende meine kreffte, die ich noch habe, zum besten meines bedrängten deutschen Vaterlands. Trage Fesseln, wer da will, ich nicht. Schreiben sie mich doch la ballt wieder, und glauben, daß ich alles von Ihnen dankbahr Einfange." Das in diesen Zeiten gegen Gneisenau gesäete Mißtrauen hat aber doch Früchte getragen; denn schon 1813 und in viel höherem Maße 1817 und fol¬ gende Jahre bei Gelegenheit der großen Demagogenjagd in Deutschland, hat man an höchster Stelle die 1808 entwickelte Thätigkeit, das Volk zur Kraft und Geltung zu bringen, in Rechnung gebracht. Aber auch Gneisenau hat. seit er damals die Schwäche des Königs erkannte, seine ferneren Bestrebungen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/214>, abgerufen am 04.06.2024.