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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Neue sanctionirt werden wird. Ein solches Versprechen, aus dem Munde der
jetzigen Führer der liberalen Partei, würde gehalten werden von der Partei,
von den Wählern, von dem Lande. Dessen kann man versichert sein. Dagegen
stellt die Negierung die rechtmäßige Verfassung vom 28. December 1849 wieder
her, vorbehaltlich einer Revision durch die nach dem Wahlgesetz von 1848 neu
zu wählenden Stände. Daß letztere bei einer solchen Revision eine Landstand¬
schaft der bundesrechtlichen Standesherrn, vielleicht auch eine Vertretung des
landsässigen Grundadels zulassen würden, scheint uns unzweifelhaft. Diese
ständischen Deputirten würden sich mit den vom Volke gewählten Mitgliedern
zu einer Kammer vereinigen, wie dies auch jetzt schon der Fall ist bei Budget-
und Finanzsachen, in welchen ja der.Schwerpunkt der Thätigkeit des Landtages
liegt. Ob der revidirende Landtag auch eine Stellvertretung des Adels zulassen
würde, ist eine secundäre und zweifelhafte Frage. Niemand mehr, als der
Adel selbst, muß wünschen, daß es ein Ende nehme mit der jetzigen Stell-
vertreterei, bei welcher ein vormals reichsunmittelbarer adeliger Standes- und
Grundherr vertreten werden kann durch einen Subalternbeamten, der nichts hat
als sein Tintenfaß und seine Schulden. Eine Beschränkung der Stellvertretung
auf Agnaten des Berechtigten wäre wohl ein sämmtliche Interessen mit einander
in Harmonie setzender Ausweg.

"Aber was soll aus den mit den Landtagen seit 1832 vereinbarten Gesetzen
werden? Will man dadurch, daß man sie alle mit einander für null und nichtig
erklärt, das Land der Anarchie preisgeben? Das wäre frevelhaft!" Auch hier
liegt der vernünftige Ausgleich näher, als die streitenden Theile in der Hitze
des Kampfes glauben mögen.

Es handelt sich hier ja gar nicht um die einzelnen von dem Drucker auf
dem Papier des Verordnungsblattes abgedruckten Artikel und Paragraphen,
sondern um Principien. Daß man mit einem Büreaukratism, der das Volk
von seinen Angelegenheiten ausschließt und ihm Theilnahmlosigkeit. wenn nicht
gar "Haß und Verachtung" gegen den Staat einflößt, mit Bürgermeistern, die
mit der Gemeinde überwerfen, die Staatsgewalt gegen die Commune mißbrauchen
und wieder von ihr mißbraucht werden; daß man mit Jagdservituten auf frem¬
dem Grund und Boden, die sich über das ganze Land erstrecken und Land- und
Forstwirthschaft so schädigen, daß einem die Worte Teils einfallen:


"Das Land ist schön und gütig, wie der Himmel,
Doch die's bebauen, sie genießen nicht
Den Segen, den sie pflanzen."

Daß man mit einem Minister an der Spitze, der die Thätigkeit und Verant¬
wortlichkeit der Ministerialdepartementschefs absorbirt, und wenn er nicht activ
werden kann oder will, sie alle mit einander lahm legt; daß man mit einer solchen
Anarchie auf dem Gebiete des StaatskirchenrechtS, bei welcher man einer Re-


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Neue sanctionirt werden wird. Ein solches Versprechen, aus dem Munde der
jetzigen Führer der liberalen Partei, würde gehalten werden von der Partei,
von den Wählern, von dem Lande. Dessen kann man versichert sein. Dagegen
stellt die Negierung die rechtmäßige Verfassung vom 28. December 1849 wieder
her, vorbehaltlich einer Revision durch die nach dem Wahlgesetz von 1848 neu
zu wählenden Stände. Daß letztere bei einer solchen Revision eine Landstand¬
schaft der bundesrechtlichen Standesherrn, vielleicht auch eine Vertretung des
landsässigen Grundadels zulassen würden, scheint uns unzweifelhaft. Diese
ständischen Deputirten würden sich mit den vom Volke gewählten Mitgliedern
zu einer Kammer vereinigen, wie dies auch jetzt schon der Fall ist bei Budget-
und Finanzsachen, in welchen ja der.Schwerpunkt der Thätigkeit des Landtages
liegt. Ob der revidirende Landtag auch eine Stellvertretung des Adels zulassen
würde, ist eine secundäre und zweifelhafte Frage. Niemand mehr, als der
Adel selbst, muß wünschen, daß es ein Ende nehme mit der jetzigen Stell-
vertreterei, bei welcher ein vormals reichsunmittelbarer adeliger Standes- und
Grundherr vertreten werden kann durch einen Subalternbeamten, der nichts hat
als sein Tintenfaß und seine Schulden. Eine Beschränkung der Stellvertretung
auf Agnaten des Berechtigten wäre wohl ein sämmtliche Interessen mit einander
in Harmonie setzender Ausweg.

„Aber was soll aus den mit den Landtagen seit 1832 vereinbarten Gesetzen
werden? Will man dadurch, daß man sie alle mit einander für null und nichtig
erklärt, das Land der Anarchie preisgeben? Das wäre frevelhaft!" Auch hier
liegt der vernünftige Ausgleich näher, als die streitenden Theile in der Hitze
des Kampfes glauben mögen.

Es handelt sich hier ja gar nicht um die einzelnen von dem Drucker auf
dem Papier des Verordnungsblattes abgedruckten Artikel und Paragraphen,
sondern um Principien. Daß man mit einem Büreaukratism, der das Volk
von seinen Angelegenheiten ausschließt und ihm Theilnahmlosigkeit. wenn nicht
gar „Haß und Verachtung" gegen den Staat einflößt, mit Bürgermeistern, die
mit der Gemeinde überwerfen, die Staatsgewalt gegen die Commune mißbrauchen
und wieder von ihr mißbraucht werden; daß man mit Jagdservituten auf frem¬
dem Grund und Boden, die sich über das ganze Land erstrecken und Land- und
Forstwirthschaft so schädigen, daß einem die Worte Teils einfallen:


„Das Land ist schön und gütig, wie der Himmel,
Doch die's bebauen, sie genießen nicht
Den Segen, den sie pflanzen."

Daß man mit einem Minister an der Spitze, der die Thätigkeit und Verant¬
wortlichkeit der Ministerialdepartementschefs absorbirt, und wenn er nicht activ
werden kann oder will, sie alle mit einander lahm legt; daß man mit einer solchen
Anarchie auf dem Gebiete des StaatskirchenrechtS, bei welcher man einer Re-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/407>, abgerufen am 13.06.2024.