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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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der Erinnerung an Ihre Triumphe werden Sie das Capitol wieder aufrichten,
aber hier, Sire, müssen Sie innehalten: der Allmächtige selbst, müde der
Schöpfung, hat es nicht unter seiner Würde gehalten auszuruhen u. s. w. Es
scheint wirklich, daß Napoleon eine Zeit lang daran dachte auf diese Pläne ein¬
zugehen, wenigstens gab er den Gesandten zur Antwort, er wolle sich der Wieder¬
aufrichtung des römischen Reichs weihen; nachdem er in Frankreich Cäsar ge¬
wesen, wolle er Camillus in Rom sein und machen" daß der Fremde nie mehr
den Boden des Capitols betrete.

Der Gedanke an eine Einigung durch das Haus Savoyen kommt auch in
der nächsten Folgezeit nur sporadisch vor. Er knüpft sich zunächst an die
Hoffnungen auf den liberal erzogenen Prinzen von Carignan, den Pietro Giordani
in einem Brief an Monti den wahrhaft ersehnten Fürsten, die einzige Hoffnung
deS armen Italiens nannte. Diese Erwartungen wurden aber durch des Prinzen
Haltung während der Revolution von 1821 gründlich niedergeschlagen, so daß
Karl Albert lange mit dem Fluche des italienischen Liberalismus beladen blieb.
Im Allgemeinen taucht jener Gedanke immer dann wieder auf, so oft die Hoffnung
auf einen Systemwechsel in Piemont sich neu belebt. Beim Regierungsantritt
Karl Alberts stellte sich bekanntlich selbst Mazzini dem König zur Verfügung, der
freilich auch diesmal den Illusionen ein schnelles Ende bereitete. Als dann in
den vierziger Jahren schrittweise in ein nationales und liberales System ein¬
gelenkt wurde, stiegen in demselben Verhältniß die Hoffnungen Italiens auf
Piemont. Derer waren es nur wenige, welche unbeirrt durch das Regierungs¬
system in dem Staat selbst den gegebenen Kern des künstigen Italiens erblickten,
unter diesen wenigen der ausgezeichnete Enkel Sismondis, Francesco Forel
aus Pescia, der am Ende der zwanziger Jahre in die florentiner Antologia
schrieb, und den ein frühzeitiger Tod schon im Alter von 32 Jahren seinem
Vaterland entriß.*) Fast alleinstehend unter seinen Freunden verfocht er schon
damals mit Nachdruck die Ansicht, daß nicht die thörichten Volksaufstände,
sondern allein eine wirkliche, militärische Macht Italien aus dem Verfall zu
erheben im Stande sei. Dabei zweifelte er, ob Italiens eigene Kräfte dazu
ausreichen würden, mahnte inzwischen zu kriegerischer Erziehung der Nation,
wies auf die Geschichte Piemonts, welche die Zukunft Italiens in ihrem Schoße
trage und vertheidigte die piemontesische Politik gegen die üblichen Vorwürfe
der Doppelzüngigkeit und Hinterlist mit den Worten: die Schlauheit ist ein
nothwendiges Ergänzungsmittel für unzureichende Kräfte. Man muß mächtig
sein, um geachtet zu sein, und ohne das haben die Verträge leinen Werth: darum
kann ich mich nicht entschließen die Künste eines Fürsten zu tadeln, um diejenige
Ausdehnung seines Gebiets zu erlangen, ohne welche er nicht einmal seiner



') Kualtsrio, gli uttitm rivolZimenti. Bd. I, S. 265 ff.

der Erinnerung an Ihre Triumphe werden Sie das Capitol wieder aufrichten,
aber hier, Sire, müssen Sie innehalten: der Allmächtige selbst, müde der
Schöpfung, hat es nicht unter seiner Würde gehalten auszuruhen u. s. w. Es
scheint wirklich, daß Napoleon eine Zeit lang daran dachte auf diese Pläne ein¬
zugehen, wenigstens gab er den Gesandten zur Antwort, er wolle sich der Wieder¬
aufrichtung des römischen Reichs weihen; nachdem er in Frankreich Cäsar ge¬
wesen, wolle er Camillus in Rom sein und machen» daß der Fremde nie mehr
den Boden des Capitols betrete.

Der Gedanke an eine Einigung durch das Haus Savoyen kommt auch in
der nächsten Folgezeit nur sporadisch vor. Er knüpft sich zunächst an die
Hoffnungen auf den liberal erzogenen Prinzen von Carignan, den Pietro Giordani
in einem Brief an Monti den wahrhaft ersehnten Fürsten, die einzige Hoffnung
deS armen Italiens nannte. Diese Erwartungen wurden aber durch des Prinzen
Haltung während der Revolution von 1821 gründlich niedergeschlagen, so daß
Karl Albert lange mit dem Fluche des italienischen Liberalismus beladen blieb.
Im Allgemeinen taucht jener Gedanke immer dann wieder auf, so oft die Hoffnung
auf einen Systemwechsel in Piemont sich neu belebt. Beim Regierungsantritt
Karl Alberts stellte sich bekanntlich selbst Mazzini dem König zur Verfügung, der
freilich auch diesmal den Illusionen ein schnelles Ende bereitete. Als dann in
den vierziger Jahren schrittweise in ein nationales und liberales System ein¬
gelenkt wurde, stiegen in demselben Verhältniß die Hoffnungen Italiens auf
Piemont. Derer waren es nur wenige, welche unbeirrt durch das Regierungs¬
system in dem Staat selbst den gegebenen Kern des künstigen Italiens erblickten,
unter diesen wenigen der ausgezeichnete Enkel Sismondis, Francesco Forel
aus Pescia, der am Ende der zwanziger Jahre in die florentiner Antologia
schrieb, und den ein frühzeitiger Tod schon im Alter von 32 Jahren seinem
Vaterland entriß.*) Fast alleinstehend unter seinen Freunden verfocht er schon
damals mit Nachdruck die Ansicht, daß nicht die thörichten Volksaufstände,
sondern allein eine wirkliche, militärische Macht Italien aus dem Verfall zu
erheben im Stande sei. Dabei zweifelte er, ob Italiens eigene Kräfte dazu
ausreichen würden, mahnte inzwischen zu kriegerischer Erziehung der Nation,
wies auf die Geschichte Piemonts, welche die Zukunft Italiens in ihrem Schoße
trage und vertheidigte die piemontesische Politik gegen die üblichen Vorwürfe
der Doppelzüngigkeit und Hinterlist mit den Worten: die Schlauheit ist ein
nothwendiges Ergänzungsmittel für unzureichende Kräfte. Man muß mächtig
sein, um geachtet zu sein, und ohne das haben die Verträge leinen Werth: darum
kann ich mich nicht entschließen die Künste eines Fürsten zu tadeln, um diejenige
Ausdehnung seines Gebiets zu erlangen, ohne welche er nicht einmal seiner



') Kualtsrio, gli uttitm rivolZimenti. Bd. I, S. 265 ff.
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[0485] der Erinnerung an Ihre Triumphe werden Sie das Capitol wieder aufrichten, aber hier, Sire, müssen Sie innehalten: der Allmächtige selbst, müde der Schöpfung, hat es nicht unter seiner Würde gehalten auszuruhen u. s. w. Es scheint wirklich, daß Napoleon eine Zeit lang daran dachte auf diese Pläne ein¬ zugehen, wenigstens gab er den Gesandten zur Antwort, er wolle sich der Wieder¬ aufrichtung des römischen Reichs weihen; nachdem er in Frankreich Cäsar ge¬ wesen, wolle er Camillus in Rom sein und machen» daß der Fremde nie mehr den Boden des Capitols betrete. Der Gedanke an eine Einigung durch das Haus Savoyen kommt auch in der nächsten Folgezeit nur sporadisch vor. Er knüpft sich zunächst an die Hoffnungen auf den liberal erzogenen Prinzen von Carignan, den Pietro Giordani in einem Brief an Monti den wahrhaft ersehnten Fürsten, die einzige Hoffnung deS armen Italiens nannte. Diese Erwartungen wurden aber durch des Prinzen Haltung während der Revolution von 1821 gründlich niedergeschlagen, so daß Karl Albert lange mit dem Fluche des italienischen Liberalismus beladen blieb. Im Allgemeinen taucht jener Gedanke immer dann wieder auf, so oft die Hoffnung auf einen Systemwechsel in Piemont sich neu belebt. Beim Regierungsantritt Karl Alberts stellte sich bekanntlich selbst Mazzini dem König zur Verfügung, der freilich auch diesmal den Illusionen ein schnelles Ende bereitete. Als dann in den vierziger Jahren schrittweise in ein nationales und liberales System ein¬ gelenkt wurde, stiegen in demselben Verhältniß die Hoffnungen Italiens auf Piemont. Derer waren es nur wenige, welche unbeirrt durch das Regierungs¬ system in dem Staat selbst den gegebenen Kern des künstigen Italiens erblickten, unter diesen wenigen der ausgezeichnete Enkel Sismondis, Francesco Forel aus Pescia, der am Ende der zwanziger Jahre in die florentiner Antologia schrieb, und den ein frühzeitiger Tod schon im Alter von 32 Jahren seinem Vaterland entriß.*) Fast alleinstehend unter seinen Freunden verfocht er schon damals mit Nachdruck die Ansicht, daß nicht die thörichten Volksaufstände, sondern allein eine wirkliche, militärische Macht Italien aus dem Verfall zu erheben im Stande sei. Dabei zweifelte er, ob Italiens eigene Kräfte dazu ausreichen würden, mahnte inzwischen zu kriegerischer Erziehung der Nation, wies auf die Geschichte Piemonts, welche die Zukunft Italiens in ihrem Schoße trage und vertheidigte die piemontesische Politik gegen die üblichen Vorwürfe der Doppelzüngigkeit und Hinterlist mit den Worten: die Schlauheit ist ein nothwendiges Ergänzungsmittel für unzureichende Kräfte. Man muß mächtig sein, um geachtet zu sein, und ohne das haben die Verträge leinen Werth: darum kann ich mich nicht entschließen die Künste eines Fürsten zu tadeln, um diejenige Ausdehnung seines Gebiets zu erlangen, ohne welche er nicht einmal seiner ') Kualtsrio, gli uttitm rivolZimenti. Bd. I, S. 265 ff.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/485>, abgerufen am 16.05.2024.