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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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für Deutschland an das Volk, und nicht an den Fürsten gefesselt, wie wir später
erkennen können. Und als nun auch infolge des Sieges der Oestreicher bei
Aspern im Könige keine Neigung zum Kriege erwachte, forderte er seinen Ab¬
schied und erhielt ihn mit großem Widerstreben von Seiten des Königs am
1. Juli.

Gneisenaus Natur war dem König antipathisch, seine großen Verdienste
hat der letztere stets anerkannt. So folgte denn jener Cabinetsordre vom
1. Juli eine andere vom 4. Juli 1809. in welcher der König schreibt:

"Nachdem ich Euch den Abschied auf Euer Gesuch ertheilt habe, so wünsche
ich Euch einen Beweis meiner Zufriedenheit mit Euren mir in dem Staate ge¬
leisteten treuen Dienste zu geben, so weit es die Lage desselben gestattet. Ich
habe daher befohlen, daß Euch aus der Generalstaatskasse 2000 Dukaten be¬
zahlt werden, als Euer dankbarer und gnädiger König." Fr. Wilhelm.

Mit diesen Mitteln war Gneisenau denn frei und konnte seinem Wunsche, am
Kampfe gegen Napoleon theilzunehmen, Folge geben. Sich einfach wie Grolmann
und andere den bereits kämpfenden Heeren anzuschließen, widersprach seiner
ganzen Natur und Anschauung. Wie Oestreich abgelehnt hatte, die oben er¬
wähnte preußische Legion anzunehmen, die er auf 4500 Mann projectirt hatte,
ging er entsprechenden Andeutungen Dörnbergs folgend mit dem Gedanken um,
England seine Dienste anzubieten und unter dessen Hoheit aus Norddeutschen
zum Kampf in Deutschland eine Legion zu bilden. Nachdem er seine häus¬
lichen Verhältnisse geordnet, trat er am 18. Juli von der preußischen Küste ab
eine fast zwölfmonatliche Reise nach England. Schweden und Rußland an. Die
Unruhe, das Bedürfniß, in den Gang der Ereignisse selbst thätig einzugreifen,
nicht ein fester Plan, Aufträge oder Verabredungen bestimmten ihn zu der
Reise. Er mußte erst durch die Noth festgelegt werden, ehe er sich entschließen
konnte ruhig abzuwarten, was die Zukunft bringen würde. -- Wir können das
ganze Jahr hier ruhig übergehen und uns damit begnügen, den Inhalt der
englischen Verhandlungen kennen zu lernen, im Ucbngcn aber zu bemerken,
daß diese Reise ihm Kenntniß der Personen in den genannten Ländern ver¬
schaffte und dadurch für die künftigen Verhandlungen einen sehr günstigen Bo¬
den bereitete.

Gneisenau war von August bis November in England und verkehrte mit
den bedeutendsten Männern, zumal mit Canning und dem Prinzen von Wales.
Er konnte nur dann rechnen von England selbständig an die Spitze einer
^gion gestellt zu werden, wenn er englischen Interessen Rechnung trug. So
ließ er sich denn bewegen, den Wünschen des englischen Prinzen um Bildung
eines großen nordwestlichen Staates unter dem zukünftigen König von Hannover
beizustimmen. Er handelte damit entschieden gegen das preußische Interesse,
kr meinte aber, daß dadurch Preußen eine bedeutende Deckung und Schutz


für Deutschland an das Volk, und nicht an den Fürsten gefesselt, wie wir später
erkennen können. Und als nun auch infolge des Sieges der Oestreicher bei
Aspern im Könige keine Neigung zum Kriege erwachte, forderte er seinen Ab¬
schied und erhielt ihn mit großem Widerstreben von Seiten des Königs am
1. Juli.

Gneisenaus Natur war dem König antipathisch, seine großen Verdienste
hat der letztere stets anerkannt. So folgte denn jener Cabinetsordre vom
1. Juli eine andere vom 4. Juli 1809. in welcher der König schreibt:

„Nachdem ich Euch den Abschied auf Euer Gesuch ertheilt habe, so wünsche
ich Euch einen Beweis meiner Zufriedenheit mit Euren mir in dem Staate ge¬
leisteten treuen Dienste zu geben, so weit es die Lage desselben gestattet. Ich
habe daher befohlen, daß Euch aus der Generalstaatskasse 2000 Dukaten be¬
zahlt werden, als Euer dankbarer und gnädiger König." Fr. Wilhelm.

Mit diesen Mitteln war Gneisenau denn frei und konnte seinem Wunsche, am
Kampfe gegen Napoleon theilzunehmen, Folge geben. Sich einfach wie Grolmann
und andere den bereits kämpfenden Heeren anzuschließen, widersprach seiner
ganzen Natur und Anschauung. Wie Oestreich abgelehnt hatte, die oben er¬
wähnte preußische Legion anzunehmen, die er auf 4500 Mann projectirt hatte,
ging er entsprechenden Andeutungen Dörnbergs folgend mit dem Gedanken um,
England seine Dienste anzubieten und unter dessen Hoheit aus Norddeutschen
zum Kampf in Deutschland eine Legion zu bilden. Nachdem er seine häus¬
lichen Verhältnisse geordnet, trat er am 18. Juli von der preußischen Küste ab
eine fast zwölfmonatliche Reise nach England. Schweden und Rußland an. Die
Unruhe, das Bedürfniß, in den Gang der Ereignisse selbst thätig einzugreifen,
nicht ein fester Plan, Aufträge oder Verabredungen bestimmten ihn zu der
Reise. Er mußte erst durch die Noth festgelegt werden, ehe er sich entschließen
konnte ruhig abzuwarten, was die Zukunft bringen würde. — Wir können das
ganze Jahr hier ruhig übergehen und uns damit begnügen, den Inhalt der
englischen Verhandlungen kennen zu lernen, im Ucbngcn aber zu bemerken,
daß diese Reise ihm Kenntniß der Personen in den genannten Ländern ver¬
schaffte und dadurch für die künftigen Verhandlungen einen sehr günstigen Bo¬
den bereitete.

Gneisenau war von August bis November in England und verkehrte mit
den bedeutendsten Männern, zumal mit Canning und dem Prinzen von Wales.
Er konnte nur dann rechnen von England selbständig an die Spitze einer
^gion gestellt zu werden, wenn er englischen Interessen Rechnung trug. So
ließ er sich denn bewegen, den Wünschen des englischen Prinzen um Bildung
eines großen nordwestlichen Staates unter dem zukünftigen König von Hannover
beizustimmen. Er handelte damit entschieden gegen das preußische Interesse,
kr meinte aber, daß dadurch Preußen eine bedeutende Deckung und Schutz


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/215>, abgerufen am 19.05.2024.