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Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band.

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gangen bilden, deren Saarbrückens Bürgerschaft sich aus dem Juli 1816 er-
innert. Am 1. Juli 1865 ist der Handelsvertrag ins Leben getreten, der für
Deutschland und Frankreich neue weite Bahnen friedlichen Verkehrs und das
Feld eines neuen Wettkampfs eröffnet, und sechs Tage später wurde die neue
Wasserstraße des Saarkanals eingeweiht, welche fortan die Kohlen und die
sonstigen Erzeugnisse Saarbrückens und seiner Umgebung auch saaraufwärts,
nicht blos nach den Salzwerken von Dieuze, sondern bis tief in das Innere
Frankreichs und bis an die Grenze der Schweiz trägt und andrerseits die
Producte dieser Länder nach dem deutschen Saarthal zu führen bestimmt ist.

Und andrerseits ist Saarbrücken durch großartige Verkehrsanstalten dem
Innern Deutschlands um vieles näher gerückt worden. Vor fünfzig Jahren
war es eine abgelegene, wenig gekannte und beachtete Grenzlandschaft. Eine einzige
Kunststraße -- die Kaiserstraße -- führte 1815 über Kaiserslautern nach Mainz und
dem Rhein. Nach der sonstigen Umgebung, nach Saargemünd, nach Ottweiler, nach
dem Köllerthale, nach Saarlouis und selbst nach Trier (unter französischer Herr¬
schaft der Dcpartemcntshauptstadt) führten Wege, die außer den Fahrgeleisen
kaum noch eine Spur menschlicher Thätigkeit zeigten. Postboten und Brief¬
karren unterhielten da und dort kümmerlich die Verbindung durch Correspondenz.
Aus der Kaiserstraße vermittelte ein einziger Postwagen den ganzen Personen¬
verkehr. Die ersten Verbesserungen dieses Zustandes datiren von 1817, wo
ein wöchentlich zweimal gehender Postwagen nach Trier, und von 1818, wo
ein jeden Mittwoch nach Ottweiler gehender Personenwagen eingerichtet wurde.
"Je nach Maßgabe der guten oder schlechten Jahreszeit" fuhr dieser letztere
"zwischen 4 und 6 Uhr Morgens" von Saarbrücken ab und kehrte "zwischen
2 und 4 Uhr Nachmittags" von Ottweiler zurück. Wer von diesem Ort nach
dem Rhein wollte, konnte den Donnerstag benutzen, um in beliebiger Art die
vierzehn Stunden Wegs nach Kirr zurückzulegen, wo die ehemalige Staatskarosse
des Fürsten von Salm-Kirburg, zur preußischen Postkutsche umgewandelt, ihn
ausnahm und Freitags früh "zwischen 4 und 6 Uhr" nach Kreuznach weiter¬
führte. Wie anders jetzt! Seit 1852 Vermittelt die saarbrückener Eisenbahn in
Verbindung mit der bayerischen Ludwigsbahn den Verkehr nach Mannheim und
dem ganzen Oberrhein. Seit 1858 führt dieselbe in Verbindung mit der trier-
luxemburgcr Eisenbahn in wenigen Stunden den Reisenden nach Trier und
Luxemburg. Seit 1860 endlich trägt sie in Verbindung mit der Rhein-Nahe-
Bahn Massen von Gütern und Passagieren zwischen Saarbrücken, Ottweiler,
Bingen und dem ganzen Mittel- und Oberrhein hin und her. An die Stelle
des einzigen Postwagens, der sich täglich auf der Straße zwischen Metz und
Mainz bewegte, sind eine Menge täglicher Personen-, Güter- und Kohlenzüge
getreten, welche auf der 16 Meilen langen Strecke -- Forbach-Saarbrücken,
Trier-Saarbrücken und Saarbrücken-Neunkirchen -- im Jahre 1864 ungefähr eine


gangen bilden, deren Saarbrückens Bürgerschaft sich aus dem Juli 1816 er-
innert. Am 1. Juli 1865 ist der Handelsvertrag ins Leben getreten, der für
Deutschland und Frankreich neue weite Bahnen friedlichen Verkehrs und das
Feld eines neuen Wettkampfs eröffnet, und sechs Tage später wurde die neue
Wasserstraße des Saarkanals eingeweiht, welche fortan die Kohlen und die
sonstigen Erzeugnisse Saarbrückens und seiner Umgebung auch saaraufwärts,
nicht blos nach den Salzwerken von Dieuze, sondern bis tief in das Innere
Frankreichs und bis an die Grenze der Schweiz trägt und andrerseits die
Producte dieser Länder nach dem deutschen Saarthal zu führen bestimmt ist.

Und andrerseits ist Saarbrücken durch großartige Verkehrsanstalten dem
Innern Deutschlands um vieles näher gerückt worden. Vor fünfzig Jahren
war es eine abgelegene, wenig gekannte und beachtete Grenzlandschaft. Eine einzige
Kunststraße — die Kaiserstraße — führte 1815 über Kaiserslautern nach Mainz und
dem Rhein. Nach der sonstigen Umgebung, nach Saargemünd, nach Ottweiler, nach
dem Köllerthale, nach Saarlouis und selbst nach Trier (unter französischer Herr¬
schaft der Dcpartemcntshauptstadt) führten Wege, die außer den Fahrgeleisen
kaum noch eine Spur menschlicher Thätigkeit zeigten. Postboten und Brief¬
karren unterhielten da und dort kümmerlich die Verbindung durch Correspondenz.
Aus der Kaiserstraße vermittelte ein einziger Postwagen den ganzen Personen¬
verkehr. Die ersten Verbesserungen dieses Zustandes datiren von 1817, wo
ein wöchentlich zweimal gehender Postwagen nach Trier, und von 1818, wo
ein jeden Mittwoch nach Ottweiler gehender Personenwagen eingerichtet wurde.
„Je nach Maßgabe der guten oder schlechten Jahreszeit" fuhr dieser letztere
„zwischen 4 und 6 Uhr Morgens" von Saarbrücken ab und kehrte „zwischen
2 und 4 Uhr Nachmittags" von Ottweiler zurück. Wer von diesem Ort nach
dem Rhein wollte, konnte den Donnerstag benutzen, um in beliebiger Art die
vierzehn Stunden Wegs nach Kirr zurückzulegen, wo die ehemalige Staatskarosse
des Fürsten von Salm-Kirburg, zur preußischen Postkutsche umgewandelt, ihn
ausnahm und Freitags früh „zwischen 4 und 6 Uhr" nach Kreuznach weiter¬
führte. Wie anders jetzt! Seit 1852 Vermittelt die saarbrückener Eisenbahn in
Verbindung mit der bayerischen Ludwigsbahn den Verkehr nach Mannheim und
dem ganzen Oberrhein. Seit 1858 führt dieselbe in Verbindung mit der trier-
luxemburgcr Eisenbahn in wenigen Stunden den Reisenden nach Trier und
Luxemburg. Seit 1860 endlich trägt sie in Verbindung mit der Rhein-Nahe-
Bahn Massen von Gütern und Passagieren zwischen Saarbrücken, Ottweiler,
Bingen und dem ganzen Mittel- und Oberrhein hin und her. An die Stelle
des einzigen Postwagens, der sich täglich auf der Straße zwischen Metz und
Mainz bewegte, sind eine Menge täglicher Personen-, Güter- und Kohlenzüge
getreten, welche auf der 16 Meilen langen Strecke — Forbach-Saarbrücken,
Trier-Saarbrücken und Saarbrücken-Neunkirchen — im Jahre 1864 ungefähr eine


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 25, 1866, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341803_285025/68>, abgerufen am 29.05.2024.