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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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ward, sondern weil dadurch in Wahrheit für Preußen Zustände herbeigeführt
sind, welche unaufhaltsam einen Sieg des Liberalismus herbeiführen müssen.

Keine Regierung und seien ihre Vorurtheile noch so groß, vermag solchen
Krieg zu führen, ohne ernsthaft um Frieden mit ihrer Landesvertretung zu wer¬
ben. Es ist möglich, daß diese Erkenntniß erst nach und nach kommt und daß
es noch einige innere Stöße giebt, bevor die alte Erbitterung von beiden Sei¬
ten ruhiger Erwägung Raum giebt. Aber für die Regierung wie für die Opposition
ist der Zwang übermächtig geworden, und wenig vermag persönlicher Groll noch
aufzuhalten. Man erwäge die Sachlage so unbefangen, als die wogende Em¬
pfindung dieser Tage gestattet. Die Heeresorganisation macht jetzt ihre Kriegs¬
probe, das Gute daran wird dauern, die Uebelstände werden im Felde mit
Schaden gefühlt werden, der Friede wird dem zerrauften Heere, dem erschöpften
Lande mit Nothwendigkeit die Modificationen bringen, welche nach der Sach¬
lage unvermeidlich werden. Welches diese Sachlage sein wird, kann jetzt nie¬
mand sagen. Die Heeresfrage ist also hinfällig geworden.

Die Negierung wird jetzt sehr viel Geld brauchen, das Bewilligungsrecht
der Kammer hat plötzlich eine Bedeutung gewonnen, welche die Regierung zu
lange verkannt hat, der Staat wird in jedem Falle mit großer Schuldenlast
aus dem Kriege treten, die Finanzlage auf viele Jahre eine schwierige werden,
es ist klar, daß die Regierung, für die ungeheuern Summen, welche sie jetzt
bedarf und die sie später zu amortisiren hat, die Volksvertretung gar nicht ent¬
behren kann. Keine Finanzmittel, kein Verpfänden und Verkaufen kann hin¬
reichen, die Geldbedürsnisse zu decken, nur der gute Wille des Volkes vermag
hier zu helfen.

Und der innere Druck des Systems, er wird vielleicht noch einige Wochen
fortgesetzt werden, die alten schlechten Werkzeuge werden ihre Arbeit nicht sofort
aufgeben, aber der furchtbare Ernst der Lage wird auch hier die Regierung
zwingen, dem öffentlichen Unwillen darüber Concessionen zu machen.

Entscheidend aber für die innern Zustände wird in jedem Falle das Resultat
des Kampfes. Geht Preußen, wie sein Volk hofft und ersehnt, siegreich aus
der Katastrophe hervor, so wird ein neuer Bundesstaat gegründet. Das preu¬
ßische Volt wird mit andern Stämmen durch ein enges Band verbunden, die
liberale Partei erhält eine entscheidende Verstärkung in der Bevölkerung ande¬
rer Staaten, das alte System kann nicht über Deutschland regieren, das weiß
niemand besser als der preußische Ministerpräsident. Sollte aber dem Kampfe
kein günstiges Ende werden, so wird die kühne Politik, welche ohne das Volk
das Höchste wagte, ohnedies zerbrechen und neue Kräfte die Organisation des
Staates auf neuen Grundlagen unternehmen.

Aber das Heer? kehrt es siegreich zurück, so wird es eine loyale Stütze der
Reaction. Mögen die preußischen Patrioten sich dieser unnützen Sorge gänzlich


ward, sondern weil dadurch in Wahrheit für Preußen Zustände herbeigeführt
sind, welche unaufhaltsam einen Sieg des Liberalismus herbeiführen müssen.

Keine Regierung und seien ihre Vorurtheile noch so groß, vermag solchen
Krieg zu führen, ohne ernsthaft um Frieden mit ihrer Landesvertretung zu wer¬
ben. Es ist möglich, daß diese Erkenntniß erst nach und nach kommt und daß
es noch einige innere Stöße giebt, bevor die alte Erbitterung von beiden Sei¬
ten ruhiger Erwägung Raum giebt. Aber für die Regierung wie für die Opposition
ist der Zwang übermächtig geworden, und wenig vermag persönlicher Groll noch
aufzuhalten. Man erwäge die Sachlage so unbefangen, als die wogende Em¬
pfindung dieser Tage gestattet. Die Heeresorganisation macht jetzt ihre Kriegs¬
probe, das Gute daran wird dauern, die Uebelstände werden im Felde mit
Schaden gefühlt werden, der Friede wird dem zerrauften Heere, dem erschöpften
Lande mit Nothwendigkeit die Modificationen bringen, welche nach der Sach¬
lage unvermeidlich werden. Welches diese Sachlage sein wird, kann jetzt nie¬
mand sagen. Die Heeresfrage ist also hinfällig geworden.

Die Negierung wird jetzt sehr viel Geld brauchen, das Bewilligungsrecht
der Kammer hat plötzlich eine Bedeutung gewonnen, welche die Regierung zu
lange verkannt hat, der Staat wird in jedem Falle mit großer Schuldenlast
aus dem Kriege treten, die Finanzlage auf viele Jahre eine schwierige werden,
es ist klar, daß die Regierung, für die ungeheuern Summen, welche sie jetzt
bedarf und die sie später zu amortisiren hat, die Volksvertretung gar nicht ent¬
behren kann. Keine Finanzmittel, kein Verpfänden und Verkaufen kann hin¬
reichen, die Geldbedürsnisse zu decken, nur der gute Wille des Volkes vermag
hier zu helfen.

Und der innere Druck des Systems, er wird vielleicht noch einige Wochen
fortgesetzt werden, die alten schlechten Werkzeuge werden ihre Arbeit nicht sofort
aufgeben, aber der furchtbare Ernst der Lage wird auch hier die Regierung
zwingen, dem öffentlichen Unwillen darüber Concessionen zu machen.

Entscheidend aber für die innern Zustände wird in jedem Falle das Resultat
des Kampfes. Geht Preußen, wie sein Volk hofft und ersehnt, siegreich aus
der Katastrophe hervor, so wird ein neuer Bundesstaat gegründet. Das preu¬
ßische Volt wird mit andern Stämmen durch ein enges Band verbunden, die
liberale Partei erhält eine entscheidende Verstärkung in der Bevölkerung ande¬
rer Staaten, das alte System kann nicht über Deutschland regieren, das weiß
niemand besser als der preußische Ministerpräsident. Sollte aber dem Kampfe
kein günstiges Ende werden, so wird die kühne Politik, welche ohne das Volk
das Höchste wagte, ohnedies zerbrechen und neue Kräfte die Organisation des
Staates auf neuen Grundlagen unternehmen.

Aber das Heer? kehrt es siegreich zurück, so wird es eine loyale Stütze der
Reaction. Mögen die preußischen Patrioten sich dieser unnützen Sorge gänzlich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/528>, abgerufen am 03.06.2024.