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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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in dieser Hoffnung getäuscht sah, und als trotz der Beweise von Anhänglichkeit
an das Vaterland, welche die Bewohner gegeben, und trotz ihrer Bitten, sie
nicht bei Frankreich zu belasse", der erste pariser Frieden die Städte und die
Grafschaft wieder an jenes auslieferte. Selbst in dem Augenblicke noch, wo
die Abtretung bekannt wurde, beeiferten sich die Bürger Saarbrückens, laut den
Wunsch auszusprechen, daß sie nur Deutschland angehören wollten. Es folgte
eine Zeit hoffnungsloser Niedergeschlagenheit, aber glücklicherweise dauerte sie
nicht lange. Napoleons Rückkehr von Elba entzündete den Krieg wieder und
belebte die Hoffnung aufs Neue. Gedrückt von den französischen Beamten,
weil sie offen ihre deutsche Gesinnung kundgaben, von französischen Freischaaren
heimgesucht, welche in Blousen die offne Stadt vertheidigen wollten, wurden
die Bewohner von Saarbrücken und Se. Johann von den deutschen Truppen,
als dieselben wieder einrückten, als Feinde behandelt, weil sie politisch zu Frank¬
reich gehörten, und für den geleisteten Widerstand verantwortlich gemacht, wozu
dann noch ungeheure Einquartierungskosten kamen, welche die Schulden der
Stadt binnen wenigen Tagen um 200,000 Franken steigerten. Dennoch fand
kein Wandel in der Gesinnung der großen Mehrzahl der Bürger statt, und
so viel die französischen Verwaltungsbehörden patriotischen Kundgebungen bei
Empfang der alliirten Heere entgegenwirkten, dennoch zeigte man wiederholt
deutlich, wie wenig man es mit Frankreichs Sache hielt, und wie sehnlich man
von ihm loszukommen wünschte. Die Aufregung nahm mit jeder Nachricht von
Fortschritten der alliirten Waffen zu, und sie ging zur That über, als die Kunde
von dem Siege Blüchers und Wellingtons bei Waterloo eintraf. Am 11. Juli
1815 gelobten 345 Bürger der Städte Saarbrücken und Se. Johann urkundlich:

"Alle und jeder insbesondere, mit allen Mitteln für die Lostrennung von
Frankreich und die Wiedervereinigung mit Deutschland zu wirken, alles zu thun
und zu leisten, was den Umständen nach von ihnen gefordert werden wird."

Es wurde eine Commission zu diesem Zwecke niedergesetzt, alte Verbindungen
wurden erneuert, neue aufgesucht, einflußreiche Persönlichkeiten gewonnen, und
aus dem Zusammenwirken so vieler Einzelnen ging ein werthvolles Material
zu den Denkschriften hervor, mit denen man später die maßgebende Stelle über,
zeugte und zu gedeihlichem Entschluß brachte. Vergebens suchten der Maire
und die übrigen französischen Beamten die Agitation der Preußischgesinnten zu
hemmen und dem russischen Armee-Minister Alopeus, der damals mit Lothringen
auch Saarbrücken im Namen der verbündeten Mächte regierte, zu verdächtigen.
Es wurde eine neue Gemeindevertretung aus der preußischen Partei eingesetzt,
und bald nachher beschloß dieselbe, eine Deputation an die verbündeten Monar¬
chen nach Paris abzusenden, um denselben die Gesinnungen und Wünsche der
Bewohner von Saarbrücken vorzutragen urit daran die Bitte zu knüpfen, sie
als Deutsche zu behandeln, die gegen ihren Willen an Frankreich abgetreten


in dieser Hoffnung getäuscht sah, und als trotz der Beweise von Anhänglichkeit
an das Vaterland, welche die Bewohner gegeben, und trotz ihrer Bitten, sie
nicht bei Frankreich zu belasse», der erste pariser Frieden die Städte und die
Grafschaft wieder an jenes auslieferte. Selbst in dem Augenblicke noch, wo
die Abtretung bekannt wurde, beeiferten sich die Bürger Saarbrückens, laut den
Wunsch auszusprechen, daß sie nur Deutschland angehören wollten. Es folgte
eine Zeit hoffnungsloser Niedergeschlagenheit, aber glücklicherweise dauerte sie
nicht lange. Napoleons Rückkehr von Elba entzündete den Krieg wieder und
belebte die Hoffnung aufs Neue. Gedrückt von den französischen Beamten,
weil sie offen ihre deutsche Gesinnung kundgaben, von französischen Freischaaren
heimgesucht, welche in Blousen die offne Stadt vertheidigen wollten, wurden
die Bewohner von Saarbrücken und Se. Johann von den deutschen Truppen,
als dieselben wieder einrückten, als Feinde behandelt, weil sie politisch zu Frank¬
reich gehörten, und für den geleisteten Widerstand verantwortlich gemacht, wozu
dann noch ungeheure Einquartierungskosten kamen, welche die Schulden der
Stadt binnen wenigen Tagen um 200,000 Franken steigerten. Dennoch fand
kein Wandel in der Gesinnung der großen Mehrzahl der Bürger statt, und
so viel die französischen Verwaltungsbehörden patriotischen Kundgebungen bei
Empfang der alliirten Heere entgegenwirkten, dennoch zeigte man wiederholt
deutlich, wie wenig man es mit Frankreichs Sache hielt, und wie sehnlich man
von ihm loszukommen wünschte. Die Aufregung nahm mit jeder Nachricht von
Fortschritten der alliirten Waffen zu, und sie ging zur That über, als die Kunde
von dem Siege Blüchers und Wellingtons bei Waterloo eintraf. Am 11. Juli
1815 gelobten 345 Bürger der Städte Saarbrücken und Se. Johann urkundlich:

„Alle und jeder insbesondere, mit allen Mitteln für die Lostrennung von
Frankreich und die Wiedervereinigung mit Deutschland zu wirken, alles zu thun
und zu leisten, was den Umständen nach von ihnen gefordert werden wird."

Es wurde eine Commission zu diesem Zwecke niedergesetzt, alte Verbindungen
wurden erneuert, neue aufgesucht, einflußreiche Persönlichkeiten gewonnen, und
aus dem Zusammenwirken so vieler Einzelnen ging ein werthvolles Material
zu den Denkschriften hervor, mit denen man später die maßgebende Stelle über,
zeugte und zu gedeihlichem Entschluß brachte. Vergebens suchten der Maire
und die übrigen französischen Beamten die Agitation der Preußischgesinnten zu
hemmen und dem russischen Armee-Minister Alopeus, der damals mit Lothringen
auch Saarbrücken im Namen der verbündeten Mächte regierte, zu verdächtigen.
Es wurde eine neue Gemeindevertretung aus der preußischen Partei eingesetzt,
und bald nachher beschloß dieselbe, eine Deputation an die verbündeten Monar¬
chen nach Paris abzusenden, um denselben die Gesinnungen und Wünsche der
Bewohner von Saarbrücken vorzutragen urit daran die Bitte zu knüpfen, sie
als Deutsche zu behandeln, die gegen ihren Willen an Frankreich abgetreten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/66>, abgerufen am 31.05.2024.