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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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acht Jahre alt, 1843 ein anderes leipziger Kind, Daniel Goritz, fünf Jahre
alt, inscribirt, 1544 kamen nicht weniger als vierundzwanzig solche Aufnahmen
vor, und mit einigen späteren Jahren verhält es sich ähnlich.

Vor Eintrag seines Namens in das Verzeichnis) der Studentenschaft leistete
der Betreffende dem Rector einen Eid, in welchem er demselben Gehorsam ge¬
lobte und das Versprechen ablegte, die Statuten zu beobachten, das Wohl der
Hochschule nach Kräften und unter allen Umständen zu befördern, beleidigt, sich
nicht auf eigne Faust zu rächen, sondern den Rector darum anzurufen, endlich,
excludirt. ohne Verzug abzugehen. An Jnscriptionsgebühr hatte er zu Leipzig
in der ältesten Zeit, wo dieselbe erwähnt wird, gewöhnlich sechs Groschen zu
erlegen, doch kommen auch vier, drei, ja auch nur ein Groschen vor, und seit
1436 ist das Uebliche zehn Groschen. Der Jmmatriculirte wurde dann an¬
gewiesen, seine Wohnung in einem der "looi apxrvbati", d. h. in einem der
Collegien oder einer der von den Universitätsbehörden anerkannten und unter
deren Aufsicht stehenden Bursen zu nehmen. Er war seht regelrechtes Mitglied
der Hochschule und aller der Vorrechte theilhaft, welche ein solches den andern
Bewohnern der Stadt gegenüber genoß. Aber er war noch nicht Mitglied der
Studentenschaft. Um auch dahin zu gelangen, bedürfte es einer andern und
zwar einer weniger einfachen und bequemen Procedur.

Das Mittelalter umgab die Aufnahmen in seine Verbände mit allerlei
symbolischen Handlungen, denen immer der Gedanke zu Grunde lag, daß der
Candidat aus Unehren zu Ehren erhoben würde, und die in der Regel eine
Erniedrigung des letzteren einschlossen, welcher dann die Erhöhung folgte. Der
Knappe wurde zum Ritter geschlagen. Der Lehrbursch hatte bei dem Gesell¬
werden, der Gesell beim Meisterwerden eine Reihe von Geduldproben und
Hudeleien durchzumachen. Wenn früher ein Kaufmann mit seinen Gesellen zum
ersten Mal auf die Messe reiste, so pflegte man ihn an einer bestimmten Stelle,
z. B. zwischen Nürnberg und Leipzig, bei Coburg, aus jede Weise zu foppen.
Noch bis tief ins achtzehnte Jahrhundert hinein wurden in der sächsischen Armee
die "Steppchen", d. h. die Knaben, welche die Regimenter als Tamboure oder
Gehilfen des Profosses begleiteten, wenn sie herangewachsen Einreihung unter
die Musketiere verlangten, unter erniedrigenden Ceremonien "ehrlich gesprochen".
Noch heute bewahrt die Freimaurerei im Ritual ihrer Receptionen Anklänge
an symbolische Handlungen ähnlicher Art, welche mit dem Eintritt in die alten
Bauhütten verbunden waren.

Ebenso verhielt sichs mit dem angehenden Studenten im Mittelalter und
bis tief in die neueste Zeit hinein. Die Welt außerhalb der Universitäten galt
den Angehörigen der letzteren als eine profane und barbarische. Wer aus ihr
in den Kreis der Jünger der Wissenschaft einzutreten begehrte, mußte sich erst
reinigen und wie der Priester weihen lassen, den alten Adam ablegen und einen


acht Jahre alt, 1843 ein anderes leipziger Kind, Daniel Goritz, fünf Jahre
alt, inscribirt, 1544 kamen nicht weniger als vierundzwanzig solche Aufnahmen
vor, und mit einigen späteren Jahren verhält es sich ähnlich.

Vor Eintrag seines Namens in das Verzeichnis) der Studentenschaft leistete
der Betreffende dem Rector einen Eid, in welchem er demselben Gehorsam ge¬
lobte und das Versprechen ablegte, die Statuten zu beobachten, das Wohl der
Hochschule nach Kräften und unter allen Umständen zu befördern, beleidigt, sich
nicht auf eigne Faust zu rächen, sondern den Rector darum anzurufen, endlich,
excludirt. ohne Verzug abzugehen. An Jnscriptionsgebühr hatte er zu Leipzig
in der ältesten Zeit, wo dieselbe erwähnt wird, gewöhnlich sechs Groschen zu
erlegen, doch kommen auch vier, drei, ja auch nur ein Groschen vor, und seit
1436 ist das Uebliche zehn Groschen. Der Jmmatriculirte wurde dann an¬
gewiesen, seine Wohnung in einem der „looi apxrvbati", d. h. in einem der
Collegien oder einer der von den Universitätsbehörden anerkannten und unter
deren Aufsicht stehenden Bursen zu nehmen. Er war seht regelrechtes Mitglied
der Hochschule und aller der Vorrechte theilhaft, welche ein solches den andern
Bewohnern der Stadt gegenüber genoß. Aber er war noch nicht Mitglied der
Studentenschaft. Um auch dahin zu gelangen, bedürfte es einer andern und
zwar einer weniger einfachen und bequemen Procedur.

Das Mittelalter umgab die Aufnahmen in seine Verbände mit allerlei
symbolischen Handlungen, denen immer der Gedanke zu Grunde lag, daß der
Candidat aus Unehren zu Ehren erhoben würde, und die in der Regel eine
Erniedrigung des letzteren einschlossen, welcher dann die Erhöhung folgte. Der
Knappe wurde zum Ritter geschlagen. Der Lehrbursch hatte bei dem Gesell¬
werden, der Gesell beim Meisterwerden eine Reihe von Geduldproben und
Hudeleien durchzumachen. Wenn früher ein Kaufmann mit seinen Gesellen zum
ersten Mal auf die Messe reiste, so pflegte man ihn an einer bestimmten Stelle,
z. B. zwischen Nürnberg und Leipzig, bei Coburg, aus jede Weise zu foppen.
Noch bis tief ins achtzehnte Jahrhundert hinein wurden in der sächsischen Armee
die „Steppchen", d. h. die Knaben, welche die Regimenter als Tamboure oder
Gehilfen des Profosses begleiteten, wenn sie herangewachsen Einreihung unter
die Musketiere verlangten, unter erniedrigenden Ceremonien „ehrlich gesprochen".
Noch heute bewahrt die Freimaurerei im Ritual ihrer Receptionen Anklänge
an symbolische Handlungen ähnlicher Art, welche mit dem Eintritt in die alten
Bauhütten verbunden waren.

Ebenso verhielt sichs mit dem angehenden Studenten im Mittelalter und
bis tief in die neueste Zeit hinein. Die Welt außerhalb der Universitäten galt
den Angehörigen der letzteren als eine profane und barbarische. Wer aus ihr
in den Kreis der Jünger der Wissenschaft einzutreten begehrte, mußte sich erst
reinigen und wie der Priester weihen lassen, den alten Adam ablegen und einen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/224>, abgerufen am 16.05.2024.