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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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den Friedensbruch entscheiden würde, kann, wie die Verfassung des Bundes
ist. aus einer kleinen Minorität deS deutschen Volkes bestehen und bei einer
solchen würde in diesem furchtbaren Falle die Entscheidung über das politische
Geschick der Nation stehen.

Thatsächlich ist das Resultat der bamberger Conferenz eine Liga gegen
Preußen. Nun hat Preußen allerdings bis zu den letzten Wochen Mehres gethan,
die Diplomatie der Mittelstaaten zu ärgern, aber seitdem hat sich das Sach¬
verhältniß völlig umgekehrt; es ist wohlbekannt, und den Regierungen der Mittel¬
staaten am besten, daß der König von Preußen ernstlich den Frieden will, der
Kaiser von Oestreich ebenso eifrig einen Sieg für die östreichischen Waffen.

Ja noch mehr. Während die Mittelstaaten beim Bunde den Antrag aus
allgemeine Abrüstung einbringen, rüsten sie selbst, beschließen selbstständig über
Commando, Aufstellung der combinirten Contingente und decretiren. daß Nassau
aus seinem Corps in das 8. Bundescorps unter östreichischen Oberbefehlshaber
zu treten habe. Während Oestreich beim Bunde wegen der Verhandlungen
Preußens mit Hannover interpellirt. welche doch nur die Neutralität Hannovers
und die Erhaltung des Friedens für deutsches Bundesgebiet zur Tendenz haben,
sendet Oestreich seinen General und Stab zu einem deutschen Bundesarmee-
corvs, und disponirt über süddeutsche Truppen wie über seine Verbündete.

Aber damit nicht genug. In kürzester Zeit wird das 7. Bundescorps
(Bayern) und das 8. (Würtemberg. Baden, Hessen-Darmstadt) kriegsbereit
sein. Würtemberg hat nach der Militärvcrsassung des Bundes jetzt die Wahl
des Oberbefehlshabers, es hat einen k. k. General gewählt. Dadurch sind die
badischen Truppen Wider den Willen Badens unter östreichischen Oberbefehl
gekommen, und die Existenz des Staates Baden hinge demnach jetzt von Oest¬
reich und dem begehrlichen Nachbar Würtemberg ab. welche bei der bekannten
Stimmung in Baden im Fall eines Conflictes nicht säumen würden, das
Grenzland zu besetzen.

Die würtenbergische Regierung ist nach der Sprache ihres officiellen
Blattes auf einem Standpunkt des Preußenhasses angekommen, welcher ruhige
Erwägung ausschließt. Weit anders steht es in Bayern und Sachsen. Die
bayrische Negierung hat von Anfang des Conflictes eine feste und würdige
Haltung behauptet, sie ist durch die Größe ihres Staates und durch ihre Be¬
deutung für die geistigen und realen Interessen unseres Vaterlandes vorzugs¬
weise geeignet, die Politik der Mittelstaaten in deutschem Interesse zu leiten.
Möchte man dort erwägen, was diese Bundesgenossenschaft mit Oestreich für
Bayern bedeutet. Dort ist eine Suprematie Preußens wenig zu fürchten, sie
würde immer eine freundliche Allianz sein; sich aber zum Vasallen Oestreichs
machen, ist in Bayern gegen alle Ueberlieferungen der heimischen Politik und
gegen alle Interessen des Landes, welches unter seinen letzten Herrschern in der


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den Friedensbruch entscheiden würde, kann, wie die Verfassung des Bundes
ist. aus einer kleinen Minorität deS deutschen Volkes bestehen und bei einer
solchen würde in diesem furchtbaren Falle die Entscheidung über das politische
Geschick der Nation stehen.

Thatsächlich ist das Resultat der bamberger Conferenz eine Liga gegen
Preußen. Nun hat Preußen allerdings bis zu den letzten Wochen Mehres gethan,
die Diplomatie der Mittelstaaten zu ärgern, aber seitdem hat sich das Sach¬
verhältniß völlig umgekehrt; es ist wohlbekannt, und den Regierungen der Mittel¬
staaten am besten, daß der König von Preußen ernstlich den Frieden will, der
Kaiser von Oestreich ebenso eifrig einen Sieg für die östreichischen Waffen.

Ja noch mehr. Während die Mittelstaaten beim Bunde den Antrag aus
allgemeine Abrüstung einbringen, rüsten sie selbst, beschließen selbstständig über
Commando, Aufstellung der combinirten Contingente und decretiren. daß Nassau
aus seinem Corps in das 8. Bundescorps unter östreichischen Oberbefehlshaber
zu treten habe. Während Oestreich beim Bunde wegen der Verhandlungen
Preußens mit Hannover interpellirt. welche doch nur die Neutralität Hannovers
und die Erhaltung des Friedens für deutsches Bundesgebiet zur Tendenz haben,
sendet Oestreich seinen General und Stab zu einem deutschen Bundesarmee-
corvs, und disponirt über süddeutsche Truppen wie über seine Verbündete.

Aber damit nicht genug. In kürzester Zeit wird das 7. Bundescorps
(Bayern) und das 8. (Würtemberg. Baden, Hessen-Darmstadt) kriegsbereit
sein. Würtemberg hat nach der Militärvcrsassung des Bundes jetzt die Wahl
des Oberbefehlshabers, es hat einen k. k. General gewählt. Dadurch sind die
badischen Truppen Wider den Willen Badens unter östreichischen Oberbefehl
gekommen, und die Existenz des Staates Baden hinge demnach jetzt von Oest¬
reich und dem begehrlichen Nachbar Würtemberg ab. welche bei der bekannten
Stimmung in Baden im Fall eines Conflictes nicht säumen würden, das
Grenzland zu besetzen.

Die würtenbergische Regierung ist nach der Sprache ihres officiellen
Blattes auf einem Standpunkt des Preußenhasses angekommen, welcher ruhige
Erwägung ausschließt. Weit anders steht es in Bayern und Sachsen. Die
bayrische Negierung hat von Anfang des Conflictes eine feste und würdige
Haltung behauptet, sie ist durch die Größe ihres Staates und durch ihre Be¬
deutung für die geistigen und realen Interessen unseres Vaterlandes vorzugs¬
weise geeignet, die Politik der Mittelstaaten in deutschem Interesse zu leiten.
Möchte man dort erwägen, was diese Bundesgenossenschaft mit Oestreich für
Bayern bedeutet. Dort ist eine Suprematie Preußens wenig zu fürchten, sie
würde immer eine freundliche Allianz sein; sich aber zum Vasallen Oestreichs
machen, ist in Bayern gegen alle Ueberlieferungen der heimischen Politik und
gegen alle Interessen des Landes, welches unter seinen letzten Herrschern in der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/349>, abgerufen am 05.06.2024.