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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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dem "Metzeln unter den Studenten" Einhalt zu thun suchte, und 1585 finden
wir in den Annalen der dortigen Universität die Relegation eines Theodor
Holen von Dohna, der einen Adam Saluder im Duell erschlagen, und die
Exclusion des Livlcinders Disenhusen verzeichnet, welcher Andere gefordert hatte.

In andern Beziehungen scheinen die Zustände sich hier Anfangs mit der
Reformation gebessert zu haben, namentlich will Meyfart von einem alten katho¬
lischen Priester, der zwei Jahre vor Luthers Hingang in Wittenberg studirt
gehabt, vernommen haben, daß "die Studenten dermaßen fleißig gewesen wären
in Lectionen. daß mancher gar frühe zu den Auditorien eilen müssen, wo er
Raum zu sitzen finden wollte"*). Aber auch der Mainzer Professor Adam Contzen
wird, obwohl er Jesuit war, zu beachten sein, wenn er im 14. Capitel seiner
Schrift von der Polizei berichtet, Luther habe "kurz vor seinem Tode heftiglich
geklaget über die lose Disciplin bei der Universität Wittenberg, wie täglich so
große Bubenstücke geschähen und ein solcher Trotz und Halsstarrigkeit wäre, daß
die vier Elementen es nicht ertragen können."

Die wittenberger Statuten von 1562 untersagen den Studenten, sich bei
Hochzeiten einzudrängen, und da dies nicht gehalten wurde, so mußten in der
Folge stets zwei Herrn von der Universität solchen Feierlichkeiten beiwohnen,
um Ungebühr zu verhüten. In einem andern Gesetz desselben Jahres wird
gegen unanständiges Tanzen der Studenten, daS "Verdrehen und Abstoßen"
der" Tänzerinnen, d. h. das unschicklich freie Herumschwenken und Emporheben
derselben, geeifert und für das erste Mal mit 2, für das zweite Mal mit
3 Gulden Strafe, für das dritte Mal mit Relegation auf ein Jahr gedroht.
Ferner sind Einbruch in die Weinberge und die Gärten der Vorstädte aus¬
drücklich verboten, und in den Statuten von 1696 wird.der Studentenschaft zu¬
gerufen: "Xon sitis durch, llelnineill äetrauclats, voll raxits rss allens-s."
Dann soll dieselbe sich nicht an Fastnachtsmummereien und Possenspielen be¬
theiligen. Wiederholt endlich ergingen scharfe kurfürstliche Mandate gegen andere
Frevel, namentlich gegen nächtlichen Lärm und Tumulte. So 1571 und so
1583, wo Studenten, welche Fehdebriefe ausgehen lassen oder Wegelagerung
treiben, mit der-höchsten Landesacht und Enthauptung bedroht werden. So
1587, wo das betreffende Rescript über muthwillige und unruhige Gesellen
klagt, die bei nächtlicher Weile herumschweifen, alle, welche ihnen begegnen,
niederschlagen, den Leuten die Fenster auswerfen, mit Spießen, Stangen, langen
und kurzen Röhren, auch Sturmhauben einherziehen, Häuser stürmen, viehisches
Geschrei ausstoßen, selbst der Todten in den Gräbern nicht schonen und un¬
geachtet aller Warnungen und Gebote davon nicht ablassen. Und so 1591, wo



') Meyfart, Christliche und wohlgemeinte Erinnerung von der Wiedererbauung der
akadem, Disciplin. Schleusingen 1636. S. 86.

dem „Metzeln unter den Studenten" Einhalt zu thun suchte, und 1585 finden
wir in den Annalen der dortigen Universität die Relegation eines Theodor
Holen von Dohna, der einen Adam Saluder im Duell erschlagen, und die
Exclusion des Livlcinders Disenhusen verzeichnet, welcher Andere gefordert hatte.

In andern Beziehungen scheinen die Zustände sich hier Anfangs mit der
Reformation gebessert zu haben, namentlich will Meyfart von einem alten katho¬
lischen Priester, der zwei Jahre vor Luthers Hingang in Wittenberg studirt
gehabt, vernommen haben, daß „die Studenten dermaßen fleißig gewesen wären
in Lectionen. daß mancher gar frühe zu den Auditorien eilen müssen, wo er
Raum zu sitzen finden wollte"*). Aber auch der Mainzer Professor Adam Contzen
wird, obwohl er Jesuit war, zu beachten sein, wenn er im 14. Capitel seiner
Schrift von der Polizei berichtet, Luther habe „kurz vor seinem Tode heftiglich
geklaget über die lose Disciplin bei der Universität Wittenberg, wie täglich so
große Bubenstücke geschähen und ein solcher Trotz und Halsstarrigkeit wäre, daß
die vier Elementen es nicht ertragen können."

Die wittenberger Statuten von 1562 untersagen den Studenten, sich bei
Hochzeiten einzudrängen, und da dies nicht gehalten wurde, so mußten in der
Folge stets zwei Herrn von der Universität solchen Feierlichkeiten beiwohnen,
um Ungebühr zu verhüten. In einem andern Gesetz desselben Jahres wird
gegen unanständiges Tanzen der Studenten, daS „Verdrehen und Abstoßen"
der" Tänzerinnen, d. h. das unschicklich freie Herumschwenken und Emporheben
derselben, geeifert und für das erste Mal mit 2, für das zweite Mal mit
3 Gulden Strafe, für das dritte Mal mit Relegation auf ein Jahr gedroht.
Ferner sind Einbruch in die Weinberge und die Gärten der Vorstädte aus¬
drücklich verboten, und in den Statuten von 1696 wird.der Studentenschaft zu¬
gerufen: „Xon sitis durch, llelnineill äetrauclats, voll raxits rss allens-s."
Dann soll dieselbe sich nicht an Fastnachtsmummereien und Possenspielen be¬
theiligen. Wiederholt endlich ergingen scharfe kurfürstliche Mandate gegen andere
Frevel, namentlich gegen nächtlichen Lärm und Tumulte. So 1571 und so
1583, wo Studenten, welche Fehdebriefe ausgehen lassen oder Wegelagerung
treiben, mit der-höchsten Landesacht und Enthauptung bedroht werden. So
1587, wo das betreffende Rescript über muthwillige und unruhige Gesellen
klagt, die bei nächtlicher Weile herumschweifen, alle, welche ihnen begegnen,
niederschlagen, den Leuten die Fenster auswerfen, mit Spießen, Stangen, langen
und kurzen Röhren, auch Sturmhauben einherziehen, Häuser stürmen, viehisches
Geschrei ausstoßen, selbst der Todten in den Gräbern nicht schonen und un¬
geachtet aller Warnungen und Gebote davon nicht ablassen. Und so 1591, wo



') Meyfart, Christliche und wohlgemeinte Erinnerung von der Wiedererbauung der
akadem, Disciplin. Schleusingen 1636. S. 86.
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[0338] dem „Metzeln unter den Studenten" Einhalt zu thun suchte, und 1585 finden wir in den Annalen der dortigen Universität die Relegation eines Theodor Holen von Dohna, der einen Adam Saluder im Duell erschlagen, und die Exclusion des Livlcinders Disenhusen verzeichnet, welcher Andere gefordert hatte. In andern Beziehungen scheinen die Zustände sich hier Anfangs mit der Reformation gebessert zu haben, namentlich will Meyfart von einem alten katho¬ lischen Priester, der zwei Jahre vor Luthers Hingang in Wittenberg studirt gehabt, vernommen haben, daß „die Studenten dermaßen fleißig gewesen wären in Lectionen. daß mancher gar frühe zu den Auditorien eilen müssen, wo er Raum zu sitzen finden wollte"*). Aber auch der Mainzer Professor Adam Contzen wird, obwohl er Jesuit war, zu beachten sein, wenn er im 14. Capitel seiner Schrift von der Polizei berichtet, Luther habe „kurz vor seinem Tode heftiglich geklaget über die lose Disciplin bei der Universität Wittenberg, wie täglich so große Bubenstücke geschähen und ein solcher Trotz und Halsstarrigkeit wäre, daß die vier Elementen es nicht ertragen können." Die wittenberger Statuten von 1562 untersagen den Studenten, sich bei Hochzeiten einzudrängen, und da dies nicht gehalten wurde, so mußten in der Folge stets zwei Herrn von der Universität solchen Feierlichkeiten beiwohnen, um Ungebühr zu verhüten. In einem andern Gesetz desselben Jahres wird gegen unanständiges Tanzen der Studenten, daS „Verdrehen und Abstoßen" der" Tänzerinnen, d. h. das unschicklich freie Herumschwenken und Emporheben derselben, geeifert und für das erste Mal mit 2, für das zweite Mal mit 3 Gulden Strafe, für das dritte Mal mit Relegation auf ein Jahr gedroht. Ferner sind Einbruch in die Weinberge und die Gärten der Vorstädte aus¬ drücklich verboten, und in den Statuten von 1696 wird.der Studentenschaft zu¬ gerufen: „Xon sitis durch, llelnineill äetrauclats, voll raxits rss allens-s." Dann soll dieselbe sich nicht an Fastnachtsmummereien und Possenspielen be¬ theiligen. Wiederholt endlich ergingen scharfe kurfürstliche Mandate gegen andere Frevel, namentlich gegen nächtlichen Lärm und Tumulte. So 1571 und so 1583, wo Studenten, welche Fehdebriefe ausgehen lassen oder Wegelagerung treiben, mit der-höchsten Landesacht und Enthauptung bedroht werden. So 1587, wo das betreffende Rescript über muthwillige und unruhige Gesellen klagt, die bei nächtlicher Weile herumschweifen, alle, welche ihnen begegnen, niederschlagen, den Leuten die Fenster auswerfen, mit Spießen, Stangen, langen und kurzen Röhren, auch Sturmhauben einherziehen, Häuser stürmen, viehisches Geschrei ausstoßen, selbst der Todten in den Gräbern nicht schonen und un¬ geachtet aller Warnungen und Gebote davon nicht ablassen. Und so 1591, wo ') Meyfart, Christliche und wohlgemeinte Erinnerung von der Wiedererbauung der akadem, Disciplin. Schleusingen 1636. S. 86.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/338>, abgerufen am 29.05.2024.