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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Man kann diesen Befürchtungen eine gewisse Berechtigung nicht absprechen.
Die Gefahr der Secession wird immer bestcyen, so lange das Bundesvcrhaltniß
nicbt auch den Süden umsaßt, und man wird es der badischen Regierung
danken, wen" sie mit aller Borsicht in die eben bevorstehenden Verhandlungen
eintritt. Allein wenn Preußen unter allen Umständen und im Boraus sich
gegen jene Gefahr sichern wollte, so durfte es nicbt an der Mainlinie stehen
bleiben. Jetzt >se die Frage nur die, wie die von den Friedensbestimmungen
unzertrennliche Gefahr beseitigt werden kann, und wir meinen, der Weg, den
die bayerische Regierung eingeschlagen hat, war der einzige, der die Beziehungen
zwischen dem Norden und dem Süden wirtlich um einen entscheidenden Schritt
weiter bringen konnte.

Zu dem sofortigen Scparatanschluß an Preußen war nun einmal nur
Baden bereit. Man begreift es, warum Preußen ihn ablehne" mußte, abgesehen
von aller Rücksicht"ahme auf auswärtige Mächte. Süddeutschland ist, wie ein
Blick auf die Karte lehrt, überhaupt schwer zu vertheidigen. Aber am aller,
wenigsten könnte man Preußen zumuthen, irgendeine Garantie für den schmalen
Landstrich von Mainz bis Basel zu übernehmen, so lange nicht das süddeutsche
Hinterland in das gemeinsame Verthcidigungsnetz gezogen ist. Es muß also
Preußen in der That daran liegen, daß die süddeutschen Staaten gleichzeitig
und als ein Ganzes diejenige Form des Anschlusses suchen, welche unter den
jetzigen Umständen überhaupt möglich ist.

Dies ist das Eine. Dann aber hat Preußen, bevor es seinen Schutz auch
über Süddeutschland ausdehnt, noch eine wesentliche Vorbedingung zu stellen,
und wir täuschen uns schwerlich in der Annahme, daß Preußen sie wirklich ge¬
sollt hat und daß hierauf eben das Borgchen des Fürsten Hohenlohe beruht.
Diese Borbcdingung ist, daß die süddeutschen Staaten ihre Heercseinrich-
tungen nach preußischem Muster umgestalten, und zwar derart, daß ihr Contin¬
gent im gegebenen Fall sofort einen integnrenden Bestandtheil der deutschen
Heeresmacht bilden kann. Fürst Hohenlohe hat eben darüber sich ganz bestimmt
vor der bayerischen Kammer ausgesprochen. Er stellte diese Heeresreform als
ein Mittel dar. das Ällianzverhällniß mit Preußen zu erreichen, als eine uner¬
läßliche Bedingung, ohne welche Preußen das Angebot gar nicht annehmen
würde. Und so liegen die Dinge in der That. Preußen kann nicht die min¬
deste Verpflichtung eingehen, so lange die süddeutschen Heere in ihrer aus dem
Kriege sattsam bekannten Verfassung sind oder einzeln mit beliebigen Wehr¬
systemen experimentiren, wie dies eine Zeit lang in Würtemberg zu befürchten
stand. Es ist zugleich jedem eventuellen Einspruch des Auslands ungleich
mehr gewachsen, wenn die Umwandelung der süddeutschen Contingente in
einen Bestandtheil des nationalen Heeres bereits vollzogen ist. Nur mit dem
militärisch bereits assimilirten Süden kann sich Preuße" in Verhandlungen ein-


Man kann diesen Befürchtungen eine gewisse Berechtigung nicht absprechen.
Die Gefahr der Secession wird immer bestcyen, so lange das Bundesvcrhaltniß
nicbt auch den Süden umsaßt, und man wird es der badischen Regierung
danken, wen» sie mit aller Borsicht in die eben bevorstehenden Verhandlungen
eintritt. Allein wenn Preußen unter allen Umständen und im Boraus sich
gegen jene Gefahr sichern wollte, so durfte es nicbt an der Mainlinie stehen
bleiben. Jetzt >se die Frage nur die, wie die von den Friedensbestimmungen
unzertrennliche Gefahr beseitigt werden kann, und wir meinen, der Weg, den
die bayerische Regierung eingeschlagen hat, war der einzige, der die Beziehungen
zwischen dem Norden und dem Süden wirtlich um einen entscheidenden Schritt
weiter bringen konnte.

Zu dem sofortigen Scparatanschluß an Preußen war nun einmal nur
Baden bereit. Man begreift es, warum Preußen ihn ablehne» mußte, abgesehen
von aller Rücksicht»ahme auf auswärtige Mächte. Süddeutschland ist, wie ein
Blick auf die Karte lehrt, überhaupt schwer zu vertheidigen. Aber am aller,
wenigsten könnte man Preußen zumuthen, irgendeine Garantie für den schmalen
Landstrich von Mainz bis Basel zu übernehmen, so lange nicht das süddeutsche
Hinterland in das gemeinsame Verthcidigungsnetz gezogen ist. Es muß also
Preußen in der That daran liegen, daß die süddeutschen Staaten gleichzeitig
und als ein Ganzes diejenige Form des Anschlusses suchen, welche unter den
jetzigen Umständen überhaupt möglich ist.

Dies ist das Eine. Dann aber hat Preußen, bevor es seinen Schutz auch
über Süddeutschland ausdehnt, noch eine wesentliche Vorbedingung zu stellen,
und wir täuschen uns schwerlich in der Annahme, daß Preußen sie wirklich ge¬
sollt hat und daß hierauf eben das Borgchen des Fürsten Hohenlohe beruht.
Diese Borbcdingung ist, daß die süddeutschen Staaten ihre Heercseinrich-
tungen nach preußischem Muster umgestalten, und zwar derart, daß ihr Contin¬
gent im gegebenen Fall sofort einen integnrenden Bestandtheil der deutschen
Heeresmacht bilden kann. Fürst Hohenlohe hat eben darüber sich ganz bestimmt
vor der bayerischen Kammer ausgesprochen. Er stellte diese Heeresreform als
ein Mittel dar. das Ällianzverhällniß mit Preußen zu erreichen, als eine uner¬
läßliche Bedingung, ohne welche Preußen das Angebot gar nicht annehmen
würde. Und so liegen die Dinge in der That. Preußen kann nicht die min¬
deste Verpflichtung eingehen, so lange die süddeutschen Heere in ihrer aus dem
Kriege sattsam bekannten Verfassung sind oder einzeln mit beliebigen Wehr¬
systemen experimentiren, wie dies eine Zeit lang in Würtemberg zu befürchten
stand. Es ist zugleich jedem eventuellen Einspruch des Auslands ungleich
mehr gewachsen, wenn die Umwandelung der süddeutschen Contingente in
einen Bestandtheil des nationalen Heeres bereits vollzogen ist. Nur mit dem
militärisch bereits assimilirten Süden kann sich Preuße» in Verhandlungen ein-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/288>, abgerufen am 16.06.2024.