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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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neuen anziehen. Dies die Anschauung, welche dem im Folgenden zu schil¬
dernden zu Grunde lag. Die Rohheit des damaligen Empfindens gab diesem
Gedanken grobe und unfläthige Formen.

Der neue Ankömmling, im Mittelalter doanus (nach Zarncke von tho
l'anus, Gelbschnabel) erst viel später Fuchs (von feixen, etwa wie jetzt Stiefel¬
wuchs von wichsen) genannt, hatte sich einem Aufnahmeritus zu unterwerfen,
der boania, hieß, in zwei Acte, das examov patiMtiae und die clexositio, zer¬
fiel und mit einem Schmause endigte. Bevor diese Handlung stattgefunden,
war derselbe ein Gegenstand der unsaubersten Neckereien. Nach einem Mandat
des leipziger leider I^ormuls-ris wurden die Beane allenthalben, wo sie sich
blicken ließen, besonders aber, wenn sie sich zur Immatriculation verfügten
oder von dieser zurückkehrten, von den Commilitonen geschimpft, geschlagen und
gerauft, mit Wasser oder Urin begossen und ausgepfiffen. Nach einer andern
Verordnung jenes Buchs geschah dies selbst, wenn sie an der Frohnleichnams-
Procession theilnahmen. Von dem Schauspiel der Beania aber haben wir im
zweiten Capitel des von Zarncke in seiner Quellensammlung "Die deutschen
Universitäten im Mittelalter" herausgegebnen "Nariualo Leliola-rum" eine höchst
anschauliche Beschreibung, die im Folgenden, soweit thunlich, in deutscher Ueber¬
setzung mitgetheilt wird.

DaS "Handbuch für Studenten" ist erst um 1480 gedruckt und schildert
vorzüglich das akademische Leben Heidelbergs; indeß nennt es die Deposition
der Beane einen "antiyuus aäventu8", d. h. ein altes Herkommen, und daß
der Gebrauch allen deutschen Hochschulen schon im Mittelalter gemeinsam war,
ist nachzuweisen. Daß ferner unsre Beschreibung nicht übertreibt, geht aus
einer prager Verordnung von 1544 hervor. Es heißt da: "Beschlossen, daß
die, welche ihre bäuerischen Sitten ablegen und der Rohheit entsagen (vulgo:
Lsaniam in Irii-oum cleponuvt; der Iiireus ist der Sprößling eines alttesta¬
mentarischen Böckh, nämlich des Sühnbocks des israelitischen Versöhnungsfestcs)
sanfter und rücksichtsvoller, als in früheren Jahren zu geschehen pflegte, auf¬
genommen und behandelt werden sollen. Denn alle jene üblen Gerüche von
Würmern wimmelnder Lungen, Stinkereicn und Entstellungen des Mundes
und andrer Körpertheile durch flüssiges Pech, durch Beschmieren mit Hefen und
andern faulen und unsaubern Dingen, welche Uebelkeit erregen, und durch
welche gute Männer und edle Jünglinge beleidigt werden können, sind unter¬
sagt und durch diese Verordnung fortan aus unsrer Mitte verbannt."

Wir kommen nun zu der Heidelberger Ceremonie, der ältesten Fuchs¬
taufe selbst, die ein kleines Drama mit zwei handelnden Personen, dem munckans
und dem Mvans, einer leidenden Person, dem Beanus, und einem stummen
Chor ist. Der vielgeplagte Neuling auf der Universität hat sich an einen ältern
Studenten, der sein Landsmann, gewendet und um Vollziehung der Deposition


neuen anziehen. Dies die Anschauung, welche dem im Folgenden zu schil¬
dernden zu Grunde lag. Die Rohheit des damaligen Empfindens gab diesem
Gedanken grobe und unfläthige Formen.

Der neue Ankömmling, im Mittelalter doanus (nach Zarncke von tho
l'anus, Gelbschnabel) erst viel später Fuchs (von feixen, etwa wie jetzt Stiefel¬
wuchs von wichsen) genannt, hatte sich einem Aufnahmeritus zu unterwerfen,
der boania, hieß, in zwei Acte, das examov patiMtiae und die clexositio, zer¬
fiel und mit einem Schmause endigte. Bevor diese Handlung stattgefunden,
war derselbe ein Gegenstand der unsaubersten Neckereien. Nach einem Mandat
des leipziger leider I^ormuls-ris wurden die Beane allenthalben, wo sie sich
blicken ließen, besonders aber, wenn sie sich zur Immatriculation verfügten
oder von dieser zurückkehrten, von den Commilitonen geschimpft, geschlagen und
gerauft, mit Wasser oder Urin begossen und ausgepfiffen. Nach einer andern
Verordnung jenes Buchs geschah dies selbst, wenn sie an der Frohnleichnams-
Procession theilnahmen. Von dem Schauspiel der Beania aber haben wir im
zweiten Capitel des von Zarncke in seiner Quellensammlung „Die deutschen
Universitäten im Mittelalter" herausgegebnen „Nariualo Leliola-rum" eine höchst
anschauliche Beschreibung, die im Folgenden, soweit thunlich, in deutscher Ueber¬
setzung mitgetheilt wird.

DaS „Handbuch für Studenten" ist erst um 1480 gedruckt und schildert
vorzüglich das akademische Leben Heidelbergs; indeß nennt es die Deposition
der Beane einen „antiyuus aäventu8", d. h. ein altes Herkommen, und daß
der Gebrauch allen deutschen Hochschulen schon im Mittelalter gemeinsam war,
ist nachzuweisen. Daß ferner unsre Beschreibung nicht übertreibt, geht aus
einer prager Verordnung von 1544 hervor. Es heißt da: „Beschlossen, daß
die, welche ihre bäuerischen Sitten ablegen und der Rohheit entsagen (vulgo:
Lsaniam in Irii-oum cleponuvt; der Iiireus ist der Sprößling eines alttesta¬
mentarischen Böckh, nämlich des Sühnbocks des israelitischen Versöhnungsfestcs)
sanfter und rücksichtsvoller, als in früheren Jahren zu geschehen pflegte, auf¬
genommen und behandelt werden sollen. Denn alle jene üblen Gerüche von
Würmern wimmelnder Lungen, Stinkereicn und Entstellungen des Mundes
und andrer Körpertheile durch flüssiges Pech, durch Beschmieren mit Hefen und
andern faulen und unsaubern Dingen, welche Uebelkeit erregen, und durch
welche gute Männer und edle Jünglinge beleidigt werden können, sind unter¬
sagt und durch diese Verordnung fortan aus unsrer Mitte verbannt."

Wir kommen nun zu der Heidelberger Ceremonie, der ältesten Fuchs¬
taufe selbst, die ein kleines Drama mit zwei handelnden Personen, dem munckans
und dem Mvans, einer leidenden Person, dem Beanus, und einem stummen
Chor ist. Der vielgeplagte Neuling auf der Universität hat sich an einen ältern
Studenten, der sein Landsmann, gewendet und um Vollziehung der Deposition


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/225>, abgerufen am 29.05.2024.