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Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band.

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Wehrsystem im Stande sei, die erfahrenen Schäden zu heilen und dem Lande
wahre Sicherheit zurückzugeben. Was die heimische Art der Discussion über
die "Opfer zu unproductiven Zwecken" betrifft, so entgegnet der Verfasser lako¬
nisch genug mit der Alternative: "entweder Geld und kein Schutz d. h, eine
xbeliebige Expcrimentalwehrverfassung, -- oder Geld und genügender Schutz
d. h. die Militärverfassung Preußens. Ohne Geld kein Kiel, und ohne Geld
fein Bayern mehr! Wehrhaft und ehrenhaft oder wehrlos und ehrlos!" Voll¬
kommen richtig würdigt er die Nöthigung. die provisorisch zur Mainlinie führte.
Preußen verstand sich dazu, weil es die friedliche Abwehr eines etwaigen Ver¬
luste? deutscher Erde war. Die Brücken über den Main'' zu schlagen erklärt
er für die Aufgabe der Süddeutschen, nicht aber zunächst Preußens. Dazu ist
die Militärreorganisation die zwingende und pflichtschuldige Voraussetzung.




Kleine Chronik vom Reichstage.
i.

Die ersten festlich bewegten Momente des Reichstags sind vorüber. Die
Abgeordneten haben im Sitzungssaal des umgestalteten Herrenhauses ihre Plätze
belegt, im weißen Saale den Worten der Thronrede gelauscht, die Gastlichkeit
des Königschlosses bei einem guten Diner erfahren. und den Einzelnen ist buld-
Volle Begrüßung durch die Majestäten geworden. In den Abgeordneten, die
durch das allgemeine Stimmrecht zusammengcladcn sind, bewegten sich bei der ersten
Vereinigung die Gruppen lebhaft durch einander, überall Begrüßung alter Be¬
kannten. Vorstellungen und Anknüpfung neuer Verbindungen. In der Mehrzahl
waren sie einander fremd, sogar unter den Preußen viele neue Mitglieder; den
meisten Antheil erregten außer einzelnen distinguirten" Persönlichkeiten der Preu¬
ßen: Prinz Friedrich Karl. Moltke, Steinmetz, Vogel v, Falkenstein, die Abgeord¬
neten der neuen Landestheile und die der kleineren Bundesstaaten, die sich denn
auch zum großen Theil für den Reichstag die Sitze bei einander wählten.

Die Festlichkeiten der Eröffnung begannen mit dem Gottesdienst in der
Seblvhkapelle. Die Geladenen, Reichstagsmitglicder, höhere Offiziere, die Minister
Gesandten und Commissarien der Nundesstaaten versammelten sich in dem merk¬
würdigen Rundbau, den die edle Architektur der hohen Kuppel besser schmückt
als die Wandbilder. Es war auch ihrem Gefieder nach eine bunte Versammlung.
Gallauniformen jeden Ranges, außer der militärischen des preußischen Heeres.
Landständische und Civilepauletten, Johanniter. Malteser, Hoffracke in fast
jeder Farbe und jeder Art von Goldstickerei, Ordensbänder aus fast allen Staaten


Wehrsystem im Stande sei, die erfahrenen Schäden zu heilen und dem Lande
wahre Sicherheit zurückzugeben. Was die heimische Art der Discussion über
die „Opfer zu unproductiven Zwecken" betrifft, so entgegnet der Verfasser lako¬
nisch genug mit der Alternative: „entweder Geld und kein Schutz d. h, eine
xbeliebige Expcrimentalwehrverfassung, — oder Geld und genügender Schutz
d. h. die Militärverfassung Preußens. Ohne Geld kein Kiel, und ohne Geld
fein Bayern mehr! Wehrhaft und ehrenhaft oder wehrlos und ehrlos!" Voll¬
kommen richtig würdigt er die Nöthigung. die provisorisch zur Mainlinie führte.
Preußen verstand sich dazu, weil es die friedliche Abwehr eines etwaigen Ver¬
luste? deutscher Erde war. Die Brücken über den Main'' zu schlagen erklärt
er für die Aufgabe der Süddeutschen, nicht aber zunächst Preußens. Dazu ist
die Militärreorganisation die zwingende und pflichtschuldige Voraussetzung.




Kleine Chronik vom Reichstage.
i.

Die ersten festlich bewegten Momente des Reichstags sind vorüber. Die
Abgeordneten haben im Sitzungssaal des umgestalteten Herrenhauses ihre Plätze
belegt, im weißen Saale den Worten der Thronrede gelauscht, die Gastlichkeit
des Königschlosses bei einem guten Diner erfahren. und den Einzelnen ist buld-
Volle Begrüßung durch die Majestäten geworden. In den Abgeordneten, die
durch das allgemeine Stimmrecht zusammengcladcn sind, bewegten sich bei der ersten
Vereinigung die Gruppen lebhaft durch einander, überall Begrüßung alter Be¬
kannten. Vorstellungen und Anknüpfung neuer Verbindungen. In der Mehrzahl
waren sie einander fremd, sogar unter den Preußen viele neue Mitglieder; den
meisten Antheil erregten außer einzelnen distinguirten" Persönlichkeiten der Preu¬
ßen: Prinz Friedrich Karl. Moltke, Steinmetz, Vogel v, Falkenstein, die Abgeord¬
neten der neuen Landestheile und die der kleineren Bundesstaaten, die sich denn
auch zum großen Theil für den Reichstag die Sitze bei einander wählten.

Die Festlichkeiten der Eröffnung begannen mit dem Gottesdienst in der
Seblvhkapelle. Die Geladenen, Reichstagsmitglicder, höhere Offiziere, die Minister
Gesandten und Commissarien der Nundesstaaten versammelten sich in dem merk¬
würdigen Rundbau, den die edle Architektur der hohen Kuppel besser schmückt
als die Wandbilder. Es war auch ihrem Gefieder nach eine bunte Versammlung.
Gallauniformen jeden Ranges, außer der militärischen des preußischen Heeres.
Landständische und Civilepauletten, Johanniter. Malteser, Hoffracke in fast
jeder Farbe und jeder Art von Goldstickerei, Ordensbänder aus fast allen Staaten


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 26, 1867, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341805_190158/412>, abgerufen am 15.06.2024.