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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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lassen, weicht allerdings unvermeidlich den Geist des Präger Friedens compro-
mittire". --

Eine doppelte Aufgabe steht somit vor der Stuttgarter Konferenz: die mög¬
lichste Annäherung der süddeutschen Wehrverfassungen an das preußische System
und die Anerkennung der preußischen Oberleitung, welche die Möglichkeit eines
Sondcrbundes und die Verwendung der süddeutschen Kräfte zu "ichtdeutschen
Zwecken ausschließt; eine Anerkennung, die, nachdem sie einmal von Bayern
officiell ausgesprochen ist, auch von Seite des ganzen Südens dem Ausland
gegenüber nichts Bedenkliches mehr hat. Wird diese doppelte Aufgabe erfüllt,
so besitzt Deutschland el" nationales Heer, und das nationale Heer wird
die nächste Form der deutschen Einheit sein. Ein ungeheurer Fort¬
schritt in der deutschen Entwickelung, wie das Ausland theils .beifällig theils
verstimmt schon jetzt anzuerkennen genöthigt ist, ein Fortschritt, der zugleich die
sicherste Grundlage für eine weitere Annäherung bietet. Es stehen dann die
Außenmaucrn des neuen Gebäudes fest; die Zwischenwände zu beseitigen, ist
dann doch nur eine durchaus innere Arbeit.

Darf man die Erfüllung dieser Doppelaufgabe von der stuttgcirter Con-
ferenz hoffen? Noch wird es schwer, an ein vollständiges Gelingen mit den
Herren Dalwigk und B^rnbühler zu glauben. Noch erscheint es wie ein kühner
Traum, daß die widerspenstigen Elemente Süddeutschlands zu einem brauchbaren,
organischen Glied des Leides deutscher Nation sich umschaffen lassen. Daß die
vorläufigen Sondirungcn Bayerns, wie es heißt, besonders in Stuttgart eifriges
Entgegenkommen gefunden haben, legt den Verdacht mal)e, daß die bayerischen
Eröffnungen, wie auch der Wortlaut der Note vom 9. Januar besagt, nur die
militärische Reorganisation der Südstcraten als solche zum Gegenstand hallen.
Andererseits ist nicht wohl anzunehmen, daß Bayern auf sein politisches Pro¬
gramm verzichte, mit welchem es eben sein militärisches Programm begründet
hat, und in der Theilnahme Badens darf man in jedem Fall eine Bürgschaft
erblicken, daß ein scharfes Aug. über allen svnderbündlerischc" Neigungen wachen
wird. Wenn mit den Kriegsministern der vier süddeutschen Staaten auch die
Minister des Auswärtigen in Stuttgart erscheinen, so ist schon hiermit aus¬
gesprochen, daß ohne ein politisches Programm die Nächstliegende Aufgabe gar
nicht durchgeführt werden tan". Der Südbund ist aber in jeder denkbaren
Form von Bayern entschiede" verworfen; er ist überdies schon darum unmög¬
lich, weil er eine Unterordnung der übrigen Staate" unter Bayern bedeutete,
wozu man i" Stuttgart so wenig Neigung verspürt als in Karlsruhe. Was
bleibt also übrig als die Anlehnung aller an Preußen, die Bayern für sich
allein schon als die entschiedene Richtung seiner Politik bezeichnet hat?

Kurze Frist nur ist für die Conferenz in Aussicht genommen; dies deutet
darauf hin, daß über gewisse Hauptpunkte ein EinVerständniß bereits erzielt ist.


lassen, weicht allerdings unvermeidlich den Geist des Präger Friedens compro-
mittire». —

Eine doppelte Aufgabe steht somit vor der Stuttgarter Konferenz: die mög¬
lichste Annäherung der süddeutschen Wehrverfassungen an das preußische System
und die Anerkennung der preußischen Oberleitung, welche die Möglichkeit eines
Sondcrbundes und die Verwendung der süddeutschen Kräfte zu »ichtdeutschen
Zwecken ausschließt; eine Anerkennung, die, nachdem sie einmal von Bayern
officiell ausgesprochen ist, auch von Seite des ganzen Südens dem Ausland
gegenüber nichts Bedenkliches mehr hat. Wird diese doppelte Aufgabe erfüllt,
so besitzt Deutschland el» nationales Heer, und das nationale Heer wird
die nächste Form der deutschen Einheit sein. Ein ungeheurer Fort¬
schritt in der deutschen Entwickelung, wie das Ausland theils .beifällig theils
verstimmt schon jetzt anzuerkennen genöthigt ist, ein Fortschritt, der zugleich die
sicherste Grundlage für eine weitere Annäherung bietet. Es stehen dann die
Außenmaucrn des neuen Gebäudes fest; die Zwischenwände zu beseitigen, ist
dann doch nur eine durchaus innere Arbeit.

Darf man die Erfüllung dieser Doppelaufgabe von der stuttgcirter Con-
ferenz hoffen? Noch wird es schwer, an ein vollständiges Gelingen mit den
Herren Dalwigk und B^rnbühler zu glauben. Noch erscheint es wie ein kühner
Traum, daß die widerspenstigen Elemente Süddeutschlands zu einem brauchbaren,
organischen Glied des Leides deutscher Nation sich umschaffen lassen. Daß die
vorläufigen Sondirungcn Bayerns, wie es heißt, besonders in Stuttgart eifriges
Entgegenkommen gefunden haben, legt den Verdacht mal)e, daß die bayerischen
Eröffnungen, wie auch der Wortlaut der Note vom 9. Januar besagt, nur die
militärische Reorganisation der Südstcraten als solche zum Gegenstand hallen.
Andererseits ist nicht wohl anzunehmen, daß Bayern auf sein politisches Pro¬
gramm verzichte, mit welchem es eben sein militärisches Programm begründet
hat, und in der Theilnahme Badens darf man in jedem Fall eine Bürgschaft
erblicken, daß ein scharfes Aug. über allen svnderbündlerischc» Neigungen wachen
wird. Wenn mit den Kriegsministern der vier süddeutschen Staaten auch die
Minister des Auswärtigen in Stuttgart erscheinen, so ist schon hiermit aus¬
gesprochen, daß ohne ein politisches Programm die Nächstliegende Aufgabe gar
nicht durchgeführt werden tan». Der Südbund ist aber in jeder denkbaren
Form von Bayern entschiede» verworfen; er ist überdies schon darum unmög¬
lich, weil er eine Unterordnung der übrigen Staate» unter Bayern bedeutete,
wozu man i» Stuttgart so wenig Neigung verspürt als in Karlsruhe. Was
bleibt also übrig als die Anlehnung aller an Preußen, die Bayern für sich
allein schon als die entschiedene Richtung seiner Politik bezeichnet hat?

Kurze Frist nur ist für die Conferenz in Aussicht genommen; dies deutet
darauf hin, daß über gewisse Hauptpunkte ein EinVerständniß bereits erzielt ist.


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[0289] lassen, weicht allerdings unvermeidlich den Geist des Präger Friedens compro- mittire». — Eine doppelte Aufgabe steht somit vor der Stuttgarter Konferenz: die mög¬ lichste Annäherung der süddeutschen Wehrverfassungen an das preußische System und die Anerkennung der preußischen Oberleitung, welche die Möglichkeit eines Sondcrbundes und die Verwendung der süddeutschen Kräfte zu »ichtdeutschen Zwecken ausschließt; eine Anerkennung, die, nachdem sie einmal von Bayern officiell ausgesprochen ist, auch von Seite des ganzen Südens dem Ausland gegenüber nichts Bedenkliches mehr hat. Wird diese doppelte Aufgabe erfüllt, so besitzt Deutschland el» nationales Heer, und das nationale Heer wird die nächste Form der deutschen Einheit sein. Ein ungeheurer Fort¬ schritt in der deutschen Entwickelung, wie das Ausland theils .beifällig theils verstimmt schon jetzt anzuerkennen genöthigt ist, ein Fortschritt, der zugleich die sicherste Grundlage für eine weitere Annäherung bietet. Es stehen dann die Außenmaucrn des neuen Gebäudes fest; die Zwischenwände zu beseitigen, ist dann doch nur eine durchaus innere Arbeit. Darf man die Erfüllung dieser Doppelaufgabe von der stuttgcirter Con- ferenz hoffen? Noch wird es schwer, an ein vollständiges Gelingen mit den Herren Dalwigk und B^rnbühler zu glauben. Noch erscheint es wie ein kühner Traum, daß die widerspenstigen Elemente Süddeutschlands zu einem brauchbaren, organischen Glied des Leides deutscher Nation sich umschaffen lassen. Daß die vorläufigen Sondirungcn Bayerns, wie es heißt, besonders in Stuttgart eifriges Entgegenkommen gefunden haben, legt den Verdacht mal)e, daß die bayerischen Eröffnungen, wie auch der Wortlaut der Note vom 9. Januar besagt, nur die militärische Reorganisation der Südstcraten als solche zum Gegenstand hallen. Andererseits ist nicht wohl anzunehmen, daß Bayern auf sein politisches Pro¬ gramm verzichte, mit welchem es eben sein militärisches Programm begründet hat, und in der Theilnahme Badens darf man in jedem Fall eine Bürgschaft erblicken, daß ein scharfes Aug. über allen svnderbündlerischc» Neigungen wachen wird. Wenn mit den Kriegsministern der vier süddeutschen Staaten auch die Minister des Auswärtigen in Stuttgart erscheinen, so ist schon hiermit aus¬ gesprochen, daß ohne ein politisches Programm die Nächstliegende Aufgabe gar nicht durchgeführt werden tan». Der Südbund ist aber in jeder denkbaren Form von Bayern entschiede» verworfen; er ist überdies schon darum unmög¬ lich, weil er eine Unterordnung der übrigen Staate» unter Bayern bedeutete, wozu man i» Stuttgart so wenig Neigung verspürt als in Karlsruhe. Was bleibt also übrig als die Anlehnung aller an Preußen, die Bayern für sich allein schon als die entschiedene Richtung seiner Politik bezeichnet hat? Kurze Frist nur ist für die Conferenz in Aussicht genommen; dies deutet darauf hin, daß über gewisse Hauptpunkte ein EinVerständniß bereits erzielt ist.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/289>, abgerufen am 24.05.2024.