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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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von Urbino nach Cagli herüber zu kommen, um ein Bild über ihrem Grab¬
mal und eine ihrem Andenken gewidmete Kapelle zu malen. Das Bildniß
der "Grablegung des Erlösers" zwischen S. Hieronymus und S. Bonaventura
Wurde früher vollendet als das davor aufgerichtete Monument. Letzteres trägt
das Datum 1481, von Pungileoni als 1491 gelesen. In der Tiranikapelle,
die mit dem Grabmal gleichzeitig ausgearbeitet wurde, befindet sich neben der
Jungfrau ein Engel, den der Cicerone gewohnt ist als ein Porträt des jungen
Rafael zu bezeichnen. Dies ist die Quelle der Behauptung, Santi Vater und
Sohn hätten gemeinschaftlich an jenen Fresken gearbeitet. 1481 war aber
Rafael noch nicht einmal geboren, und in dem von Pungileoni angenommenen
Jahre 1491 war er noch ein kleiner Knabe; dennoch sagt Wolzogen (S. 22):
>,Es ist mehr als wahrscheinlich, daß Rafael ihm (seinem Vater) dabei selbst
schon mit an die Hand gegangen sei."

Im Jahre 1494 unterzeichnete der Maler Filippo ti Battista in Urbino
im Namen Signorellis einen Contract mit den Mönchen von S. Spirito da¬
selbst, worin es sich um eine Kirchenfahne handelt, welche in drei Monaten
vollendet wurde und jetzt in derselben Kirche hängt, für die sie ursprünglich be¬
stimmt war. Der Wortlaut des Contracts allein genügt, um zu beweisen,
daß Signorelli selbst im Jahr 1494 nicht in Urbino anwesend war. Dessen¬
ungeachtet theilt Wolzogen die Ansicht Pungileonis, daß der große Meister von
Cortona einer der Lehrer Rafaels zu jener Zeit gewesen sei (S. 23). Jeder,
der einen Blick auf die "Jungfrau und Heilige" von Luca ti Cortona in der
dresdener Gallerte, oder auf die Predella in der Lindenau-Sammlung in Alten-
burg wirst, kann für sich selbst urtheilen, in wie weit bei Signorelli von einem
directen Einflüsse aus den jungen Rafael die Rede sein darf.

Ferner ein Wort zur Verständigung über Perugino. Derselbe kehrte nach
mehrjähriger Thätigkeit in Rom, wo er von Innocenz dem Achten und
Julian della Rovere beschäftigt worden war, 1493 nach Florenz zurück, um
sich dort niederzulassen. In der Zeit bis 1496 malte er eine "Jungfrau mit
Heiligen", jetzt im Belvedere zu Wien, und beschenkte das Kloster der Gesuati mit
verschiedenen Fresken und Altartaseln. SeinRuf brachte ihmAufträge vonCremona
und Venedig und 1493 wurde die prachtvolle Pieta von S. Chiara in Florenz
Vollendet. In der ersten Hälfte des nächsten Jahres ging er auf einige Wochen
nach Perugia, um neue Bestellungen entgegenzunehmen, die er in Florenz aus¬
führte. Eine Urkunde aus dem Jahre 1496, welche uns erhalten ist, bezeichnet
ihn als "dg.ditg.lor in xoxulo 8. ?veri NaM" as ?Iore"dis", und in einer
Zweiten vom Januar 1497 spricht er seine Ansicht aus über den Werth einer
Freske von Baldovinetti in S. Trinita von Florenz. Im Juni 1498 war er
ebenfalls noch .Floröntias Zegens". wie ein veröffentlichtes Document jenes
Datums zeigt. Angesichts dieser Beweise, die allgemein bekannt und zugänglich


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von Urbino nach Cagli herüber zu kommen, um ein Bild über ihrem Grab¬
mal und eine ihrem Andenken gewidmete Kapelle zu malen. Das Bildniß
der „Grablegung des Erlösers" zwischen S. Hieronymus und S. Bonaventura
Wurde früher vollendet als das davor aufgerichtete Monument. Letzteres trägt
das Datum 1481, von Pungileoni als 1491 gelesen. In der Tiranikapelle,
die mit dem Grabmal gleichzeitig ausgearbeitet wurde, befindet sich neben der
Jungfrau ein Engel, den der Cicerone gewohnt ist als ein Porträt des jungen
Rafael zu bezeichnen. Dies ist die Quelle der Behauptung, Santi Vater und
Sohn hätten gemeinschaftlich an jenen Fresken gearbeitet. 1481 war aber
Rafael noch nicht einmal geboren, und in dem von Pungileoni angenommenen
Jahre 1491 war er noch ein kleiner Knabe; dennoch sagt Wolzogen (S. 22):
>,Es ist mehr als wahrscheinlich, daß Rafael ihm (seinem Vater) dabei selbst
schon mit an die Hand gegangen sei."

Im Jahre 1494 unterzeichnete der Maler Filippo ti Battista in Urbino
im Namen Signorellis einen Contract mit den Mönchen von S. Spirito da¬
selbst, worin es sich um eine Kirchenfahne handelt, welche in drei Monaten
vollendet wurde und jetzt in derselben Kirche hängt, für die sie ursprünglich be¬
stimmt war. Der Wortlaut des Contracts allein genügt, um zu beweisen,
daß Signorelli selbst im Jahr 1494 nicht in Urbino anwesend war. Dessen¬
ungeachtet theilt Wolzogen die Ansicht Pungileonis, daß der große Meister von
Cortona einer der Lehrer Rafaels zu jener Zeit gewesen sei (S. 23). Jeder,
der einen Blick auf die „Jungfrau und Heilige" von Luca ti Cortona in der
dresdener Gallerte, oder auf die Predella in der Lindenau-Sammlung in Alten-
burg wirst, kann für sich selbst urtheilen, in wie weit bei Signorelli von einem
directen Einflüsse aus den jungen Rafael die Rede sein darf.

Ferner ein Wort zur Verständigung über Perugino. Derselbe kehrte nach
mehrjähriger Thätigkeit in Rom, wo er von Innocenz dem Achten und
Julian della Rovere beschäftigt worden war, 1493 nach Florenz zurück, um
sich dort niederzulassen. In der Zeit bis 1496 malte er eine „Jungfrau mit
Heiligen", jetzt im Belvedere zu Wien, und beschenkte das Kloster der Gesuati mit
verschiedenen Fresken und Altartaseln. SeinRuf brachte ihmAufträge vonCremona
und Venedig und 1493 wurde die prachtvolle Pieta von S. Chiara in Florenz
Vollendet. In der ersten Hälfte des nächsten Jahres ging er auf einige Wochen
nach Perugia, um neue Bestellungen entgegenzunehmen, die er in Florenz aus¬
führte. Eine Urkunde aus dem Jahre 1496, welche uns erhalten ist, bezeichnet
ihn als „dg.ditg.lor in xoxulo 8. ?veri NaM« as ?Iore»dis", und in einer
Zweiten vom Januar 1497 spricht er seine Ansicht aus über den Werth einer
Freske von Baldovinetti in S. Trinita von Florenz. Im Juni 1498 war er
ebenfalls noch .Floröntias Zegens". wie ein veröffentlichtes Document jenes
Datums zeigt. Angesichts dieser Beweise, die allgemein bekannt und zugänglich


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[0357] von Urbino nach Cagli herüber zu kommen, um ein Bild über ihrem Grab¬ mal und eine ihrem Andenken gewidmete Kapelle zu malen. Das Bildniß der „Grablegung des Erlösers" zwischen S. Hieronymus und S. Bonaventura Wurde früher vollendet als das davor aufgerichtete Monument. Letzteres trägt das Datum 1481, von Pungileoni als 1491 gelesen. In der Tiranikapelle, die mit dem Grabmal gleichzeitig ausgearbeitet wurde, befindet sich neben der Jungfrau ein Engel, den der Cicerone gewohnt ist als ein Porträt des jungen Rafael zu bezeichnen. Dies ist die Quelle der Behauptung, Santi Vater und Sohn hätten gemeinschaftlich an jenen Fresken gearbeitet. 1481 war aber Rafael noch nicht einmal geboren, und in dem von Pungileoni angenommenen Jahre 1491 war er noch ein kleiner Knabe; dennoch sagt Wolzogen (S. 22): >,Es ist mehr als wahrscheinlich, daß Rafael ihm (seinem Vater) dabei selbst schon mit an die Hand gegangen sei." Im Jahre 1494 unterzeichnete der Maler Filippo ti Battista in Urbino im Namen Signorellis einen Contract mit den Mönchen von S. Spirito da¬ selbst, worin es sich um eine Kirchenfahne handelt, welche in drei Monaten vollendet wurde und jetzt in derselben Kirche hängt, für die sie ursprünglich be¬ stimmt war. Der Wortlaut des Contracts allein genügt, um zu beweisen, daß Signorelli selbst im Jahr 1494 nicht in Urbino anwesend war. Dessen¬ ungeachtet theilt Wolzogen die Ansicht Pungileonis, daß der große Meister von Cortona einer der Lehrer Rafaels zu jener Zeit gewesen sei (S. 23). Jeder, der einen Blick auf die „Jungfrau und Heilige" von Luca ti Cortona in der dresdener Gallerte, oder auf die Predella in der Lindenau-Sammlung in Alten- burg wirst, kann für sich selbst urtheilen, in wie weit bei Signorelli von einem directen Einflüsse aus den jungen Rafael die Rede sein darf. Ferner ein Wort zur Verständigung über Perugino. Derselbe kehrte nach mehrjähriger Thätigkeit in Rom, wo er von Innocenz dem Achten und Julian della Rovere beschäftigt worden war, 1493 nach Florenz zurück, um sich dort niederzulassen. In der Zeit bis 1496 malte er eine „Jungfrau mit Heiligen", jetzt im Belvedere zu Wien, und beschenkte das Kloster der Gesuati mit verschiedenen Fresken und Altartaseln. SeinRuf brachte ihmAufträge vonCremona und Venedig und 1493 wurde die prachtvolle Pieta von S. Chiara in Florenz Vollendet. In der ersten Hälfte des nächsten Jahres ging er auf einige Wochen nach Perugia, um neue Bestellungen entgegenzunehmen, die er in Florenz aus¬ führte. Eine Urkunde aus dem Jahre 1496, welche uns erhalten ist, bezeichnet ihn als „dg.ditg.lor in xoxulo 8. ?veri NaM« as ?Iore»dis", und in einer Zweiten vom Januar 1497 spricht er seine Ansicht aus über den Werth einer Freske von Baldovinetti in S. Trinita von Florenz. Im Juni 1498 war er ebenfalls noch .Floröntias Zegens". wie ein veröffentlichtes Document jenes Datums zeigt. Angesichts dieser Beweise, die allgemein bekannt und zugänglich 42*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/357>, abgerufen am 29.05.2024.