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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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Sequenz zu fordern wagen; man bildet sich ein, daß das phantastische Mosaik aus
vielen Nichts den Hohenzollern und dem Staate hinderlich sei, man hat die
Ansicht, daß es im Frieden ein unbequemes Ding gewesen sei, und furcht¬
bar gefährlich bei drohendem Kriege, weil man keinen Augenblick sicher sei, ob
es nicht statt der Route Prag und Wien im entscheidenden Augenblick einem
guten König die Reise nach Posen und Königsberg empfehlen könne; man ist
in Preußen der Ansicht, daß die mannhaften Qualitäten, welche ein und daS
andere Mitglied des Ministeriums unleugbar besitzt, und wofür es dem preu.
ßischen Volke nicht an Sympathien fehlt, durch dasselbe System in jedem Augen¬
blicke gehemmt werden, und man bedauert, daß dieselben Männer, welche im
Besitz der männlichen Qualitäten sind, daß grade sie dies System großgezogen
haben, unter dem sie vielleicht leiden wie der ganze Staat, und an dem
sie zur Strafe zerschellen können. Dies System nun ist es, was die Opposition
in der schwierigen Lage des Staats beseitigen wollte, so lange die Ereignisse
überhaupt eine Einwirkung der civilen Bevölkerung möglich machen. Denn es giebt
in Preußen Leute, welche seit dem Feldzug in Schleswig meinen, daß dasselbe
System sich auch in die Kriegführung zu mengen wage, und die noch jetzt so
argwöhnisch sind, daß ihnen sogar der Abgang des Feldmarschalls Wrangel zur
Armee nicht als unbedingte Bürgschaft gegen die Macht dieses Schattens er¬
scheint, der sich über ein gutes Heer zu legen droht. Ja, es giebt Preußen,
die so wenig Sinn für das Opportune haben, daß sie ihre Knaben lieber als
Sieger auf dem Schlachtfelde sterben sähen, als auf einem schlechten Rückzüge. Da
von dem System in der Verfassung nichts steht, so muß das Volk seine Bedenken
gegen das Ministerium adressiren. Sollte ja das nächste Abgeordnetenhaus zu¬
sammentreten, bevor der Kampf gegen einen äußern Feind begonnen hat, so
wird es für eine gute Pflichterfüllung halten, seinem Staat von dem System zu
helfen, und es wird dem Ministerium nicht gefügig sein. Dann wird Gras
Bismarck bei Sr. Majestät vielleicht auf neue Auflösung dringen und, wenn
wir ihn recht beurtheilen, ein neues Wahlgesetz, nicht im Sinne der Reaction,
sondern nach allgemeinem Stimmrecht proclamiren. Und die Mehrheit der neuen
Wähler wird dann wieder die alten Vertreter senden u. s. w.

Wir aber meinen, die Entscheidung wird auf anderem Gebiet und schneller
herbeigeführt werden und nicht die Väter, sondern die Söhne im Felde werden
die Befreiung erkämpfen.

Denn die Dinge drängen zur Entscheidung, die politische Lage Preußens
ist durch Fehler der Gegner wider Erwarten günstig geworden, und das Heer
wird nach menschlicher Berechnung schon in den nächsten Wochen Gelegenheit
haben, seine Tüchtigkeit zu bewähren. Der Krieg, welcher bevorsteht, ist kein
Kämpf, wie gegen die Dänen und die größte Bravour der Regimenter vermag
nicht alles zu thun. -- Aber so große und folgenschwere Zeit übt ein großes


Sequenz zu fordern wagen; man bildet sich ein, daß das phantastische Mosaik aus
vielen Nichts den Hohenzollern und dem Staate hinderlich sei, man hat die
Ansicht, daß es im Frieden ein unbequemes Ding gewesen sei, und furcht¬
bar gefährlich bei drohendem Kriege, weil man keinen Augenblick sicher sei, ob
es nicht statt der Route Prag und Wien im entscheidenden Augenblick einem
guten König die Reise nach Posen und Königsberg empfehlen könne; man ist
in Preußen der Ansicht, daß die mannhaften Qualitäten, welche ein und daS
andere Mitglied des Ministeriums unleugbar besitzt, und wofür es dem preu.
ßischen Volke nicht an Sympathien fehlt, durch dasselbe System in jedem Augen¬
blicke gehemmt werden, und man bedauert, daß dieselben Männer, welche im
Besitz der männlichen Qualitäten sind, daß grade sie dies System großgezogen
haben, unter dem sie vielleicht leiden wie der ganze Staat, und an dem
sie zur Strafe zerschellen können. Dies System nun ist es, was die Opposition
in der schwierigen Lage des Staats beseitigen wollte, so lange die Ereignisse
überhaupt eine Einwirkung der civilen Bevölkerung möglich machen. Denn es giebt
in Preußen Leute, welche seit dem Feldzug in Schleswig meinen, daß dasselbe
System sich auch in die Kriegführung zu mengen wage, und die noch jetzt so
argwöhnisch sind, daß ihnen sogar der Abgang des Feldmarschalls Wrangel zur
Armee nicht als unbedingte Bürgschaft gegen die Macht dieses Schattens er¬
scheint, der sich über ein gutes Heer zu legen droht. Ja, es giebt Preußen,
die so wenig Sinn für das Opportune haben, daß sie ihre Knaben lieber als
Sieger auf dem Schlachtfelde sterben sähen, als auf einem schlechten Rückzüge. Da
von dem System in der Verfassung nichts steht, so muß das Volk seine Bedenken
gegen das Ministerium adressiren. Sollte ja das nächste Abgeordnetenhaus zu¬
sammentreten, bevor der Kampf gegen einen äußern Feind begonnen hat, so
wird es für eine gute Pflichterfüllung halten, seinem Staat von dem System zu
helfen, und es wird dem Ministerium nicht gefügig sein. Dann wird Gras
Bismarck bei Sr. Majestät vielleicht auf neue Auflösung dringen und, wenn
wir ihn recht beurtheilen, ein neues Wahlgesetz, nicht im Sinne der Reaction,
sondern nach allgemeinem Stimmrecht proclamiren. Und die Mehrheit der neuen
Wähler wird dann wieder die alten Vertreter senden u. s. w.

Wir aber meinen, die Entscheidung wird auf anderem Gebiet und schneller
herbeigeführt werden und nicht die Väter, sondern die Söhne im Felde werden
die Befreiung erkämpfen.

Denn die Dinge drängen zur Entscheidung, die politische Lage Preußens
ist durch Fehler der Gegner wider Erwarten günstig geworden, und das Heer
wird nach menschlicher Berechnung schon in den nächsten Wochen Gelegenheit
haben, seine Tüchtigkeit zu bewähren. Der Krieg, welcher bevorsteht, ist kein
Kämpf, wie gegen die Dänen und die größte Bravour der Regimenter vermag
nicht alles zu thun. — Aber so große und folgenschwere Zeit übt ein großes


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[0434] Sequenz zu fordern wagen; man bildet sich ein, daß das phantastische Mosaik aus vielen Nichts den Hohenzollern und dem Staate hinderlich sei, man hat die Ansicht, daß es im Frieden ein unbequemes Ding gewesen sei, und furcht¬ bar gefährlich bei drohendem Kriege, weil man keinen Augenblick sicher sei, ob es nicht statt der Route Prag und Wien im entscheidenden Augenblick einem guten König die Reise nach Posen und Königsberg empfehlen könne; man ist in Preußen der Ansicht, daß die mannhaften Qualitäten, welche ein und daS andere Mitglied des Ministeriums unleugbar besitzt, und wofür es dem preu. ßischen Volke nicht an Sympathien fehlt, durch dasselbe System in jedem Augen¬ blicke gehemmt werden, und man bedauert, daß dieselben Männer, welche im Besitz der männlichen Qualitäten sind, daß grade sie dies System großgezogen haben, unter dem sie vielleicht leiden wie der ganze Staat, und an dem sie zur Strafe zerschellen können. Dies System nun ist es, was die Opposition in der schwierigen Lage des Staats beseitigen wollte, so lange die Ereignisse überhaupt eine Einwirkung der civilen Bevölkerung möglich machen. Denn es giebt in Preußen Leute, welche seit dem Feldzug in Schleswig meinen, daß dasselbe System sich auch in die Kriegführung zu mengen wage, und die noch jetzt so argwöhnisch sind, daß ihnen sogar der Abgang des Feldmarschalls Wrangel zur Armee nicht als unbedingte Bürgschaft gegen die Macht dieses Schattens er¬ scheint, der sich über ein gutes Heer zu legen droht. Ja, es giebt Preußen, die so wenig Sinn für das Opportune haben, daß sie ihre Knaben lieber als Sieger auf dem Schlachtfelde sterben sähen, als auf einem schlechten Rückzüge. Da von dem System in der Verfassung nichts steht, so muß das Volk seine Bedenken gegen das Ministerium adressiren. Sollte ja das nächste Abgeordnetenhaus zu¬ sammentreten, bevor der Kampf gegen einen äußern Feind begonnen hat, so wird es für eine gute Pflichterfüllung halten, seinem Staat von dem System zu helfen, und es wird dem Ministerium nicht gefügig sein. Dann wird Gras Bismarck bei Sr. Majestät vielleicht auf neue Auflösung dringen und, wenn wir ihn recht beurtheilen, ein neues Wahlgesetz, nicht im Sinne der Reaction, sondern nach allgemeinem Stimmrecht proclamiren. Und die Mehrheit der neuen Wähler wird dann wieder die alten Vertreter senden u. s. w. Wir aber meinen, die Entscheidung wird auf anderem Gebiet und schneller herbeigeführt werden und nicht die Väter, sondern die Söhne im Felde werden die Befreiung erkämpfen. Denn die Dinge drängen zur Entscheidung, die politische Lage Preußens ist durch Fehler der Gegner wider Erwarten günstig geworden, und das Heer wird nach menschlicher Berechnung schon in den nächsten Wochen Gelegenheit haben, seine Tüchtigkeit zu bewähren. Der Krieg, welcher bevorsteht, ist kein Kämpf, wie gegen die Dänen und die größte Bravour der Regimenter vermag nicht alles zu thun. — Aber so große und folgenschwere Zeit übt ein großes

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/434>, abgerufen am 15.05.2024.