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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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ist. Die Untersuchungen des nicht blos mit den preußischen Institutionen, son¬
dern auch mit ihrer Praxis vertrauten Verfassers empfehlen in der-Hauptsache:
I) Umgestaltung der Gerichtsverfassung nach preußischem Muster mit Modifika¬
tionen bezüglich der Selbständigkeit der Einzelrichter innerhalb der Gerichts¬
organisation und der Kompetenz der Collegialgenehte erster Instanz über diese,
sowie bezüglich des Verhältnisses der Staats, zur Polizeianwaltschaft-, 2) Bei.
bebaltnng des Privatrechts unter Einführung des deutschen Handelsgesehbuchs',
3) Annahme des preußischen Strafgesetzbuchs und einiger Specialaesehe; 4) Straf¬
proceßordnung auf Grund des preußischen Entwurfs von 1865; 6) Beibehal¬
tung des in Holstein geltenden Civilproceßrechts. modificirt nach den Anforde¬
rungen strengerer Durchführung des öffentlichen und mündlichen Verfahrens und
der Verbindung der Schleswig.holsteinischen Gerichte mit dem preußischen Ober-
tribunal. Rücksichtlich der Sanction des neuen Organisationsplans, die bei der
zweifelhaften Rechtsbeständigfeit der Landesvertretung in Schleswig-Holstein die
meisten Bedenken verursacht, schlägt der Verfasser vor. die Gesetzentwürfe nach
Berathung mit den Regierungsorganen des Landes einer Versammlung von
Vertrauensmännern vorzulegen und auf Gutachten derselben die Gesetze mög¬
lichst bald provisorisch zu erlassen; die Suspension ihrer Wirksamkeit his zur An¬
nahme durch die Kammern würde dazu dienen, das Land mit den neuen In¬
stitutionen praktisch bekannt zu machen. --

Auf breiterer Basis der Interessen und in juristischen Fragen -- bis auf
die Empfehlung der hannöverschen Eivisproceßordnung. -- im Wesentlichen mit
Seemann übereinstimmend bespricht eine andere Schrift "Schleswig-Hol¬
steins Verbindung mit dem preußischen Staate (Kiel, Sebwers'sche
Buchhandlung) die gleiche Angelegenheit, wacker bemüht, durch warmherzig¬
mahnenden Ton und ungeschminkte Sachlichkeit zu ruhiger Discussion und auf¬
richtiger Versöhnung zu stimmen. Sie möchte besonders dem Kaltsinn der
holstentreuen Frondeurs empfohlen werden, welche noch ein gutes Stück Weg
bis zu der Erkenntniß hahen. daß das hefte Theil des Patriotismus Selbstver-
läugnung ist, wie die Geschichte des Staates, dem sie nunmehr anzugehören
berufen sind, auf Schritt und Tritt sie lehrt.--

Mit dem Ruf: "Was wollen wir? Armee-Reorganisation
oder Armee-Desorganisation? (München, 1867)" erörtert ein "deutscher
Patriot" die ..bayerischen Existenzfragen". Mit derber Geradheit und einem bei
unsren schmollenden süddeutschen Brüdern seltenen Muthe der Einsicht enthüllt
der Verfasser die traurige Beschaffenheit der bisherigen bayrischen Militärorga¬
nisation, welche die besten Mittel und vorzügliches Soldatenmaterial vergeudet
bat. weist die Phraseologie der modernen Volkswehrschwärmer nach Schweizer-
Muster energisch zurück u,ut erlquters an,fs schlagendste, wie nur das preußische


ist. Die Untersuchungen des nicht blos mit den preußischen Institutionen, son¬
dern auch mit ihrer Praxis vertrauten Verfassers empfehlen in der-Hauptsache:
I) Umgestaltung der Gerichtsverfassung nach preußischem Muster mit Modifika¬
tionen bezüglich der Selbständigkeit der Einzelrichter innerhalb der Gerichts¬
organisation und der Kompetenz der Collegialgenehte erster Instanz über diese,
sowie bezüglich des Verhältnisses der Staats, zur Polizeianwaltschaft-, 2) Bei.
bebaltnng des Privatrechts unter Einführung des deutschen Handelsgesehbuchs',
3) Annahme des preußischen Strafgesetzbuchs und einiger Specialaesehe; 4) Straf¬
proceßordnung auf Grund des preußischen Entwurfs von 1865; 6) Beibehal¬
tung des in Holstein geltenden Civilproceßrechts. modificirt nach den Anforde¬
rungen strengerer Durchführung des öffentlichen und mündlichen Verfahrens und
der Verbindung der Schleswig.holsteinischen Gerichte mit dem preußischen Ober-
tribunal. Rücksichtlich der Sanction des neuen Organisationsplans, die bei der
zweifelhaften Rechtsbeständigfeit der Landesvertretung in Schleswig-Holstein die
meisten Bedenken verursacht, schlägt der Verfasser vor. die Gesetzentwürfe nach
Berathung mit den Regierungsorganen des Landes einer Versammlung von
Vertrauensmännern vorzulegen und auf Gutachten derselben die Gesetze mög¬
lichst bald provisorisch zu erlassen; die Suspension ihrer Wirksamkeit his zur An¬
nahme durch die Kammern würde dazu dienen, das Land mit den neuen In¬
stitutionen praktisch bekannt zu machen. —

Auf breiterer Basis der Interessen und in juristischen Fragen — bis auf
die Empfehlung der hannöverschen Eivisproceßordnung. — im Wesentlichen mit
Seemann übereinstimmend bespricht eine andere Schrift „Schleswig-Hol¬
steins Verbindung mit dem preußischen Staate (Kiel, Sebwers'sche
Buchhandlung) die gleiche Angelegenheit, wacker bemüht, durch warmherzig¬
mahnenden Ton und ungeschminkte Sachlichkeit zu ruhiger Discussion und auf¬
richtiger Versöhnung zu stimmen. Sie möchte besonders dem Kaltsinn der
holstentreuen Frondeurs empfohlen werden, welche noch ein gutes Stück Weg
bis zu der Erkenntniß hahen. daß das hefte Theil des Patriotismus Selbstver-
läugnung ist, wie die Geschichte des Staates, dem sie nunmehr anzugehören
berufen sind, auf Schritt und Tritt sie lehrt.—

Mit dem Ruf: „Was wollen wir? Armee-Reorganisation
oder Armee-Desorganisation? (München, 1867)" erörtert ein „deutscher
Patriot" die ..bayerischen Existenzfragen". Mit derber Geradheit und einem bei
unsren schmollenden süddeutschen Brüdern seltenen Muthe der Einsicht enthüllt
der Verfasser die traurige Beschaffenheit der bisherigen bayrischen Militärorga¬
nisation, welche die besten Mittel und vorzügliches Soldatenmaterial vergeudet
bat. weist die Phraseologie der modernen Volkswehrschwärmer nach Schweizer-
Muster energisch zurück u,ut erlquters an,fs schlagendste, wie nur das preußische


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/411>, abgerufen am 22.05.2024.